Luftfahrt-Jubiläum:Als Metall fliegen lernte

Ganzmetallflugzeug J 1 von Hugo Junkers

Die Junkers J 1 war das erste verspannungsfreie Ganzmetallflugzeug der Welt.

(Foto: Archiv Bernd Junkers)

Vor 100 Jahren startete das erste Ganzmetallflugzeug zum Jungfernflug. Die J 1 von Hugo Junkers bestand ihren Test - doch ihr Erfinder profitierte kaum von der Revolution im Flugzeugbau.

Von Peter Fahrenholz

Was für ein Wetter am 12. Dezember 1915 rund um Berlin geherrscht hat, lässt sich nur noch ungefähr ermitteln. Ein altes Wetterblatt jenes Tages zeigt ein Tief über der Ostsee und Temperaturen zwischen null und fünf Grad. In den Tagen zuvor muss es alten Aufzeichnungen zufolge heftig gestürmt haben. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für das Experiment, das an diesem Tag stattfinden sollte: Der Testflug der J 1 von Hugo J unkers, dem ersten Ganzmetallflugzeug, einem Eindecker, der ohne die zu dieser Zeit für unentbehrlich gehaltenen Verspannungsdrähte auskam. Die Maschine, das zeigte sich schnell, sollte den Flugzeugbau revolutionieren.

Davon waren die am Flugplatz von Döberitz bei Berlin versammelten Militärs, die zu der Vorführung geladen waren, alles andere als überzeugt. "Die guckten zu und erwarteten, dass das Flugzeug jederzeit abstürzt", erzählt Bernd Junkers. Der Enkel von Hugo Junkers, selbst inzwischen 72 Jahre alt, kümmert sich seit 10 Jahren um die Verwaltung des Nachlasses seines Großvaters, den er selber nicht mehr kennengelernt hat.

Portraitbild Hugo Junkers

Hugo Junkers betrieb eigentlich eine Fabrik für Gas-Badeöfen. Er starb 1935.

(Foto: Archiv Bernd Junkers)

Für die Vorstellungen jener Zeit hatte Hugo Junkers etwas Unerhörtes gebaut. Flugzeuge, so die damalige Überzeugung, mussten möglichst leicht sein, um den Luftwiderstand zu überwinden. Es waren windige Konstrukte aus Holz, mit Stoff bespannt und von Drähten stabilisiert. Und jetzt stand da eine schwere Kiste aus Eisenblech "Metall fliegt nicht", hieß es damals. Für die Militärs war Junkers, so sein Enkel, "ein Spinner". Keiner der anwesenden Piloten traute sich, den "Blechesel", wie man die Maschine despektierlich nannte, zu fliegen. Schließlich meldete sich ein junger Leutnant, Friedrich von Mallinckrodt, freiwillig. Schon nach 40 Metern hob die J 1 zum Erstaunen aller ab. Der Jungfernflug dauerte zwar nur wenige Minuten und die Landung war unsanfter als geplant, aber der Beweis war erbracht: Metall fliegt doch.

Erst Durchlauferhitzer, dann Flugzeuge

Hugo Junkers hatte an diesem Beweis jahrelang gearbeitet. Eigentlich kam der Ingenieur aus Dessau aus einem ganz anderen Bereich. Er war einerseits Motorenbauer und hatte andererseits den ersten Gas-Durchlauferhitzer der Welt entwickelt. Seine gut gehende Fabrik für Gas- Badeöfen hat ihm später das Geld eingebracht, das er in seine Flugzeugentwicklungen stecken konnte.

Zu denen kam Junkers, als er kurz vor der Jahrhundertwende zum Professor an der Technischen Hochschule in Aachen berufen wurde und dort einen Kollegen kennenlernte, der sich mit flugtechnischer Mechanik und Aerodynamik beschäftigte. Junkers arbeitete an eigenen aerodynamischen Studien und erkannte, dass nicht das Gewicht, sondern der Auftrieb entscheidend war, um den Luftwiderstand zu überwinden. 1909 meldete er etwas zum Patent an, das bis heute Bestand im Flugzeugbau hat. Den sogenannten "dicken Flügel", einen Hohlkörper ganz aus Metall, in dem nicht mehr Drähte von außen, sondern Verstrebungen im Inneren für die nötige Stabilität sorgten.

Die J 1 war für Junkers der Start für eine Erfolgsgeschichte, die aus heutiger Sicht atemberaubend erscheint. In rascher Folge entstanden die J 2 und die J 3, bei der erstmals statt Eisenblech das viel leichtere Duraluminium, eine spezielle, besonders feste Aluminiumlegierung, zum Einsatz kam. Schon 1917, nur zwei Jahre nach dem Jungfernflug seiner J 1, konnte Junkers mit der J 4 , einer Militärmaschine, das erste serienmäßige Flugzeug anbieten. Es war ein Eineinhalbdecker - ein Kompromiss, um das skeptische Militär zu überzeugen - und mit einer Panzerstahlwanne gegen Beschuss ausgerüstet. 280 dieser Maschinen kamen bis Kriegsende zum Einsatz.

Junkers F 13 - das erste Passagierflugzeug der Welt

Junkers F 13 'Annelise'

Die Junkers F 13 war das erste Passagierflugzeug der Welt. 1919 stellte sie einen Höhenweltrekord auf.

(Foto: Archiv Bernd Junkers)

Doch Junkers' eigentliche Leidenschaft galt von Anfang an der zivilen Luftfahrt, die es damals allenfalls in zarten Anfängen gab. Junkers wollte Flugzeuge bauen, mit denen Menschen und Fracht transportiert werden sollten. Schon ein Jahr nach Kriegsende präsentierte er mit der F 13 das erste Passagierflugzeug der Welt. "Das war eine Sensation", sagt sein Enkel Bernd. Keine zweifelhafte fliegende Kiste, bei der die Passagiere frierend im Freien saßen, sondern eine Maschine mit einer festen Kabine für vier Personen, beheizbar und mit Licht.

In Ermangelung von Kunden für seine Weltneuheit gründete Junkers eine eigene Fluggesellschaft und beteiligte sich an der Gründung diverser Fluglinien in verschiedenen Ländern. Die F 13, in nur sechs Monaten entwickelt und gebaut, wurde in alle Welt verkauft. Auch die Motoren für seine Flugzeuge baute Junkers inzwischen längst selber, in seinen Werken entstanden von 1915 bis 1932 insgesamt 36 Flugzeugtypen, darunter am Schluss die JU 52, die legendäre "Tante JU". "Er war der Pionier des Verkehrsflugzeugbaus", sagt sein Enkel. Und zunächst auch immens erfolgreich. Innerhalb von 10 Jahren habe sein Großvater 1000 Flugzeuge verkauft und damit einen Anteil von 70 Prozent am zivilen Luftverkehrsmarkt gehabt, sagt Bernd Junkers.

Junkers Ju 52/3mho D-AJYR 'Emil Schäfer' mit drei Schwerölflugmotoren Jumo 205 C

Die legendäre "Tante JU": Junkers Ju 52/3mho D-AJYR 'Emil Schäfer' mit drei Schwerölflugmotoren.

(Foto: Archiv Bernd Junkers)

Ein Nachbau ist derzeit in Planung

In friedlichen und wirtschaftlich stabilen Zeiten wäre Hugo Junkers vermutlich vom Forscher und Flugzeugpionier zum Chef eines internationalen Wirtschaftsimperiums aufgestiegen und dabei steinreich geworden. Doch die Zeiten waren nicht danach. Erst schrammte Junkers im Zuge der Weltwirtschaftskrise nur haarscharf an der Pleite vorbei und war gezwungen, seine lukrative Badeofen-Fabrik zu verkaufen. Dann kamen die Nazis an die Macht, denen der linksliberal gesonnene Junkers von Anfang an ein Dorn im Auge war - und ein Hindernis auf ihrem Weg, die deutsche Flugzeugindustrie ganz in den Dienst der Rüstung zu stellen. Erst wurden Junkers seine ganzen Patente abgepresst, danach wurde er gezwungen, seinen Firmenanteile abzugeben.

Am Schluss unzähliger Schikanen durfte sich Junkers nur noch in München und in seinem Ferienhaus in Bayrischzell aufhalten. Den Kriegswahnsinn, in dem auch Flugzeuge, die nach wie vor den bekannten Namen Junkers trugen, eine wichtige Rolle spielten, hat Hugo Junkers nicht mehr mitbekommen. Er starb 1935 an seinem 76. Geburtstag.

Die J 1, die seinen Ruhm begründete, war ein Einzelstück. Sie hing ab 1926 im Deutschen Museum in München und wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört. Jetzt will ein Arbeitskreis des Technik-Museums Hugo Junkers in Dessau den Erstling originalgetreu nachbauen, nur der Motor wird eine Attrappe sein. "Dafür wird Geld gesammelt", sagt Bernd Junkers. Über ein Crowdfunding-Projekt, das in etwa zwei Monaten starten soll.

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