Mangel an Lkw-Stellplätzen:Gefährlicher Engpass an der Raststätte

Lastwagen auf einem Autobahn-Parkplatz

In Reih' und Glied: Der Bedarf an Lkw-Parkplätzen entlang der Autobahn ist größer als das Angebot.

(Foto: dpa)
  • Seit Jahren fehlen ausreichend Lkw-Stellplätze an Autobahnen.
  • Zwar wurden in den vergangenen Jahren mehrere tausend Parkplätze neue gebaut, doch der Bedarf steigt schneller als das Angebot.
  • Bayern versucht nun, mit einem Echtzeit-Parkleitsystem gegenzusteuern. Andere Bundesländer wollen nachziehen.

Von Joachim Becker

Wenn es Nacht wird auf deutschen Transit-Autobahnen, sinkt die Hoffnung für müde Brummi-Fahrer. Alle viereinhalb Stunden müssen sie mindestens 45 Minuten Pause machen. Nach neun Stunden am Steuer - der Fahrtenschreiber protokolliert das genau - ist Schluss mit dem Arbeitstag. Am Ende ihrer Lenkzeit müssen Fernfahrer einen Parkplatz finden, so oder so.

Doch die Rastplätze sind rammelvoll. Gerade in der Ferienzeit herrscht ein wildes Durcheinander von Sattelzügen, Wohnmobilen und Caravan-Gespannen. Wie am Strand oder Swimmingpool kämpft jeder um den besten Liegeplatz. Doch das hier ist kein Freizeitspaß: Dutzende Lastzüge parken in der zweiten Reihe. Sie sind so eng aneinandergereiht, dass die Freizeitmobile kaum noch durch die schmalen Gassen passen.

Gefährliche Prellböcke

Die Engpässe treten insbesondere montags bis donnerstags auf. Selbst um 22 Uhr kehrt dann noch keine Ruhe auf den Rastplätzen ein. Immer neue Sattelzüge rollen heran. Denn die Strafen für Überschreitungen der Lenkzeit zahlen die Fernfahrer meist aus eigener Tasche. Spätestens beim zweiten überfüllten Parkplatz geben die meisten entnervt auf. Sie stellen ihren Laster irgendwo hin, zur Not parken sie auch wild - auf Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen oder auf den Standspuren.

Das ist zwar verboten. Aber die Strafe für Falschparker ist immer noch geringer, als in Lenkzeit-Kontrollen erwischt zu werden. Längst stehen die Lastwagen bis zur Einfahrt. Eine massive Mauer aus 40-Tonnern ragt wie ein Prellbock in die Autobahn: als tödliche Gefahr für müde Autofahrer, die das Hindernis zu spät sehen.

Zum Glück sank die Zahl der tödlich Verletzten in Verbindung mit Lkw-Unfällen in den vergangenen zwanzig Jahren um 57 Prozent. Doch die überfüllten Rastplätze entwickeln sich zu neuen Unfall-Schwerpunkten. Die Bilder von Personenwagen oder Sattelzügen, die kaum gebremst in das Stauende rasen, ähneln sich: Verkeilte Fahrerkabinen, umgestürzte Anhänger, aber auch eingeklemmte und völlig deformierte Autos.

Der Bedarf steigt schneller als das Angebot

Parkplatzservice für Brummifahrer / Parking bay service for truck drivers

Rastplatz rammelvoll: Deutschlands Autobahnparkplätze werden der ständig weiter wachsenden Lasterflut nicht mehr Herr. Das Unfallrisiko wächst.

(Foto: Siemens)

Wenn die kleineren Fahrzeuge zwischen die großen geraten, ist deren Insassen kaum noch zu helfen. Oft ist die Wucht des Aufpralls so groß, dass selbst der (seitliche) Unterfahrschutz der Trailer die Tragödie nicht stoppen kann. Weil Personenwagen auf Höhe der Fahrgastzelle keinerlei Knautschzone mehr haben, rutschen sie leicht unter den Ladeboden. Der obere Teil der Fahrgastzelle wird dabei eingedrückt oder einfach abrasiert.

Die Politik versucht gegenzusteuern: Eine Untersuchung im März 2008 ergab, dass schon damals rund 14 200 Lkw-Parkstände fehlten, bis Ende 2015 sollte der Bedarf um weitere 7000 Stellplätze wachsen. Seit mehr als sieben Jahren buddeln die Behörden mit der steigenden Lkw-Flut um die Wette. Allein bis Ende 2012 wurden 10 000 neue Brummi-Parkbuchten an den Bundesautobahnen fertig.

Doch der Bedarf stieg schneller als prognostiziert. In den vergangenen 20 Jahren hat die Transportleistung in Deutschland um 80 Prozent zugenommen. Mehr als 70 Prozent aller Güter werden auf der Straße befördert - und der Wachstumstrend zeigt ungebrochen nach oben. Im April 2013 ließt das Bundesverkehrsministerium erneut alle Lastwagenparkplätze entlang der Autobahnen zählen - und alle Lastzüge, die dort nachts parkten. Das Ergebnis war ernüchternd: 71 350 Laster wurden abgestellt. Aber nur 60 410 Parkplätze standen zur Verfügung.

Baggern allein genügt nicht

Schon heute lässt sich auf Grundlage der prognostizierten Entwicklung des Güterfernverkehrs für die Jahre von 2015 bis 2025 ein zusätzlicher Parkbedarf von 8000 Lkw-Parkständen entlang der Autobahnen absehen. Dabei ist die aktuelle Parkplatznot noch nicht einmal abgearbeitet - obwohl im vergangenen Jahr rund 2000 Lkw-Parkplätze in Betrieb genommen wurden und bis Ende dieses Jahres weitere 1800 folgen werden. Experten schätzen, dass an deutschen Autobahnen noch immer mehr als 10 000 reguläre Parkmöglichkeiten für Brummis fehlen.

Doch Baggern allein genügt nicht. Allein für Bayern geht die aktuelle Güterverkehrsprognose bis 2025 von einem Wachstum um rund 50 Prozent aus. Ohne intelligentes Parkleitsystem werden die Behörden dem Bedarf auf absehbare Zeit hinterherhecheln.

Sechs Millionen Euro für ein intelligentes Parkleitsystem

Der Neubau von Stellplätzen kostet Zeit und Geld. Allein von 2008 bis 2012 flossen mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Ausbau der Rastanlagen. Für vergleichsweise schlanke sechs Millionen Euro haben Siemens und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) jetzt ein europaweit einmaliges Pilotprojekt gestartet: 21 Parkplätze sowie Tank- und Rastanlagen an der A9 zwischen Nürnberg und München werden mit einem intelligenten Lkw-Parkleitsystem ausgestattet.

Um die genaue Auslastung ermitteln zu können, lassen sich ein- und ausfahrende Personenwagen und Laster getrennt erfassen: Laser messen die Höhe und Breite jedes Fahrzeugs, während das Bodenradar Länge und Fahrtrichtung detektiert. "Unsere Messfühler kommen bei 4000 Ein- und Ausfahrten nur auf eine Abweichung von zwei bis drei Lkw in zwei Wochen. Diese hoch genauen Daten werden über das Server-System der Bundesanstalt für Straßenwesen in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Sie können zum Beispiel über die BayernInfo abgerufen werden. Auf großen Rastanlagen gibt es dafür auch Touch-Displays", erklärt Siemens-Projektleiter Frank Pelzer.

Bayern schafft Tatsachen

Doch der Schwerverkehr staut sich nachts nicht nur an der A9, sondern auch an der A2 und an den Transitautobahnen A6, A7 und A8. Brennpunkte sind die knapp 500 bewirtschafteten Rastanlagen mit Tankstellen und Restaurants. Wenn diese Trucker-Treffs mal wieder aus allen Nähten platzen, soll künftig ein Blick auf die Smartphone-App zumindest teilweise Abhilfe schaffen. Denn mittlerweile sind auch die anderen Bundesländer aufgewacht.

Doch während dort noch diskutiert wird, schafft Bayern bereits Tatsachen: "Weitere Lkw-Parkleitsysteme planen wir auf der A3 zwischen Aschaffenburg und Biebelried sowie auf der A7 von der Landesgrenze zu Hessen bis zum Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim", sagte Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann im Mai dieses Jahres anlässlich der Abnahme der ersten 14 Rastplätze mit dem Parkleitsystem.

Die neuen Lang-Laster sind das nächste Problem

"Die größte Chance besteht darin, die Daten über Smartphone-Apps großflächig zu verbreiten. Ein Fahrerassistenzprogramm kann dann die Zielführung zum freien Parkplatz übernehmen", ist Frank Pelzer überzeugt. Auch die Politik treibt die Datenverbreitung voran: "Wir unterstützen die Unternehmen, den digitalen Tachografen und das Navigationssystem von Lkw mit den Informationen des neuen Parkleitsystems zu verknüpfen", verspricht Herrmann.

Doch ein Problem wird auch die moderne Informationstechnologie nicht lösen können: Die neuen Lang-Laster sind selbst unter optimalen Parkbedingungen zu groß für die meisten Autobahn-Parkplätze. Mit 25,25 Meter Gesamtlänge passen die viel beschworenen Hoffnungsträger für einen effizienteren Güterverkehr nicht in die Schrägparkstände. Außerdem brauchen die Riesen-Brummis zu viel Rangierfläche auf den überfüllten Rastplätzen: Ohne Parkleitsystem würden sie im realen Park-Chaos einfach stecken bleiben.

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