McLaren:Legendäres Formel-1-Team will Porsche Konkurrenz machen

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Ein Mitarbeiter testet einen McLaren-Sportwagen in der Fabrik des Herstellers im englischen Woking: Das Unternehmen wächst rasant.

(Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

McLaren produziert Flitzer für reiche Auto-Enthusiasten. Jetzt will der Chef die Produktion verdoppeln. Der Markt für Sportwagen ist lukrativ.

Reportage von Björn Finke, Woking

Weiße Wände, weißer Fliesenboden. Auf den Fliesen spiegeln sich die Lampen, die an der - natürlich weißen - Decke hängen. Für eine Autofabrik ist es geradezu unheimlich ruhig. Kein Geklapper, kein Wummern der Pressen, kein Zischen der Schweißroboter. Denn hier, im Werk des Sportwagen-Produzenten McLaren, gibt es keine Pressen oder Roboter. Stattdessen schrauben Mitarbeiter in schwarzer Einheitskluft konzentriert an den Karosserien herum. Die Skelette aus Aluminium und Kohlefaser werden auf Gestellen von Station zu Station geschoben: Auf ein Förderband verzichtet der englische Edel-Autobauer gleichfalls.

Doch auf einmal durchbricht Grollen und Bollern die andächtige Stille - ein Arbeiter sitzt in einem der fertigen PS-Monster und fährt es quälend langsam an den Rand der Halle, wo die Flitzer auf ihre Qualitätstests warten.

Im Foyer stehen die Boliden von Niki Lauda und Lewis Hamilton - es geht um den Mythos

Der Wagen ist einer von 3000, die in diesem Jahr die Fabrik in Woking, westlich von London, verlassen sollen. Das Unternehmen wurde 2009 gegründet, es ging aus dem legendären Formel-1-Rennstall hervor, gehört aber heute Investoren - zur Hälfte einem bahrainischen Staatsfonds. Und die Firma ist profitabel, trotz der winzigen Verkaufszahlen. Zum Vergleich: Porsche fertigt um die 200 000 Autos im Jahr, und selbst der teurere Rivale Ferrari aus Italien peilt für 2019 eine Produktion von 9000 Flitzern an.

Für McLaren hingegen stellen schon die 3000 Fahrzeuge eine gigantische Steigerung zu 2015 dar. Da rollten bloß 1654 der schnellen Spritschlucker aus dem einzigen Werk des Unternehmens. Doch Vorstandschef Mike Flewitt verordnet dem Luxusanbieter kräftiges Wachstum - zur Freude der Anteilseigner. "Bisher waren wir so gerade profitabel, aber mit einer Produktion von 3000 Autos werden wir eine ordentliche Rendite erwirtschaften", sagt der 53 Jahre alte Brite. Im vergangenen Jahr sei ein kleiner einstelliger Millionenbetrag als Gewinn hängengeblieben.

Im Foyer stehen die Boliden von Niki Lauda und Lewis Hamilton

Die Firmenzentrale mit Flewitts Büro ist in einem Gebäude neben der Fabrik untergebracht. Die Wände sind aus Glas, der Blick geht auf einen künstlichen See. In der Eingangshalle stehen Rennwagen des Formel-1-Teams in einer langen Reihe. Erst Modelle aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, dahinter die McLaren-Boliden aus den Achtzigerjahren, mit denen Niki Lauda, Alain Prost und Ayrton Senna Weltmeister wurden. Am Ende dann die Silberpfeile, etwa einer von Lewis Hamilton. Hinter einer Glaswand parkt ein Formel-1-Wagen aus der Vorsaison - hier trainieren die Mechaniker des Teams den schnellen Reifenwechsel.

Zwar gehört der Autohersteller McLaren Automotive nicht mehr zum Rennstall, doch die Firma teilt sich mit dem Team die Zentrale. Deswegen wird ein langer Gang hinter dem Foyer von Vitrinen eingerahmt, in denen McLaren seine eindrucksvolle Pokal-Sammlung präsentiert. Einige Siegestrophäen stehen nun aber auf einem Tisch und werden von zwei Mitarbeitern hingebungsvoll poliert.

Kein Zweifel: Der Sportwagenfabrikant setzt ganz auf den Mythos, den das erfolgsverwöhnte Formel-1-Team umgibt. Bereits 1988 hatte das Management des Rennstalls die Idee, dass McLaren auch Autos für die Straße entwickeln könnte, exklusive PS-Monster. 1992 fertigte das Team dann einen Straßenwagen, den F1, von dem in den darauffolgenden Jahren insgesamt 106 Exemplare gebaut wurden. Doch erst 2009 wurde McLaren Automotive als eigenständiger Hersteller teurer Sportflitzer gegründet.

Wer sich einen Hauch des Formel-1-Mythos in die eigene Garage holen will, muss einiges zahlen. Mindestens 231 500 Euro sind für die Modellreihe 650 fällig. Daneben bauten die Engländer den P1, einen Super-Sportwagen mit 916 PS, der eine gute Million Euro kostete. Seine Produktion war auf 375 Stück begrenzt - und der letzte Wagen wurde im November montiert. Doch dafür führte Firmenchef Flewitt im vergangenen Jahr eine neue, etwas günstigere Modellreihe mit dem Namen "Sports Series" ein. Diese Flitzer erreichen immer noch eine Geschwindigkeit von 320 Kilometern pro Stunde, sind aber schon ab 160 000 Euro zu haben und damit ein Drittel billiger als die 650er-Modelle.

Der Markt für teure Sportwagen ist groß

Die erschwinglicheren Autos sollen nun das erhoffte Wachstum bringen. Von den 3000 Fahrzeugen, die McLaren in diesem Jahr fertigen will, sollen 2000 zu dieser Einsteigerkategorie gehören. Die Fabrik muss ihre Produktion jetzt nahezu verdoppeln. Daher wird von März an in zwei Schichten gearbeitet. Außerdem soll die Zahl der Beschäftigten im Unternehmen um 250 auf 1750 steigen.

Die Sports Series kostet ähnlich viel wie die teureren Varianten der Porsche-Modelle 911 und Panamera: neue Konkurrenz für die Volkswagen-Tochter. McLaren-Chef Flewitt sagt, es gebe sicherlich Porsche-Fahrer, die sich als nächstes Auto eines der günstigeren Modelle seiner Firma kaufen. "Aber ich kenne viele Leute, die sowohl einen Porsche als auch einen McLaren besitzen", ergänzt der frühere Ford-Manager, der passenderweise gerne schnelle Autos fährt. Der Markt für teure Sportwagen sei groß genug.

Eine noch billigere Modellreihe zu starten, schließt Flewitt aus. Die Karosserien aus dem so leichten wie stabilen Kohlefaser-Material seien teuer, gleiches gelte für den Antrieb. "Darum würden wir bei einem günstigeren Preis kein Geld mehr verdienen", sagt er. Ebenso schließt er aus, dass McLaren einmal schnelle SUVs anbietet, diese beliebten Pseudo-Geländewagen. Porsche etwa ist hier mit dem Modell Cayenne äußerst erfolgreich. Seine Frau fahre einen Geländewagen - "der ist praktisch, ich mag ihn" -, doch für McLaren sei das nichts, sagt er.

Bei der Produktion sieht der Firmenchef gleichfalls Grenzen: "Mehr als 5000 pro Jahr werden wir nicht fertigen." Und einen Nachfolger für das limitierte Millionenmodell P1 werde es auch nicht so bald geben, sagt er. McLaren müsse auf echte Durchbrüche bei der Technik warten, damit das Auto dem Vorgänger wirklich überlegen sei.

Die meisten Kunden kommen aus den Vereinigten Staaten - vor China, Großbritannien und Deutschland. Wer allerdings schnell und dabei umweltfreundlich unterwegs sein will, wird weiterhin zum Tesla greifen müssen, den Elektroflitzer aus Kalifornien. Denn McLaren plant bislang nicht, Elektroautos herzustellen. Das Fahrerlebnis sei bei einem solchen Antrieb einfach nicht sehr aufregend, sagt Flewitt. "Und wir bauen Autos, mit denen man Spaß hat." Ein reichlich teurer Spaß.

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