Lkw-Industrie:Vorauseilender Gehorsam

MAN TGX D38 auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover

Auch MAN, das auf der Nutzfahrzeug-IAA den neuen TGX D38 vorstellt, verpflichtet sich, die C0₂-Emissionen seiner Lastwagen zu reduzieren.

(Foto: REUTERS)

Sich selbst verpflichten, bevor es die EU-Kommission tut: Europas Lkw-Industrie will den CO₂-Ausstoß ihrer Laster kräftig reduzieren. Aber andere sollen dabei helfen.

Von Thomas Fromm

Das Papier hat 28 Seiten, die Tonlage klingt dramatisch. "Um es kurz zu machen", heißt es dort: "Europa würde ohne Lastwagen nicht funktionieren. Es gäbe keine Nahrungsmittel, keine Waren, keine Jobs." Beteiligt an dem sogenannten Weißbuch, das am Dienstag Nachmittag bei der Nutzfahrzeugmesse in Hannover präsentiert wurde, sind alle großen Hersteller, von Daimler über Iveco, VW und MAN bis zu Scania.

Kurios an dem Papier: Die Hersteller machen darin Vorschläge, wie ihre eigenen Lkw in den nächsten sechs Jahren sauberer und mit weniger Emissionen fahren können - und reagieren damit schon jetzt auf politische Maßnahmen aus Brüssel, die es so noch nicht gibt. Die es aber bald geben könnte.

Konkret geht es um mögliche Regulierungen der EU-Kommission, um CO₂-Emissionen bei schweren Lkw zu reduzieren. Erste Vorschläge aus Brüssel weisen schon in diese Richtung: Demnach könnte der CO₂-Ausstoß zwischen 2005 und 2030 um 30 Prozent reduziert werden. Bislang werden die Abgase, so heißt es in der Diktion der Kommission. "zertifiziert" und "überwacht".

"Wir warten nicht auf die EU-Kommission"

Ein entsprechendes Messsystem gibt es bereits unter dem Namen "Vecto". Allerdings könnte Vecto nur der Einstieg sein. In einer Mitteilung der EU-Kommission vom Mai diesen Jahres heißt es: "Am naheliegendsten wäre es, wie bereits bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen verbindliche Obergrenzen für die durchschnittlichen CO₂-Emissionen neu zugelassener schwerer Nutzfahrzeuge festzusetzen."

Naheliegend, verbindlich, festgesetzt - in den Managementetagen der Lkw-Bauer lösen solche Absichtserklärungen fast Krisen aus. "Wir wollen nicht, dass das, was den Pkw-Herstellern passiert ist, auch uns passiert", sagte Daimler-Lkw-Vorstand Wolfgang Bernhard der SZ. "Wir warten nicht darauf, bis die EU-Kommission neue CO₂-Limits für den Lkw-Bereich vorschlägt, sondern gehen die Sache proaktiv an." Proaktiv, das heißt hier: Am besten schon mal die ersten Vorschläge machen, bevor es die anderen tun.

Für die Flotten der Autohersteller hatte die EU-Kommission verbindliche Obergrenzen von 95 Gramm CO₂ pro Kilometer von 2020 an festgelegt. Dass sich Brüssel und Industrie hier monatelang bekämpft hatten, dass Brüssel zum Hauptziel der Lobbyisten wurde, für all das gibt es einen Grund: Die Konzerne müssen tief in die Tasche greifen, um ihre Autos sauberer zu machen. Denn verstoßen sie gegen die Auflagen, drohen ihnen saftige Strafen.

20 Prozent weniger CO₂ bis 2020

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(Foto: dpa)

Die Autowelt ist die eine, die Lkw-Welt die andere. "Anders als beim Pkw sind Lkw so unterschiedlich wie Schneeflocken", sagt Bernhard (was ein interessanter Vergleich ist). Die Lkw-Bauer wollen es also proaktiv angehen: Ja, man könne sich vorstellen, die Emissionen bis zum Jahre 2020 um 20 Prozent zu reduzieren.

Allerdings könne dies, so die Kernforderung der Manager, die Industrie nicht alleine machen. Es geht um technische Dinge wie die Auflieger- und Anhängerbauweise, aber auch "um Reifenmaterial, um die richtigen Kraftstoffe, um exzellent geschulte Fahrer und natürlich unsere Infrastruktur", sagt Bernhard. "Ständige Staus auf zerbröckelnden Brücken und Straßen sind ein Hindernis auf dem Weg zur CO₂-Reduzierung." Oder, wie es in dem Weißbuch weiter heißt: Den Konzernen schwebt ein "integrierter Ansatz" vor. Integriert, das heißt natürlich immer auch: Die Verantwortung - und damit auch die Kosten - für das Erreichen der wahrscheinlich kommenden C0₂-Ziele sollen breit verteilt werden. Auch die Politik, die für die Straßen und Brücken in die Pflicht genommen wird, hätte dann am Zustandekommen der Ziele ihren Anteil.

Betroffen von den Krisen in der Welt

Dass die Industrie hier nach vorne prescht, dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Vor allem diesen: Es geht um sehr viel Geld. Und um die Frage, ob sich dieses Geld in den kommenden Jahren überhaupt noch so einfach verdienen lässt. Zu viele Krisen, zu viele Probleme, zu viele Fragezeichen. In der Autobranche tun viele Manager noch so, als würde sie der Ukraine-Russland-Konflikt nicht viel angehen. Russland? Eh ein schwacher Markt. Ukraine? So gut wie gar kein Markt.

In der Lkw-Branche laufen die Dinge anders. Ganz anders: Hier lebt man davon, dass Waren von A nach B gebracht werden, und wenn weniger Waren herumgefahren werden, braucht man auch weniger Lkw. Das Geschäft mit den Nutzfahrzeugen zeigt also, ob sich etwas bewegt in der Wirtschaft. Zurzeit bewegt sich in vielen Regionen der Welt immer weniger. "Wir hoffen sehr, dass es bald zu einer Einigung der Konfliktparteien kommt", sagte VW-Nutzfahrzeugechef Eckhard Scholz auf der Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover. Kriege, Rezessionen, schlechte Stimmung - es sind dies Dinge, auf die ein Lkw-Hersteller keinen Einfluss hat.

Worauf er dagegen Einfluss nehmen kann, ist die Frage, wie viel CO₂ seine schweren Laster in ein paar Jahren noch in die Umwelt pusten dürfen. Das wird noch ein hartes Stück Lobbyarbeit.

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