Machtwechsel bei Ferrari:Hohe Kunst der Intrige

Luca di Montezemolo (l.) und Sergio Marchionne.

Luca di Montezemolo (l.) und Fiat-Chrysler-CEO Sergio Marchionne bei der Abschieds-Pressekonferenz in Maranello.

(Foto: AP)

Ferrari-Chef Luca di Montezemolo tritt nach 23 Jahren an der Ferrari-Spitze ab - nur vorgeblich freiwillig. Sein Nachfolger heißt Sergio Marchionne. Dass nun der Fiat-Boss den Sportwagenbauer regiert, ist kein Zufall.

Von Thomas Fromm

Die Botschaft war elegant und pathetisch formuliert, so wie es seine Art ist. "Das ist das Ende einer Ära, und daher habe ich mich entschieden, meinen Posten als Präsident zu räumen nach fast 23 herrlichen und unvergesslichen Jahren", teilte Luca Cordero di Montezemolo am Mittwoch mit. Ende einer Ära - es gibt nicht viele Menschen, die so etwas über sich schreiben würden. Ein Manager, der sein Leben als eine Ära bezeichnet - so ist Montezemolo: selbstbewusst, kontrolliert, ganz piemontesischer Adel. Kein Wort über den Ärger der vergangenen Wochen. Kein Wort über die Turiner Intrigen. Wenn schon abtreten, dann erhobenen Hauptes.

Mit dem für Mitte Oktober angekündigten Rücktritt geht nicht nur bei Ferrari eine Ära zu Ende, sondern auch bei der klammen Konzernmutter Fiat, die 90 Prozent der Ferrari-Anteile hält. Denn bald regiert bei Ferrari ein anderer: Fiat-Chef Sergio Marchionne persönlich. Ferrari dürfte bald mehr Fiat und weniger Ferrari sein.

Das beste Pferd im Fiat-Stall

Der Italo-Kanadier Marchionne will durchgreifen, aus Fiat und Chrysler einen Weltkonzern und aus den Töchtern Alfa Romeo, Jeep und Maserati weltweite Premium-Champions machen. Die erfolgreiche Sportwagentochter Ferrari soll zusammen mit Maserati an die Kandare genommen werden. 2,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2013 und 246 Millionen Euro Gewinn - Ferrari ist das beste Pferd im Fiat-Stall. Warum es einem Montezemolo überlassen, der auf seine Unabhängigkeit pocht und damit sympathisiert, seine Firma dem Turiner Machtbereich zu entziehen und als Luxus-Wert an die Börse zu bringen?

Der Abgang Montezemolos wurde seit Tagen vorbereitet, Stück für Stück. Offiziell lautet die Geschichte, wie sie schon vor dem Großen Preis von Italien am Sonntag von Italiens Sport-Gazetten ventiliert wurde, so: Fiat-Chef Sergio Marchionne sei sauer auf seinen Manager. Grund: Das Abschneiden in der Formel 1. Was plausibel klingt, ist höchstens die halbe Wahrheit. Tatsächlich ging es beim Showdown von Turin um die ganz große Machtfrage: Marchionne oder Montezemolo? Selten hat es in dem 115 Jahre alten Traditionskonzern einen solchen Kulturkampf gegeben.

Nicht viel erinnert bei Fiat an Italien

Marchionne versus Montezemolo. Zwei Männer, zwei Lebenswege, zwei Welten. Da ist Marchionne, der Italo-Kanadier, 62 Jahre alt, ein Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen. Marchionne baut den Konzern gerade um, und zwar ganz nach seinem Gusto. Er fusioniert Fiat mit dem US-Hersteller Chrysler zu einem neuen transatlantischen Gebilde, das er - ganz unitalienisch - "FCA" nennt. "Fiat Chrysler Automobiles." Und auch sonst erinnert nicht mehr viel an Italien. Firmensitz: Niederlande. Hauptversammlungen in: Amsterdam. Steuersitz: Großbritannien. Aufsichtsratstreffen künftig in: London.

Börsendebüt: 13. Oktober, New York.

Marchionne, der italo-kanadische Manager, der als Wirtschaftsprüfer bei Deloitte & Touche begann und später beim Schweizer Warenprüfkonzern SGS anheuerte, wurde 2004 Fiat-Chef. Er führt Fiat, wie ein Finanzmann einen Autokonzern führt: kalt kalkulierend, pragmatisch. Seine Kritiker sagen, dass er sich nicht gerade für Autos interessiere. Er hätte auch antreten können, um einen Waschmittel-Konzern zu sanieren. Va bene, nun sind es zufällig gerade Autos. Marchionne, der Non-Konformist, trägt seit Jahren nur noch dunkle Pullover über dem Hemd und kann sehr direkt sein. "Niemand ist unersetzlich", sagte er über Montezemolo. Das saß.

Es begann mit einer Radiosendung

Machtwechsel bei Ferrari: Mit Michael Schumacher bestritt Luca di Montezemolo Ferraris erfolgreichste Ära in der Formel 1.

Mit Michael Schumacher bestritt Luca di Montezemolo Ferraris erfolgreichste Ära in der Formel 1.

(Foto: Andrew Medichini/AP)

Luca Cordero di Montezemolo ist leise. Er war schon mal Präsident des Unternehmerverbandes Confindustria, steht Ex-Premier Mario Monti nahe, trägt elegante Maßanzüge mit Seidentüchern, Krawatten, dazu handgenähte Schuhe. Er ist fünf Jahre älter als Marchionne und Lichtjahre von ihm entfernt.

Die Geschichte, wie sie in Italien erzählt wird, geht so: Irgendwann, es war Anfang der 70er-Jahre, saß der Student Luca in der elterlichen Wohnung in Bologna und hörte die damals sehr beliebte Radiosendung "Chiamate Roma 3131". Thema der Hörer-Sendung an jenem Tag war Ferrari; ein Hörer soll damals gegen den Motorsport gewettert haben. Luca rief also an, hielt ein Plädoyer für Autorennen im Allgemeinen und Ferrari im Besonderen und der legendäre Enzo Ferrari hörte an seinem Radio in Maranello zufällig mit.

1973 wurde Montezemolo Assistent des Alten - der Beginn einer Bilderbuchkarriere. Schon früh als väterlicher Freund an seiner Seite: Fiat-Patriarch Giovanni Agnelli. Beide haben viel gemein: Die Liebe zum Rennsport, das Faible für Eleganz, den flamboyanten Auftritt des Dandys. Doch Gianni ist seit 2003 tot, und dessen Enkel John Elkann folgt Marchionne, nicht ihm.

Der Fall Montezemolo - eine nationale Frage

Geht Marchionnes Strategie auf, könnte Fiat zu einem der ganz großen Autokonzerne werden. Scheitert er, dürfte dies das Ende sein. Man liebt ihn oder man hasst ihn in Italien. Seit Fiat immer weniger italienisch ist, wird Marchionne von immer mehr Menschen gehasst. "Wegen Personen wie ihm durchleben die Italiener eine schreckliche Krise", sagt Diego Della Valle, Fabrikant der Edelschuhmarke Tod's und Montezemolo-Freund. Der Fiat-Chef solle aufhören, den Italienern "Lektionen zu erteilen" und lieber "mal anfangen, seine Steuern in Italien zu bezahlen". Della Valle hat Einfluss. Das zeigt: Der Fall Montezemolo ist zu einer nationalen Frage geworden.

Wie sie nun gelöst wird? Marchionne wird jetzt durchregieren bei Ferrari, dem Goldesel aus Maranello. Und Montezemolo, der Graf, wie er in Italien genannt wird, soll schon ein Angebot der maroden Fluglinie Alitalia haben. Bestimmt ein spannender Job, überhaupt keine Frage.

Aber von Ferrari zu Alitalia?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: