Maserati 3200:Unsere Leidenschaft sind die Schotterstraßen

Wenn man auf ein Bierchen mal eben 200 Kilometer weit fährt, dann muss man schon in einem riesigen Land reisen

(SZ vom 28.10.2000) Wir alle lieben unsere Vorurteile - beispielsweise: Kanada ist ein großes und weites Land, voll von unendlich vielen Bäumen. Und weiter: Die Produzenten italienischer Exoten - sagen wir einmal Maserati - stellen nur fragile Pretiosen her, die bereits beim Anblick eines Fotos einer Schneeflocke den Dienst auf der Straße verweigern. Ästhetische Fabelwesen gewissermaßen, die die alltägliche Arbeit an der Front nur dann aufnehmen, wenn der Wetterfrosch Jörg Kachelmann eine stabile Hochdrucklage prophezeit - und wenn der Besitzer bereit ist, sich der Macchina mit einer wohlausgewogenen Mischung aus Demut und Stolz zu nähern.

Keine Frage: Das erste Vorurteil stimmt - Kanada zeichnet sich durch unendliche Weiten aus und die Bäume reichen tatsächlich von Horizont zu Horizont. Und dazwischen verteilen sich derart wenige Menschen, dass man schon nach einigen Stunden bereit ist, auch wildfremde Gesellen mit einem in diesen Landen standesgemäßen Hi anzugehen. So wächst rasch die Erkenntnis, dass man zwar in unseren Breitengraden oft die Einsamkeit sucht, während man zwischen Prince George, Dease Lake und Whitehorse rasch die menschliche Nähe zu schätzen lernt.

Wer hat Angst vor der Kälte?

Kommen wir zu dem zweiten Vorurteil: den angeblichen Schwächen aller Exoten in ungewohnten, kalten und rauen Gestaden. Maserati hat ja viele Jahre unter den fehlenden Finanzen für ein vernünftiges Entwicklungsprogramm gelitten - und damit letztlich den Grundstein für eine eher schlechte Reputation beim Thema Zuverlässigkeit gelegt. Letztlich war Maserati an der Ölkrise der frühen 70er Jahre gescheitert. Dieses Schicksal ereilte eine der legendärsten und ältesten noch existierenden Marken, die seit den 20er Jahren in aufwändiger Handarbeit Sport- und Rennwagen der obersten Kategorie - hinsichtlich Design, Technik und Kaufpreis - produzierte. Plötzlich waren niedrigere Verbrauchswerte, ein - und dies galt besonders für die USA, die den stärksten Markt darstellten - deutlich verbessertes Abgasverhalten und Crashversuche gefragt, an denen der Großteil der Kleinstmanufakturen in Italien und Großbritannien scheiterten. Es sollte Giovanni Agnelli vorbehalten bleiben, in diesen Jahren die Marke Ferrari mit seinem persönlichen Einsatz am Leben zu erhalten - Maserati hatte hingegen keinen reichen Gönner. Es kam, wie es kommen musste: Die Marke mit dem Dreizack im Emblem wanderte durch viele Hände, das Modellprogramm wurde eingeschrumpft, die einst legendäre Qualität litt und die USA, der wichtigste Markt für Exoten, blieb bis heute verschlossen.

Letztlich ist es Giovanni Agnelli zu verdanken, dass Maserati nun wieder damit beginnen kann, an seiner Legende zu feilen. Denn der Avvocado übernahm das angeschlagene Unternehmen und unterstellte es Luca de Montezemolo, jenem aristokratischen Herrscher über Ferrari, der das Cavallino Rampante nicht nur mit einem exzellenten Modellprogramm in den schwarzen Bereich gefahren hat, sondern nun auch noch mit dem Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft dem seit 21 Jahren darbenden italienischen Selbstbewusstsein das richtige Heilmittel verabreichte.

Von Montreal zum Eismeer

Natürlich weiß man bei Maserati, dass eine erfolgreiche Zukunft nur über den nordamerikanischen Markt gesichert werden kann - und so wundert es nicht weiter, dass man bereits erste Anstrengungen unternimmt, die USA und Kanada auf die Rückkehr von Maserati im Jahr 2001 vorzubereiten. Und um allen Gerüchten, diese Fahrzeuge wären kapriziöse Primadonnen, entgegenwirken zu können, machten sich im Sommer zwei 3200 GT Coupés auf den langen Weg quer durch Kanada von Montreal nach Innuik am nördlichen Eismeer.

Was bei einer ersten Betrachtung auf unserem vertrauten Weltatlas vergleichsweise klein aussieht, entpuppt sich in Realität hingegen als Durchquerung eines ganzen Kontinents - und am Ende der Reise hatte sich der Tachometerstand bei etwa 16 000 Kilometern eingependelt, wozu aber auch viele Umwege zu den schöneren Plätzen von Kanada ihren Teil beitrugen.

Wir hatten die Teiletappe von Prince George, einer 75 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt im Herzen von British Columbia nach White Horse, der Hauptstadt der Provinz Yukon, ausgesucht. Allerdings entpuppte sich der kleinere Trip quer durch die kanadischen Wälder in der Realität als eine knapp 3000 Kilometer lange Reise, deren Tagesetappen zwischen 400 und 600 Kilometer betrugen. Strecken, die - da beträchtliche Abschnitte des Alaska Highways noch nicht einmal geteert sind - Fahrer und Fahrzeug auf den Schotterstrecken doch einiges abverlangten.

Und je weiter wir nach Norden gelangten, umso interessierter zeigten sich die wenigen Bewohner dieses Landstrichs an Wesen und Gestalt des unbekannten Fahrzeugs, von dem sie bislang noch nie etwas gehört hatten: "Masiratti - interesting. Eight Cylinders? Like my Ford Truck! How many Horsepowers? 370? Oh Jesus - that's too much! And how fast? 280 km/h? You're kidding!"

Und nachdem sie sich mit einem Kopfschütteln von den verrückten Europäern mit ihren Masirattis - nicht ohne vorher zu versichern, dass der Wagen "great" und "unbelievable" sei - verabschiedet hatten, setzten sie wieder in ihre Trucks und verschwanden in den tiefen Wäldern.

Die Coupés erreichten das Polarmeer übrigens ohne jeden Defekt - kein Quietschen in der Karosserie, eine stets effektive Klimaanlage (im Juli wird es auch am Polarkreis ganz schön warm) und eine hervorragende Stereoanlage sorgte auch im tiefsten Niemandsland (je nach Tagesform) für Buddy Holly oder Wolfgang Amadeus Mozart. Nur die Karosserie schmutzte langsam ein - kein Wunder, dass man beschloss, einen der beiden Wagen nie mehr wieder zu waschen und ihn mit Original Yukon-Staub ins werkseigene Museum zu stellen. Bevor wir es vergessen: Es gab nämlich doch ein mechanisches Problem - bei einem der begleitenden Geländewagen amerikanischer Provenienz brach der Auspuffkrümmer. Die italienischen Mechaniker haben ihn auf offener Straße geschweißt.

Von Jürgen Lewandowski

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