Mein erster Golf:Gib dir die Kante!

VW Golf I GTI von 1976

Der kantige VW Golf I (hier der GTI) gab einer ganzen Generation einen Namen.

(Foto: Volkswagen AG)

Vor 40 Jahren kam der erste Golf auf den Markt, ein Auto, das eine ganze Generation prägen sollte. Und mit dem GTI konnte man bald darauf die Limousinen der Väter das Fürchten lehren. Eine sehr persönliche Erinnerung.

Von Jochen Wagner

Dusel gehabt: Um ein Haar hätten wir den Golf am Pausentor vom Gymnasium kaltverformt. Dabei hatten wir auf einer großen Asphaltfläche hinterm Trafowerk, einem nicht mehr ganz legalen, noch nicht wirklich illegalen Schleichweg in die Schule, geübt, das Ding in der Kurve auf zwei Räder zu kriegen. Der Haken dabei: Der Golf gehörte gar nicht uns, meinen vier besten Spezln und mir, sondern einem Kfz-Mechaniker mit Spitznamen Bembers. Bembers war nicht nur ein guter Schrauber in der VW-Werkstatt am Eck zu Hause, wo ich mir schon mit 13 mit Autowaschen meine erste E-Gitarre zusammensparte. Bembers war auch ein schneller Golf-Treiber - mit 170 Sachen durch die damals, selig, noch unlimitierten Autobahn-Altmühltalkurven.

Von den ersten Gehältern einen gebrauchten GTI

Als Filius eines VW-Händlers hat er natürlich 1974 gleich zugeschlagen, als der Golf I auf den Markt kam. Mehr noch: Sein gelber GLS mit 70 PS aus 1500 Kubik wurde gleich frisiert, also getunt: Kopf runter, Kanäle aufgemacht und poliert, Quetschkante optimiert, Verdichtung erhöht, Luftfilter raus, Vergaserdüsen angepasst, Auspuff modifiziert und - irre breit erscheinende - 185er-Reifen nebst einem Spoiler vorne montiert. So hatte das 750 Kilo leichte Geschoss mit der kantigen Giugiaro-Karosse zirka 90 PS. Ab und zu konnte ich mir einen Golf wie den vom Bembers leihen. Klar, wir waren übermütig, Angeberle halt, und so ein Golf war damals eine heiße Kiste. Heiß waren wir auch: Dank vorauseilender Fahrpraxis war 1975 der Führerschein in den Klassen eins und drei in wenigen Stunden (heute undenkbar) geschafft, auch wenn sich der Prüfer über unsere frühe Routine etwas gewundert hat.

Also: Zu fünft im Bembers-Golf wollten wir den Mädels in der Schule imponieren. Doch die Grazien ignorierten unsere riskante Schräglage einfach. Unsere akrobatische Nummer war ein Desaster. Immerhin: Dem Bembers sein Golf blieb heil. Seither sitzt das Virus: Einmal Golf, (nach einem uralten 100er-Audi als Erstauto) immer Golf? Von den ersten Gehältern nach dem Examen kaufte ich mir einen gebrauchten GTI, tiefrotes Girokonto als Extra inklusive. Freilich keinen Golf, sondern einen roten Scirocco. Endlich! Das war dann schon 1984.

Das Kurzstreckenvehikel der Vorbesitzerin aus dem Bekanntenkreis war bei 155 000 Kilometer, davon 60 000 eigene, leider am Ende. Aber die Vorsehung spielte mir für 600 D-Mark einen gebrauchten GTI-Motor in die Hände. Mit einem Kasten Bier gestützt war das Aggregat mithilfe der alten Spezl binnen eines Tages drin. Wieder schnurrten die Kilometer nur so runter, auch weil die Freundin nicht am gleichen Ort wohnte. Nach weiteren 50 000 km brach dann der Boden unterm Sitz durch. Da gab's nur eins: verschrotten. Den Schmerz linderte ich mit einem gebrauchten Golf II GTI, der 105 000 km drauf hatte, aber von einem Pedanten gepflegt wie neu aussah. Das war 1988.

Er lief und lief und lief

Dies Atlasgraumetallic-Gefährt (Doppelscheinwerfer, rote Zierstreifen an Kühler und Seiten) wurde auf weiteren 260 000 Kilometern zum treuen Gefährten. Er lief und lief und lief, nippte gerade mal ein Schnapsglas Synthetiköl auf 1000 km in sich hinein: dezent warmfahren und dann drehen. Nach der Hochzeit (von der auch die Autobauer sprechen, wenn der Motor in die Karosserie gelupft wird) war nun guter Rat teuer. Sollte ich den GTI der Holden geben? Es musste ein zweiter Golf her. Was tun?

In stetem Kontakt mit der VW-Werkstatt der Kindheit, war ich verschiedentlich den Golf III VR6 gefahren. Als Neufahrzeug unerschwinglich, bescherte mir der Zufall einen vollausgestatteten Viertürer, der mit Leder innen sehr kinderfreundlich, das heißt leicht zu reinigen war. Wieder schon 105 000 km drauf, kam ich im VR6 so richtig auf den Geschmack. Du liebe Güte, das Sechszylinder-Viech ging vielleicht ab.

Der Dreier als Suchtbolzen

Er war zwar schwerer und mit Servo und Airbag schon ein bisschen wie betreutes Fahren. Aber mit 173 PS samt sattem Sound aus dezent gequetschten Doppelrohren wurde der Dreier zum Suchtbolzen. Und "das Gölfchen", der Zweier GTI, war ja auch noch da, bis er bei 365 000 km dem Rost erlag, ja der Motor überlebte das Blech triumphalisch. Die Logik ist nun bekannt. Abschied nehmen geht nicht ohne Willkommen zu feiern. Wir fantasierten: einen VR6 Motor in einen Zweier GTI pflanzen? Ist viel Arbeit, meinten die Spezln, die eben einen Zweier GTI auf 160 PS gebracht hatten: "Der 16-Vau geht wie'd Sau." Zugleich wurde im Bayerisch-Schwäbischen tatsächlich so ein Umbau inseriert. Sollte ich den kaufen?

Ein Zufall ließ Traum und Tat anders zusammen finden. Sehr flott überholt von einem Golf IV samt einer "4" hinten drauf, ergab die prompte Recherche, dass auch das ein Sechszylinder war, aber mit Allradantrieb. Der frisst zwar ein paar PS, aber bei 204 Pferden samt Sechsganggetriebe sollte das verkraftbar sein. Schnell war im heimischen Mittelfranken ein komplett ausgestatteter Viertürer mit Leder innen aufgetan: Fünf Jahre alt, ein Drittel vom saftigen Neupreis, 105 000 Kilometer drauf. Von einer Mittsechzigerin schonend bewegt, freute sich der Golf IV V6 4Motion, erstmals so richtig frei gefahren zu werden. Das war Ende 2005.

Später geriet ein Golf R32 ins Visier

Ein Klasseauto auf nun weiteren 135 000 Kilometern, bis heute, besonders im Schnee. Aber wehe, wenn er abhaut, ohne wie der Frontantriebler zur Warnung über die Vorderräder zu schieben! Den VR6 habe ich im Winter 2012/2013 verkauft, 275 000 km auf der Uhr, an einen Fan, der herzerweichend genervt hat. Ins Visier geraten ist dafür ein Golf V R32. Gebraucht, klar. Gesetzt, ich erwische einen Günstigen, dann kommen die Typenaufkleber mit dem Föhn auch gleich wieder runter und der Auspuff, dieses mittige Doppelrohr, das gehört besser seitlich angebracht. Ich hab' da auch was von Chiptuning gehört, ganz legal, ein bissle mehr Kraft "like a Rolling Stone".

In den letzten Jahren haben allerdings die Nutzfahrten stark abgenommen. Von den 30 000, 40 000 Kilometern früher, sind dank überwiegend öffentlichem Verkehr grade noch sieben, acht Tausender im Jahr übrig geblieben. Die jedoch mit Genuss. Also mal sehen, was kommt. Beim Sechser- und Siebener-Golf stimmen aber irgendwie die Proportionen für mich nicht, vor allem sind mir die Lichter zu eckig. Dabei fand ich den Erstentwurf vom Sechser-Golf einfach rundum gelungen.

Gewiss, die Technik entwickelt sich weiter. Auch nachhaltig. Oder doch nicht wirklich? Faktisch brauchen die neuen Gölfe auf 100 Kilometer gerade so viel Sprit wie die ersten GTIs, aber dafür haben sie heute mehr als doppelt so viele PS. Ja, der Urgolf war eine bessere Seifenkiste. Jetzt sind's bereifte PC. Wer will so was? Lieber das ursprüngliche Golf-Feeling, am liebsten im Sechszylinder, gern tiefer gelegt und straffer, einem Porsche-Fahrer in kurviger Landschaft feuchte Augen zu bescheren, das hat schon was, auch nach 40 Jahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: