Luxus-Roadster im Fahrbericht:Der Mercedes SL wird höflicher

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Der Neue ist noch der alte: Ein perfekter Gleiter war der Mercedes-Klassiker SL auch schon vor der Überarbeitung. (Foto: Daimler AG)

Mercedes hat seinen Luxus-Roadster fit gemacht. Er sieht jetzt sportlicher aus, hat mehr Leistung und einige sehr praktische Details hinzubekommen.

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Die Zeiten sind schwer für Cabrios, Roadster und Spider. Das bekommt auch Mercedes zu spüren. Besonders trifft es den SL, von dem jährlich nur noch rund 10 000 Stück in Bremen produziert werden. Die meisten für Amerika. In Deutschland wurden 2015 lediglich 829 Stück zugelassen, so viele SL hat Mercedes hier einst monatlich abgesetzt.

Ob der SL je wieder wie Anfang der 90er-Jahre das Lieblingscabrio der Deutschen wird, ist also fraglich. Ein offener Sportwagen taugt nicht mehr wie früher als Statussymbol. "Die Menschen zeigen das heute lieber mit einem luxuriösen SUV", sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Ungewöhnlich umfangreiche Optik-Änderungen

Mercedes wird dennoch am SL festhalten. Und hat ihn gerade gründlich modernisiert. Dazu ging man - ungewöhnlich bei sogenannten Facelifts - dem Roadster sogar ans Blech. Das ist teuer, aber wohl notwendig, um dem Roadster ein deutlich sportlicheres Aussehen zu verpassen, als er derzeit hat.

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Die größte Änderung erfuhr der Vorderwagen. Sollte die Front zuvor an den bulligen Flügeltürer SLS erinnern, so kramte Designchef Gorden Wagener diesmal tiefer in der Ahnengalerie. Pate stand der berühmte Rennwagen 300 SL Panamericana mit seinem nach unten breiter werdenden Grill. Zudem erhielt die Motorhaube zwei Ausbuchtungen, sogenannte Powerdomes, wie sie bereits der erste SL hatte. Und weil die neuen LED-Scheinwerfer andere Kotflügel erforderten, hat man auch gleich die seitlichen Luftauslässe vergrößert. Hinten leuchtet der SL nun komplett in Rot, und eine AMG-Heckschürze mit Diffusor und integrierten Endrohrblenden soll ausreichend Motorleistung symbolisieren.

Vier Motoren von 367 bis 630 PS

Die beginnt mit dem Drei-Liter-V6 als Einstiegsbenziner (SL 400, ab 99 097 Euro). Er leistet 367 statt zuvor 333 PS. Im SL 500 wummert weiterhin der 4,7-Liter-V8, aber jetzt mit 455 PS, ein Plus von 20 Pferdestärken. Auf 585 PS kommt die AMG-Variante SL 63, ebenfalls ein Achtzylinder, aber mit 5,5 Liter Hubraum. Top-Modell der Baureihe bleibt der AMG-SL 65 mit seinem Sechs-Liter-V12 und 630 PS. SL 400 und SL 500 sind jetzt mit der neuen 9G-Tronic-Automatik ausgestattet, die derart geschmeidig arbeitet, dass man sie fast nicht mehr spürt. In den AMG-Versionen arbeitet weiterhin die Sieben-Gang-Automatik, da nur sie in der Lage ist, das gebotene Drehmoment wegzustecken.

Fahrdynamisch zählte der SL auch schon vor der jüngsten Kur zu den Sportwagen, die einen gelungenen Kompromiss aus Komfort und Dynamik bieten. Er kann also beides, perfekt gleiten und spielerisch zügig ums Eck fegen - besonders, wenn man die serienmäßig verfügbaren fünf unterschiedlich festen Fahrwerkseinstellungen nutzt.

Erstmals gibt es nun auch - optional in Verbindung mit dem ABC-Fahrwerk (Active Body Control) - eine Kurvenneigefunktion. Die Karosserie legt sich dabei wenige Grad zur Seite. Wirklich spüren tut man das allerdings nicht. Höchstens, dass der SL schon in der einfachsten Variante seinen Fahrer nie anstrengt oder gar überfordert. Der Sechszylinder in der Basisversion ist laufruhig, klingt kernig und zeigt sich leistungsmäßig jeder Situation gewachsen. Dass es auch bei normaler Fahrweise nicht bei den versprochenen 7,7 Liter Normverbrauch bleibt, ist heute leider schon selbstverständlich, zeigt aber auch, wie sparsame große Benziner heute schon sein können.

Am besten gefiel uns der SL 500 (ab 122 897 Euro). Dessen Achtzylinder ist nach wie vor der gefühlt beste Antrieb für den Luxus-Roadster. Extrem geschmeidig, immer präsent und irgendwie mit dem SL zu einer harmonischen Beziehung verschmolzen. Ob es dann wirklich noch mehr Leistung sein muss? Die Frage stellt sich offenbar nicht, wenn man sieht, welchen Erfolg AMG mit den Modellen 63 und 65 besonders in Amerika hat. Immerhin kosten die beiden Super-SL 161 691 beziehungsweise 239 934 Euro.

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Feine Verarbeitung, beste Materialien

Auch um praktische Details haben sich die Ingenieure im Zuge der Modellpflege gekümmert. Das Dach lässt sich nun bis Tempo 40 öffnen und schließen. Ungewöhnlich allerdings: Die Prozedur muss im Stand beginnen. Und jeder Cabriofahrer kennt das: Man sitzt im Auto, möchte das Verdeck öffnen, hat aber vergessen, im Kofferraum die Gepäckabtrennung einzuhängen. Dies geschieht beim neuen SL nun vollautomatisch. Eine höfliche Konstruktion.

Geblieben ist das Layout des Interieurs, die Instrumente bekamen aber ein neues Schriftbild. Kein Wort muss man bei Mercedes über die Qualität verlieren. Der SL empfängt seine Passagiere mit feiner Verarbeitung, besten Materialien und wunderbar bequemen Sitzen. Bei den Preisen sollte man das aber auch erwarten dürfen.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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