Marderschaden:Er will doch nur spielen

Marder im Auto

Marderschäden treten bei Autos vor der Paarungszeit im Frühjahr auf.

(Foto: imago stock&people)

Seit den Achtzigerjahren nehmen die Marderschäden bei Autos zu. Dabei schienen die Tiere zuvor fast ausgestorben. Was die Marder dort wollen - und wie man sie wieder los wird.

Von Felix Reek

Im Auto unterwegs und plötzlich geht die Bremse nicht mehr - Marderschaden. Für viele Autofahrer ist das ein Horrorszenario. Sie sehen überall angenagte Kraftstoffschläuche und Bremsleitungen. Die Statistik nährt diese Ängste: 16 000 Einsätze fahren die Pannenhelfer des ADAC pro Jahr wegen Schäden, die von den Tieren verursacht wurden. Noch dramatischer klingen die Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Er registrierte 2014 gar 207 000 Fälle mit Schäden von insgesamt 63 Millionen Euro. Wobei es sich dabei nur um Fälle handelt, die bei einer Versicherung gemeldet wurden. Die Dunkelziffer dürfte größer sein.

Fest steht: Seit den Achtzigerjahren steigt die Anzahl der Marderschäden an Autos. Und das, obwohl der Haus- beziehungsweise Steinmarder (Martes fiona), zu dessen übergeordneter Familie unter anderem auch Nerze und Dachse gehören, Ende der Fünfzigerjahre durch die Jagd auf sein Fell so gut wie ausgestorben schien. Im Zusammenhang mit Schäden an Autos konnten Marder erst Jahrzehnte später gebracht werden. 1978 häuften sich in Winterthur im Nordosten der Schweiz mysteriöse Fälle von Vandalismus im Motorraum von Fahrzeugen: durchtrennte Zündkabel, poröse Kühlschläuche und zerfetzte Dämmmaterialien. Der Polizist und Jagdaufseher Ruedi Muggler legte sich nächtelang auf die Lauer und entdeckte schließlich den Verursacher: einen Marder.

Seitdem breitet sich das Phänomen Richtung Norden aus. 1979 gab es die ersten Schäden in München, 1995 in Kiel. Die gute Nachricht: Die anfangs beschriebenen Bremsleitungen, die immer wieder in den Medien als Negativbeispiel herhalten müssen, interessieren Marder kaum - sie sind schlicht zu hart für die Tiere. In der Statistik des ADAC gibt es hierzu keine dokumentierten Fälle. Stattdessen machen sich Marder vor allem über Gummi- und Kunststoffteile her. Oft betroffen sind Zündkabel, Kühlwasserschläuche, Isoliermaterial und Stromleitungen. Gravierend sind hierbei vor allem die Folgeschäden, die erst spät erkannt werden.

"Angebissene Zündkabel können zu unrundem Motorlauf führen, der letztendlich den Katalysator schädigen kann", erklärt ein Sprecher des ADAC. "Mängel an Gummimanschetten lassen Schmutz und Wasser eindringen und führen zu einem Defekt von Antriebs- und Lenkungsteilen." Für Autofahrer kann das teuer werden. Viele Versicherer zahlen nur die direkten Schäden, die die Marder verursachen.

Spielplatz und Unterschlupf

Es gibt viele Gründe, warum die Tiere in Motorräume klettern. In urbanen Gebieten, in denen es wenig Schutz gibt, suchen sie Unterschlupf und verstecken Nahrung. Oder Jungtiere nutzen die Autos als Spielplatz. Das Beißen in die Schläuche und Kabel geschieht ohne böse Absicht. So wie wir unsere Hände zum Tasten benutzen, setzen Marder ihre Zähne ein - unbekannte Objekte prüfen sie durch Beißen. Aggressiv reagieren sie nur auf den Geruch von Rivalen, die ihr Revier markieren. Das ist besonders vor der Paarungszeit im Juli der Fall - im April und Mai treten deswegen besonders viele Marderschäden in Autos auf. Wittert ein Männchen im Motorraum eines Fahrzeugs den Geruch eines Rivalen, beißt es wild um sich, um diesen zu vertreiben - zu Lasten von Kabeln und Verkleidung, die sich ihm in den Weg stellt.

Von außen erkennen lässt sich dies nur durch wenige Hinweise. Zum Beispiel durch Spuren auf dem Auto. Entgegen der allgemeinen Annahme spazieren Katzen nur selten über Motorhauben. Der Unterschied ist leicht zu erkennen: Katzen haben an den Vorderpfoten vier Zehen, Marder fünf. Hinweise geben auch Kotspuren, Uringeruch, Tierhaare oder Abfall und Kadaver kleinerer Tiere, die als Vorrat hinterlassen wurden.

So bleiben die Marder draußen

Aber wie hält man die Marder effektiv von Autos fern? Mittel, um die Tiere zu vertreiben, werden viele angeboten im Handel. Doch nicht alle wirken. Duftstoffe, die Marder abschrecken sollen, haben nur eine kurzzeitige Wirkung. Der Regen wäscht sie ab und die Tiere gewöhnen sich schnell daran. Ultraschallgeräte, die Töne in ständig wechselnden Frequenzen senden, die der Mensch nicht hören kann, sind ebenso umstritten. Eine dauerhafte Wirkung lässt sich nicht nachweisen.

Sogenannte "Wellrohre" aus Hartkunststoff sind effektiver: Sie werden eingesetzt, um Startkabel zu ummanteln. Am effektivsten: metallische Kontaktplatten an den Einstiegsstellen. Wie bei einem Weidezaun versetzen sie dem Marder einen leichten, für ihn ungefährlichen Stromschlag, wenn er eine Oberfläche aus Metall berührt. Das Problem dabei: Die Motoren moderner Autos sind immer öfter mit Kunststoff isoliert. Abhilfe schaffen Metallbügel, die sowohl Plus- als auch Minuspol in sich tragen.

Ganz abschotten lässt sich ein Motorraum übrigens nicht. "Bewegliche Elemente wie Fahrwerk und Lenkung erfordern Spielraum, die Wärmeabfuhr findet ebenfalls über Öffnungen statt", erklärt der ADAC-Sprecher. Allerdings bieten einige Autohersteller an, den Motorraum mit anderen Lösungen zu blockieren. So werden Zugänge etwa mit Gittern oder Borsten verschlossen.

Wildbiologin Beate Ludwig, die zum Thema 15 Jahre lang am Arbeitskreis Wildbiologie der Universität Gießen geforscht hat, kennt den einfachsten Weg, um Marderschäden zu vermeiden. Idealerweise findet sich ein Stück Maschendraht, das uneben den Boden unter dem Motorraum bedeckt. Ein derartiger Gegenstand lenkt den Marder ab und hält ihn fern, denn so muss der Marder auch noch darüber steigen, um ins Innere zu gelangen. Den meisten Tieren ist das zu unheimlich. Und sie suchen sich lieber einen anderen Unterschlupf.

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