Luftverschmutzung:Was die Hamburger Fahrverbote für Autofahrer bedeuten

In wenigen Tagen sperrt die Hansestadt erste Abschnitte für Dieselautos. Ein Überblick, wer davon betroffen ist und was das bringen soll.

Von Thomas Harloff

Etwa drei Monate nach der Entscheidung des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts geht es los mit den ersten Fahrverboten für ältere Dieselautos. Nachdem am Freitag vor Pfingsten die schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht wurde, haben Deutschlands Kommunen nun eine offizielle Handhabe, durch gesperrte Straßen gegen schlechte Luft zu kämpfen. Immerhin liegen deutschlandweit 66 Städte über den europäischen Stickoxid-Grenzwerten, 28 von ihnen werden von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf sauberere Luft verklagt. Den Anfang macht Hamburg: Zwar sprechen die Offiziellen nicht von Fahrverboten oder Umweltzonen, aber sie haben 55 Umleitungs- und 49 Verbotsschilder aufstellen lassen, um Durchfahrtsbeschränkungen und Ausweichrouten zu kennzeichnen.

Wann setzt Hamburg die Durchfahrtsbeschränkungen um?

Am Donnerstag, den 31. Mai. Zuvor hatten die Verantwortlichen die Urteilsbegründung ausgewertet und festgestellt, dass ihrem Vorhaben, zwei Straßen zu sperren, davon nur eine für Pkws, nichts im Weg steht.

Um welche Straßen handelt es sich?

Es geht um zwei Straßen im Stadtteil Altona. Die Max-Brauer-Allee darf auf einem 580 Meter langen Teilstück nicht mehr von allen Dieselautos und -lastwagen durchfahren werden. Die Sperrung eines 1,6 Kilometer langen Abschnitts der Stresemannstraße gilt vorerst nur für Lkws.

Welche Autos dürfen weiterhin fahren - und welche nicht?

Für Besitzer eines Dieselautos, das die Abgasnorm Euro 6 oder besser erfüllt, ändert sich nichts. Gut ein Drittel aller in Hamburg zugelassenen Dieselautos (116 000 von fast 330 000) erfüllen diese Vorgabe. Doch schon Fahrer eines Euro-5-Diesel (und damit eines Autos, das bis Sommer 2015 regulär als Neuwagen verkauft wurde), müssen die Umleitung nehmen. Zudem Fahrer von Lastwagen, die nach Euro 5 oder schlechter zugelassen sind. Allerdings gibt es Ausnahmen: Anwohner und deren Besucher dürfen ebenso uneingeschränkt durch die Max-Brauer-Allee fahren wie Rettungs- und Lieferfahrzeuge. Das gilt auch für Müllautos - oder Taxis, sofern diese dort Passagiere aufnehmen oder absetzen.

Warum geht Hamburg so zaghaft vor?

Die Herangehensweise verwundert, schließlich gibt Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) zu, dass die Stadt auf insgesamt 42 Kilometern Straßenlänge die Stickoxid-Grenzwerte der EU von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreitet. Auf den meisten anderen Abschnitten glauben die Senatsmitglieder, mit anderen Maßnahmen die Situation in den Griff zu bekommen. Dazu gehören ein ausgebauter Rad- und öffentlicher Nahverkehr, emissionsfreie Busse, Tempo 30 auf manchen Straßen, Ladestationen für Elektroautos und Restriktionen für besonders umweltschädliche Schiffe, die den Hafen anlaufen. Einzig in Altona helfen aus Senatssicht nur die Durchfahrtsbeschränkungen gegen die erhöhten Stickoxidwerte.

Wie soll das Fahrverbot kontrolliert werden?

Die Polizei ist mit dieser wahrscheinlich mühevollen Aufgabe betraut. Kaum einem Dieselauto sieht man von außen an, welche Abgasnorm es erfüllt. Die zu diesem Zweck immer wieder ins Spiel gebrachte blaue Plakette ist weiter nicht in Sicht, die Bundesregierung will sie nicht. Also müssen die Polizisten die Autos stoppen und in die Fahrzeugpapiere schauen. Die Umweltbehörde spricht davon, anfangs Schwerpunkt- und später Stichprobenkontrollen durchführen zu lassen. In welchem Umfang die Polizei Kapazitäten für dieses Unterfangen bereitstellt, steht noch nicht fest. Doch schon direkt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes lehnten es Vertreter der Polizeigewerkschaften ab, Verantwortung für die Kontrollen übernehmen zu wollen. Dafür fehle das Personal.

Was droht Autofahrern, die das Fahrverbot missachten?

Sollten sie Fahrverbotssünder erwischen, wollen die Hamburger Beamten anfangs gnädig sein, es bei Ermahnungen belassen und Informationsblätter verteilen. Später kostet ein Verstoß ein Verwarn- oder Bußgeld von 25 Euro für Pkws und 75 Euro für Lkws. Punkte in Flensburg drohen nicht.

Was soll die Hamburger Lösung genau bringen?

Das ist umstritten. Manche halten die Durchfahrtsbeschränkungen für Aktionismus, andere für einen rein symbolischen Akt. Experten sind sich einig, dass die zwei gesperrten Straßen keine nachhaltige Lösung für Hamburgs Stickoxidproblem sind. Die Durchfahrtsbeschränkungen seien "zwar ein gutes Signal, aber nicht zielführend", sagt ein Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das ist auch Umweltsenator Kerstan klar. Ihm geht es darum, die schlechte Luft umzuverteilen. Die Dieselautos sollen statt über die Max-Brauer-Allee, wo die Grenzwerte deutlich überschritten werden, über Straßen fahren, die weit unter den EU-Vorgaben liegen. Deswegen die Umleitungsschilder, die optimale Umfahrungsempfehlungen geben sollen. Dem BUND reicht das aber nicht: "Wir brauchen flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen."

Wahrt Hamburg wirklich die Verhältnismäßigkeit, wie von den Leipziger Richtern angemahnt?

Es scheint, als gehe Hamburg sehr behutsam vor. Kerstan zufolge hat die Stadt bei anderen Straßen, auf denen Durchfahrtsbeschränkungen nötig wären, verzichtet. Etwa, weil die Stickoxidbelastung auf den hafennahen Straßen vorrangig vom Schiffsverkehr erzeugt werde. Oder weil dann die Stickoxidbelastung auf anderen Strecken zu hoch wäre. Sicherheitsprobleme sind ein weiterer Faktor. Zum Beispiel, wenn Schwerlastverkehr über Straßen geleitet werden müsste, auf denen viel Radverkehr herrscht. Einige Härtefälle nimmt die Hamburger Umweltbehörde jedoch in Kauf. So liegt an einer der Umgehungsstrecken, die nun deutlich stärker frequentiert werden dürften als bisher, eine Ganztagsschule.

Wie sieht es in anderen Städten aus?

München, Stuttgart, Düsseldorf: Offiziell wehren sich die am stärksten von erhöhten Stickoxidwerten betroffenen Städte noch gegen pauschale Fahrverbote. Die jeweiligen Landes- und Kommunalregierungen hoffen insgeheim darauf, dass sich das Problem von selbst löst, wenn sich der Fahrzeugbestand kontinuierlich erneuert und anteilig mehr Autos die aktuellen Abgasnormen erfüllen. Flankierend fordern sie lautstark Hardware-Nachrüstungen. Indem Euro-5-Diesel flächendeckend mit modernen Katalysatorsystemen ausgerüstet werden, soll der Stickoxidausstoß des Straßenverkehrs signifikant sinken. Doch eine solche Umrüstung würde je nach Fahrzeug zwischen 1000 und 3500 Euro kosten. Deshalb lehnt sie die Autoindustrie ab - und hat mit der Kanzlerin und dem CSU-geführten Verkehrsministerium mächtige Partner an ihrer Seite.

Heißt das, es wird keine weiteren Fahrverbote geben?

Im Verborgenen werden in den Rathäusern bereits Pläne erstellt. Beispiel München: Fahrverbote hält man hier für unausweichlich. Aber nach Hamburger Vorbild einzelne Straßen zu sperren, kommt für die Umweltreferentin der Stadt München nicht infrage: "Wir kommen an einer zonalen Lösung nicht vorbei", sagt Stephanie Jacobs. Hier muss den Leipziger Richtern zufolge aber besonders stark auf die Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Um diese zu wahren, sollen im ersten Schritt nur Diesel mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter betroffen sein. In Stuttgart wird über den Umgang mit den Diesel-Fahrverboten noch gestritten. Vor 2019 kommen sie wohl nicht und wenn, dann anfangs nur für Euro-4-Autos oder schlechter. Die Stadt Düsseldorf hält sich selbst nicht für zuständig - und will erst einmal abwarten, was die Bezirksregierung unternimmt.

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