Maserati Quattroporte:Scharfer Dreizack

Unter der Karosserie im eleganten Retro-Look steckt zeitgemäße Technik. Und die Devise heißt doch tatsächlich: hetzen statt gleiten.

Von Georg Kacher

Florenz. Mitten drin im grande casino - eine verwundbare Luxuskalesche, umschwirrt von Vespas, Puntos und Cinquecentos. Hinter den vier Türen genießen sportlich angehauchte Sehr-Gut-Verdiener traditionelles Verwöhnaroma mit duftenden Ledersitzen, leicht verspielter Elektronik und einem fahrerbezogenen Cockpit.

Maserati Quattroporte: Ziemlich elegant und sehr italienisch: die mittlerweile fünfte Generation des Quattroporte

Ziemlich elegant und sehr italienisch: die mittlerweile fünfte Generation des Quattroporte

(Foto: Foto: Maserati Deutschland)

Trotzdem runzelt der Steuermann schon auf den ersten Bodenwellen die Kapitänsstirn, denn das Wort Langsamfahrkomfort war offensichtlich im Lastenheft nicht enthalten. Auch die Bremsen, die vom Formel-1-Zulieferer Brembo stammen, zeigen uns im Stop-and-Go-Verkehr die kalte Schulter. Und das Getriebe mit dem schönen Namen DuoSelect benimmt sich im Automatikmodus so ungelenk, als hätte man ihm zwei doppelte Grappa ins Öl gekippt. Der neue Maserati Quattroporte - ein stumpfer Dreizack, nur noch ein Schatten seiner selbst?

Wenig Harmonie

Autobahn Florenz-Rom. Das sechsstufige Räderwerk ist endlich aufgewacht und reagiert auf Kick-down-Befehle betont enthusiastisch mit Zwischengas vor dem Zurückschalten. Doch unter dem Strich nervt die Möchtegern-Kraftübertragung, denn: Das Hochschalten ist eine linkische Mischung aus momentanem Nicken und Innehalten, die Reaktion auf Gaspedalbefehle erfolgt allzu oft mit aufreizender Gelassenheit, und das Zusammenspiel zwischen Motor und Getriebe erinnert an missverstandene Regieanweisungen.

Keine Frage: Auf der Suche nach der perfekten Automatik wird man nicht in Modena fündig, sondern in Stuttgart, München oder Ingolstadt. Der Maserati kommt fingerfertigen Dynamikern entgegen, die bereit sind, ohne Berührungsängste mit den Schaltwippen zu spielen. Das passt zwar nur bedingt zum Anspruch der konventionellen Luxuslimousine - doch wer den Quattroporte richtig deutet, der überlässt die Koordination von so lebenswichtigen Parametern wie Drehzahl, Drehmoment und Tempo nur ungern einem Computer.

Behände wie ein Kleiner

Landstraße Arezzo-Siena. Unser Hauptdarsteller ist 5,05 Meter lang, 1930 Kilogramm schwer und mit einem Wendekreis von 12,30 Metern gestraft. Trotzdem fährt sich die fünfte Generation (wenn man das 76er-Modell mitzählt, von dem nur zwölf gebaut wurden) so behände und agil wie ein Kompaktwagen. Das liegt vor allem an der heckbetonten Gewichtsverteilung von 47 zu 53 Prozent - Transaxle heißt dieses Prinzip der räumlichen Trennung von Motor und Getriebe.

Solch aufwändige Technik dient in erster Linie der Fahrdynamik: Die Straßenlage des Maserati hat die Charaktereigenschaften eines Zwei-Komponenten-Klebers, eingelenkt wird so exakt wie mit einem Kurvenlineal, die Richtungsstabilität weckt heimliche Assoziationen an das Phänomen unsichtbarer Spurführung.

Nur, wenn man die Stabilitätskontrolle ausschaltet, mutiert der Quattroporte zum hemdsärmeligen Quertreiber, der wie ein riesiges Blechpendel um die Ecken schlenzt und angesichts seiner Leibesfülle viel Platz braucht.

Pienza - hier macht im Frühjahr die Mille Miglia Station. Angelo, längst pensionierter Dorfschullehrer, hat einst schon Achille Varzi zugejubelt. Seitdem verehrt er il tridente, den Dreizack, und will alles wissen über Motor, Fahrwerk, Bremsen.

Wetterfühlig

Wir radebrechen uns durch die technischen Daten: Skyhook-Radaufhängung mit elektronischer Steuerung, 4,2-Liter-V8 mit 294 kW (400 PS), auf Wunsch Sportpaket mit 19-Zoll-Rädern und gelochten Bremsscheiben. Bei gutem Wetter beschleunigt der von Pininfarina eingekleidete Wagen in 5,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und ist 275 km/h schnell; an schlechten Tagen flackert die Traktionskontroll-Warnleuchte mit den Bi-Xenonscheinwerfern um die Wette.

Nur die Lenkung ist wetterunabhängig perfekt: Das Zahnstangen-Arrangement vermittelt ohne Kommentierung - selbst Zügel und Zaumzeug sind kaum unmittelbarer als dieser kreisrunde, lederummantelte Joystick.

SS146, Autostrada. Nach 278 Kilometern leuchtet die Benzin-Warnlampe und mahnt zur Umkehr. Fast 23 Liter hat der drehfreudige Vierventiler pro 100 Kilometer konsumiert; beinahe leergesogen ist der 90-Liter-Tank.

Echter Sportler

Der 99.100 Euro teure Quattroporte sieht zwar aus wie ein herkömmliches Stufenheck der Luxusklasse, doch das trügt: Hinter dem eleganten Retro-Look verbirgt sich eine kernige Fahrmaschine, die der Konkurrenz das Nachsehen lässt. Hetzen statt Gleiten ist die Devise des Maserati, der gefordert und bei Laune gehalten werden will. Dieses Auto hasst Tempolimits und das Umschalten des Kopfs auf Autopilot.

Die vermeintliche Zielgruppe mag verunsichert sein und das Getriebe geißeln, das knochentrockene Poltergeist-Fahrwerk kritisieren oder sich an der gewöhnungsbedürftigen Bedienung stören, die beim störrischen Rückwärtsgang anfängt und beim komplizierten Navigationssystem noch lange nicht aufhört.

Doch die wahre Zielgruppe wird den Spumante kalt stellen und sich freuen, dass sich jemand getraut hat, einen viersitzigen, viertürigen Sportwagen zu bauen - selbst wenn dieser Jemand nicht Wendelin Wiedeking, sondern Luca di Montezemolo heißt.

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