Mercedes GLK:Auf der hohen Kante

Der neue Mercedes GLK setzt sich optisch bewusst von der Konkurrenz ab - womöglich aber gegen den Zeitgeist.

Georg Kacher

Die erste Begegnung, der erste Eindruck: schlucken, einen Schritt zurücktreten, die Perspektive wechseln, ein möglichst unverbindliches Urteil formulieren. Die erste Ausfahrt, der zweite Eindruck: Der GLK gibt sich aus jedem Blickwinkel die Kante. Sogar das Cockpit sieht aus wie eine Abschlussarbeit der Origami-Meisterschule. Nicht hübsch im klassischen Sinn, aber anders. Genau in diesem Anderssein liegt die Chance - und das Risiko - des neuen Crossovermodells aus Stuttgart.

Unverwechselbarer Kontrapunkt

In einer Autowelt, in der es nur so wimmelt von "Soft-Roadern mit rund geschliffenem Einheitsgesicht" (so Produktmanager Alfons Hierhammer), wollte Mercedes einen unverwechselbaren Kontrapunkt setzen. Optisches Vorbild war daher nicht das C-Klasse T-Modell, von dem sich der GLK das Fahrwerk und den 4Matic-Antriebsstrang ausgeborgt hat. Stattdessen nahmen die Designer Bezug auf das Offroad-Urgestein der Marke, das G-Modell, made in Graz. Auch bei dem galt das Kurvenlineal offenbar als Utensil non grata. Stattdessen waren jene geometrischen Formen und strengen Flächen gefragt, die wir jetzt beim GLK wieder finden: eckige Radhäuser, steil stehende Fenster, aufrechte Dachsäulen.Diese optischen Querverweise schaffen zwar viel Eigenständigkeit, aber der Zeitgeist könnte den Marketingstrategen noch einen Strich durch die Rechnung machen, denn alles was nach Hardcore-SUV aussieht, wird von den Kunden abgestraft.

Erfreulicherweise fährt sich der GLK nicht so, wie er aussieht. Im Gegenteil - das im Prinzip bekannte Chassis vermittelt die erhoffte Grundgeschmeidigkeit, die Fahrleistungen sind vor allem bei den Sechszylindern souverän und weder Bremse noch Lenkung leiden unter der genretypischen Trägheit. Allenfalls das Sondermodell Edition 1 ist mit seinen schicken 20-Zöllern ziemlich hölzern unterwegs.

17-Zöller serienmäßig

Das mindestens 9163 Euro teure Editions-Paket beinhaltet auch zweifarbige Nappalederpolster, Comand mit Farbmonitor, dunkel getönte Scheiben und Schaltpaddel am AMG-Volant. Pakete sind ohnehin die Dreh- und Angelpunkte der Ausstattungsliste. Es gibt ein eher rustikales Offroad-Paket (1071 Euro), ein unnötiges Chrompaket (476 Euro), ein nützliches Offroad-Technikpaket mit Bergabfahr-Tempomat und Geländefahrprogramm (702 Euro), ein eher verzichtbares Sportpaket Interieur (1012 Euro) und ein Sportpaket Exterieur mit vielen Blankteilen, strafferem Fahrwerk und breiteren Rädern (1845 Euro).

Auf der hohen Kante

Seltsam: Serienmäßig sind 17-Zöller, aufpreispflichtig sind 19- und 20-Zöller, überhaupt nicht im Angebot sind 18-Zöller. Das GLK-Angebot beschränkt sich zur Markteinführung im Oktober auf drei ziemlich teure Sechszylinder. Der GLK280 mit 170 kW (231 PS) kostet 43554 Euro, die 320er-Version mit 200kW (272 PS) steht ebenso wie der 165kW (224 PS) starke GLK320 CDI mit 46053 Euro in der Liste. Wir würden lieber warten. Zum Beispiel auf den ab Mai lieferbaren GLK220 CDI mit 125 kW (170 PS), der mit 40341 Euro leider auch kein Sonderangebot ist. Noch keine Preise gibt es für den GLK250 CDI mit dem 150 kW (204 PS) starken Vierzylinder-Diesel und für den 2,0-Liter-Vierzylinder-Benzindirekteinspritzer, der erst für 2010 erwartet wird (125kW/170PS).

Automatik und Allradantrieb

Was den GLK so teuer macht, das sind Automatik und Allradantrieb, die vorerst grundsätzlich zum serienmäßigen Lieferumfang gehören. Mit Schaltgetriebe und Heckantrieb wäre der Wagen mehr als 4000 Euro billiger, aber diese Option dürfte noch mindestens 18 Monate auf sich warten lassen. Teuer sind auch Extras wie das intelligente Lichtsystem (1458 Euro) mit Bi-Xenonscheinwerfern, Comand (ab 3046 Euro), Ledersitze (2380 Euro) und Schiebedach (1666 Euro). Dass eine sicherheitsbewusste Marke wie Mercedes für das Presafe-Paket mit Gurtstraffern und Fensterheber-Schließfunktion 393 Euro extra verlangt, ist schwer nachvollziehbar.

Dafür sind die ersten Fahreindrücke weitgehend positiv. Mit den Sechszylindern ist man spritzig unterwegs (GLK350 0-100 km/h in 6,7s, Spitze 230 km/h; GLK320 CDI 0-100 km/h in 7,5s, Spitze 220 km/h). Der Benziner ist drehfreudiger, etwas leiser und spontaner im Antritt. Der Diesel holt dafür schon bei 1600/min die Drehmomentkeule heraus, hängt gut am Gas und geht ausgesprochen entspannt zu Werke. Mit 7,9 zu 10,6 Liter fällt der CDI- Verbrauchsvorteil etwas höher aus als erwartet. Obwohl der GLK im Gelände sogar mit der M-Klasse mithalten kann, wirkt er auf befestigter Straße noch eine Spur handlicher. Das liegt an der ausgewogenen Lenkung, an den kräftigen Bremsen und am in sich ruhenden Fahrwerk, das einfach nur stoisch den Kurs hält.

Kein emotionaler Überflieger

Grip und Traktion sind ohnehin kein Thema, und trotz mindestens 1845 Kilo Leergewicht ist der kurze GL für ein Fahrzeug dieser Art wendig und lebhaft. Der kleine Diesel braucht einen Liter weniger als der V6, aber er geht auch nicht ganz so gut und er leistet sich in Sachen Lenkung und Komfort kleine Schwächen. Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Liebe auf den zweiten Blick bedingt einen tiefen Griff ins Portemonnaie, denn als nacktes Grundmodell ist der GLK gewiss kein emotionaler Überflieger. Liebe auf den dritten Blick verspricht vor allem der Vierzylinder-Diesel, der nur 0,1Liter mehr verbraucht als ein C220 CDI Kombi Automatik.

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