Lilium Aviation:Bayerisches Start-up stellt Flugzeug für jedermann vor

Lilium Aviation: Box mit Flügeln: Viel mehr als ein Video wollen die Lilium-Entwickler noch nicht zeigen.

Box mit Flügeln: Viel mehr als ein Video wollen die Lilium-Entwickler noch nicht zeigen.

(Foto: oh)
  • Die Firma Lilium Aviation aus Gilching bei München hat ein ultraleichtes Elektro-Flugzeug für den Privatgebrauch vorgestellt.
  • Das Fluggerät soll irgendwann Autos und Taxis ersetzen und viele Probleme lösen - sogar das der hohen Mieten in Großstädten.
  • Luftfahrtexperten sind aber skeptisch, ob solche privaten Flugzeuge tatsächlich eingesetzt werden dürfen - zumindest in Deutschland.

Von Sophie Burfeind

Eine Art futuristische Dachbox mit Flügeln steht auf einem Rollfeld, dann steigt sie ein paar Meter senkrecht in die Höhe und fliegt davon. Zwei Jahre lang haben die Ingenieure des Start-ups Lilium Aviation aus Gilching im Münchner Süden auf diesen Moment hingearbeitet: dass ihr ultraleichtes Elektro-Flugzeug für den Privatgebrauch abheben kann. Ihr Lilium-Jet kann jetzt also fliegen. Im nächsten Schritt soll er Autos und Taxis ersetzen.

Daniel Wiegand, 31, sitzt vor seinem Laptop in Gilching und spielt den Film ab, auf dem man den Jungfernflug des Lilium-Jets sehen kann. Im Video wird am Ende geklatscht, auch Wiegand sieht vor seinem Computer ziemlich zufrieden aus. "Es ist weltweit der erste senkrecht startende und emissionsfreie Jet", sagt er, der Geschäftsführer des Unternehmens und einer der vier Gründer ist. Am Donnerstag gab das Team von Lilium bekannt, dass ihr Flugtaxi nun offiziell fliegt - zwar noch ohne Passagiere, aber es fliegt. Zu Gesicht bekommt man es leider nicht.

Das Lufttaxi auf dem Video hat zwei Sitze, es besteht aus einer Carbon-Kapsel mit Flügeln, auf denen 36 Triebwerke sitzen. Wenn es startet, zeigen die Triebwerke wie bei einer Rakete nach unten, beim Reiseflug wie bei einem Flugzeug nach hinten. Die Batterien sollen 300 Kilometer lang halten bei einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern pro Stunde.

Bauen und verkaufen wollen die Gründer aber Fluggeräte mit fünf Sitzen. Der fliegende Prototyp solle erst mal beweisen, dass die Technologie funktioniert, dass Taxifahren oder Pendeln in der Luft nicht nur etwas für Science-Fiction-Regisseure, sondern auch für deutsche Großstädter sein könnte. Man sei fünfmal schneller als mit einem Auto, schwärmt Wiegand. "Das ist der gleiche Sprung wie damals vom Fahrrad aufs Auto. Und dieser Sprung hat die Welt verändert."

Die Flugzeuge sollen das Mietpreisproblem lösen

In Gilching herrscht Aufbruchsstimmung. Die neuen Flugzeuge sollen die Mobilität verändern und dabei viele Probleme der heutigen Zeit lösen: das Verkehrschaos in Großstädten, das Problem mit der Luftverschmutzung, ja, eines Tages vielleicht sogar das Problem mit den Mietpreisen in Städten wie München. Denn besäße man so ein privates Fluggerät, könnte man zum Beispiel im Bayerischen Wald wohnen und bei BMW in München arbeiten, für einen Luftpendler kein Problem. Man bräuchte nur eine Kleinflugzeuglizenz und einen Landeplatz vor der Haustür.

Wobei er eher an eine Art Taxi-Betrieb denke, sagt Daniel Wiegand, weil die Jets für die meisten Menschen zu teuer seien, aber von allen genutzt werden sollen. Man lässt sich leicht anstecken von seiner Euphorie, seinem Glauben an eine mobile Revolution. Alle, die gerade an fliegenden Autos arbeiten, sprechen so - von einer neuen Ära, einer neuen Welt, es herrscht kein Mangel an Selbstvertrauen in der Flugtaxibranche.

Weltweit arbeitet etwa ein Dutzend Firmen an solchen Fluggeräten

Die ist gar nicht so klein: Etwa ein Dutzend Unternehmen arbeitet weltweit an solchen Ultraleichtfluggeräten, die ebenso leicht zu bedienen sein sollen. Bei Airbus heißt das Projekt "Vahana", benannt nach dem Reittier einer hinduistischen Gottheit (der Name Lilium Aviation bezieht sich auf den Flugpionier Otto Lilienthal). Die Firma Joby Aviation will ein Flugtaxi aufsteigen lassen, das aussieht wie ein Flugzeug mit extrem vielen Rotoren, die niederländische Firma PAL-V hat eine Kombination aus Auto und Helikopter entwickelt, Volocopter aus Bruchsal einen elektronischen "Multikopter". Der Golfstaat Dubai will im Juli eine emissionsfreie Menschendrohne aus China in Betrieb nehmen.

So unterschiedlich diese Geräte aussehen und gesteuert werden - diese Zukunft hat viele Fans und Investoren. In Lilium Aviation etwa investieren Frank Thelen, bekannt aus der RTL-Show "Die Höhle der Löwen", und der Skype-Gründer Niklas Zennström. Die Europäische Weltraumorganisation Esa unterstützt das Unternehmen seit 2015.

Die Regeln in Deutschland sind strenger als anderswo

Eines Tages in den Wolken pendeln zu können, ist ja auch eine fantastische Vorstellung. Aber es gibt noch viele offene Fragen: zum Beispiel, ob die Flugzeuge überhaupt je in Deutschland fliegen dürfen. Heinrich Bülthoff, Professor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, glaubt, dass Lufttaxis am ehesten in Amerika oder Asien zum Einsatz kommen könnten, "aber nicht bei uns in Deutschland, der Luftraum hier ist zu streng reglementiert".

Daniel Wiegand sagt, dass ihr Jet schon im Zulassungsverfahren für Kleinflugzeuge sei, das spontane Fliegen in der Luft also nur noch eine Frage der Zeit. Konkreter wird er nicht. Die Lufttaxi-Branche ist eben auch wolkig.

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