Mercedes Autobahn-Autopilot:Ausblick aufs autonome Fahren

Im April kommt die überarbeitete Mercedes E-Klasse auf den Markt. Ihr optionales Paket an Assistenzsystemen ist riesig und gibt einen Ausblick auf die kommende S-Klasse. Der Autobahn-Autopilot ist allerdings noch nicht erhältlich. Wir sind ihn trotzdem schon gefahren.

Von Stefan Grundhoff, Barcelona

Die Limousine mit dem Kennzeichen BB - BV 832 sieht aus wie eine ganz normale E-Klasse der aktuellen Generation. Doch sie beherrscht etwas, wozu selbst die Nachfolgegeneration nicht imstande ist: Sie kann auf der Autobahn autonom, das heißt ohne Zutun des Piloten, fahren. Zum Selbstversuch geht es auf die C-25, eine spanische Schnellstraße Richtung Barcelona und Lleida, viel befahren, autobahnähnlich ausgebaut und mit einem Tempolimit von 120 km/h ausgestattet.

Mercedes, Mercedes E-Klasse, Autonomes Fahren

Das Mercedes-Versuchsfahrzeug ist ein Modell der aktuellen E-Klasse, kann aber mehr als sein Nachfolger.

(Foto: STG)

Beschleunigen, blinken, auffahren, und einscheren - noch ist alles wie sonst. Der Fahrer erledigt das Tagesgeschäft. Doch wenn nun der Tempomat bedient wird, übernimmt der Autopilot das Ruder. Zunächst noch etwas ungewohnt, wird nicht nur wie bei der neuen Mercedes E-Klasse der Abstand zum Vordermann gehalten und auf die Umgebung geachtet, damit der Wagen sicher in der Spur bleibt.

Die E-Klasse greift auch selbsttätig ein, wenn es sonst Warnhinweise gibt, dass ein schnelleres Auto von hinten das Ausscheren gefährden könnte oder die Begrenzungslinien auf der Autobahn überfahren werden. Lenkeingriffe sorgen dafür, dass der Fahrer die Hände hinter dem Kopf verschränken kann. Lesen? Natürlich. Mails schreiben oder ein Buch lesen? Kein Problem. Der Wagen macht alles selbst.

In einem fortgeschrittenen Automatikmodus überholt die dunkle E-Klasse sogar alleine. Sie setzt den Blinker, beschleunigt und fährt an dem grauen Schwerlaster vorbei, um nach der Passage wieder sicher rechts einzuscheren. Selbst wenn der Fahrer den Autobahnpiloten nicht aktiviert hat, kann er individuelle Spurwechsel nach links und rechts per Knopfdruck anfordern. Der Fahrer überwacht währenddessen das System.

Serienreife in fünf bis acht Jahren

Mercedes, Mercedes E-Klasse, Autonomes Fahren

Hände weg: Autor Stefan Grundhoff fährt, ohne zu lenken.

(Foto: STG)

Alles fährt sich so, als ob das System mit der Modellpflege der E-Klasse bereits kommen könnte. Doch Ralf Hertwig, bei Daimler verantwortlich für das Thema Fahrerassistenz, sagt: "So weit sind wir noch nicht. In fünf bis acht Jahren vielleicht. Wir müssen weiter entwickeln und natürlich gibt es auch noch juristische Hürden." Zumindest in Deutschland. Denn einige Staaten der USA haben das autonome Fahren erst jüngst erlaubt.

Die Sicherheitssysteme an Bord des Prototypen sind mit denen der aufgefrischten Mercedes E-Klasse und der im Sommer folgenden S-Klasse weitgehend identisch. Eine nach vorn gerichtete Doppelkamera erkennt Fahrspuren und den vorausfahrenden Verkehr. Diese Information wird verglichen mit den Daten des bekannten Abstandsradars, der an Bord ist. Zur Seite überwachen die Radare des Totwinkel-Assistenten. "Wir haben zwei zusätzliche Radarsensoren, die den Wagen nach hinten absichern", ergänzt Hertwig.

Doppelkamera macht Probleme

Auf der C-25 machen die beiden Rücksensoren einen guten Job und halten den Wagen bei nachfolgendem Überholverkehr in der Spur. Derzeit funktioniert der Autobahnpilot nur auf Schnellstraßen und Autobahnen mit baulicher Trennung in einem Bereich zwischen 60 und 130 km/h.

Mehr Probleme hat die Doppelkamera, die hinter dem Innenspiegel arbeitet und Bilder an die Bordelektronik weitergibt. Als die tiefe Sonne auch den Fahrer blendet, verweigert der Autobahnpilot ohne Vorwarnung den Dienst und steuert sanft nach links Richtung Leitplanke. Der Fahrer muss eingreifen.

Die Konkurrenz schläft nicht

"Wir sind von einem serientauglichen Stand natürlich noch weit entfernt", erklärt Herrtwig. Ein paar tausend Kilometer hat der Autobahnpilot schon abgespult. Damit liegt Daimler auf Augenhöhe mit der direkten Konkurrenz von Audi, BMW, Volkswagen, Toyota oder Volvo und Firmen wie Google, die sich längst auch mit dem autonomen Fahren beschäftigen.

Es bleibt abzuwarten, wann die ersten Hersteller einen Autobahnpiloten wirklich in Serie bringen. Bei der nächsten Modellgeneration in der Luxusklasse könnte das durchaus Realität werden. Doch die Fahrt auf der Autobahn bleibt nicht die einzige Vision. Ralf Hertwig: "Beim autonomen Fahren werden zunächst das ganz langsame Fahren beim Parken und im Stau sowie die leicht kalkulierbaren Verkehre wie auf der Autobahn kommen. In der Innenstadt oder auf der Landstraße ist das alles viel schwieriger."

Die Reise zur Präsentation der Mercedes E-Klasse wurde teilweise unterstützt vom Hersteller.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: