Lamborghini Murciélago Roadster:Der Wüste bebt

Die Verkäufe zeigen es: Lamborghinis fühlen sich in Amerika am wohlsten. Kann der neue LP 640 Roadster aber auch die verwöhnten Stars in den Bergen von Beverly Hills begeistern?

Von Stefan Grundhoff

Hier wohnen sie also, die Schönen und zumeist gleichermaßen Reichen, weithin bekannt aus Film, Fernsehen und Trallala-Gazetten. Hollywood liegt nur ein paar Blocks entfernt. Und so sonnt sich die Upper Class der amerikanischen Westküste nördlich des Sunset Boulevard in den Bergen von Beverly Hills. Zu den hinter hohen Mauern meist nur erahnbaren Villen mit ihren endlos langen Auffahrten und sorgsam geschorenen Rasen gehören selbstverständlich auch die entsprechenden Spielzeuge für die Straße. Nirgends ist die Dichte von 7er-BMWs oder S-Klassen größer. Und kaum ein Straßenzug, in dem die dunklen Range-Rover-Kolosse nicht dicht wuchern. Zumindest vom Publikum her also gerade das rechte Areal für den neuesten Lamborghini.

Lamborghini Murciélago Roadster: Garantierter Blickfang im Straßengrau von Los Angeles: Lamborghini Murciélago Roadster LP 640

Garantierter Blickfang im Straßengrau von Los Angeles: Lamborghini Murciélago Roadster LP 640

(Foto: Foto: press-inform)

Den geschlossenen LP 640 kennt man bereits seit vergangenem Sommer - jetzt bringen die Autobauer aus Sant'Agata Bolognese die Roadster-Version auf den Markt. Der offene Spider mit seinen weit aufschwingenden Flügeltüren sieht kaum ungefährlicher aus als der martialisch auftretende Supersportler mit festem Dach.

Hier im Sonnenstaat Kalifornien ist der Roadster eine gute Wahl. Auch wenn das Wetter heute mal recht bedeckt ist. Die Lackierung ist in Knall-orange - alles andere als zurückhaltend. Aber für ein Auto, das nach Aussagen von Lamborghini-Geschäftsführer Stefan Winkelmann viele Kunden als Nummer fünf oder sechs in der Garage stehen haben, darf es eben auch einmal eine etwas "signifikantere Lackierung" sein.

Zunächst hat die signalfarbene Rakete aber erst einmal mit den schlechten Routen im nördlichen Los Angeles zu kämpfen. Es geht auf und ab wie in den Straßen von San Francisco - nur ein paar Nummern kleiner. Also gar nicht lange fackeln, und die Front des Murciélago wird per Knopfdruck dezent hochgefahren. Eigentlich eine Entwicklung, um hohe Ein- und Ausfahrten ohne Aufsetzer zu meistern. Doch hier bewährt sich das auch im normalen Straßenverkehr und verhindert, dass die Karbonschürze Schaden nimmt.

Die Müllabfuhr wartet schon

Weniger tauglich für den Stadtverkehr ist dagegen das sequenzielle Schaltgetriebe E-Gear, das gegen einen - satten - Aufpreis geordert werden kann und kurze Schaltzeiten bei hohen Drehzahlen realisiert.

Von der immensen Motorleistung spürt man zunächst nur wenig. Klar, das Triebwerk brüllt und grollt - aber bei weitem nicht so nervig wie beim kleineren Bruder Gallardo, der einem ab 3800 Touren den letzten Hörnerv raubt.

Kurz bevor es in die Hollywood Hills geht, wird eine Müllwagenbesatzung auf den offenen Lamborghini aufmerksam. Die Jungs halten einfach mal mitten auf der Straße und bringen so den Verkehr in der Nähe der Ballagio Road komplett zum Erliegen. Mehr als für Fahrleistung und Sound interessieren sich die drei für Herkunft und Farbe des extravaganten Vehikels. "Sieht ja aus wie der Lack von unserem Laster hier", brüllt der eine aus der Fahrerkabine. Ganz Unrecht hat er nicht. Der Müllkipper ist grau-orange und nur etwas dreckiger. Eher unwahrscheinlich aber, dass sich die Lamborghini-Design-Abteilung die Lackvarianten von den städtischen Entsorgungsbetrieben in Los Angeles abgeschaut hat.

Freitagnachmittags dauert es immer etwas länger, ehe man aus Santa Monica raus und vorbei an der UCLA-Universität in die Hills eingefahren ist. Doch man kann es kaum glauben: Der Lamborghini fällt trotz seines markigen Auftretens hier keinem mehr sonderlich auf. Aus den diversen Range Rovern, Bentleys und dunklen S-Klassen schaut kaum einer herab in die grelle Flunder. Nur ein paar Gärtner linsen mehr müde als erregt zu dem offenen Murcielago herüber.

Der Wüste bebt

Warmgefahren

Also geht es weiter zu den sportiveren Testrouten. Gott sein Dank, denn angesichts der schwergängigen Lenkung und der niedrigen Geschwindigkeiten zwischen den Villen von Stallone, Brosnan und Madonna ist das Fahren hier mehr Arbeit als Freude.

Der Weg führt über den sagenumwobenen Mulholland Drive weiter in die Berge nördlich von L. A. Hier ist man nun flotter unterwegs. Und der italienische Superrenner kann endlich zeigen, was in ihm steckt - wenigstens ansatzweise. Der 6,5 Liter große Zwölfzylinder wummert zwar und legt ab 5000 Touren richtig los - aber an seine Grenzen kommt er bei erlaubten Geschwindigkeiten von 80 bis 150 km/h nie auch nur ansatzweise. Doch er zeigt immerhin, dass er es mehr als faustdick hinter den elektrisch ausfahrbaren Lüftungsöffnungen hat.

Wer will, der kann dem Allradlambo aber auch in den USA auf abgesperrtem Kurs kompromisslos die Sporen geben. Denn 471 kW / 640 PS und ein maximales Drehmoment von 660 Nm bei 6000 Touren verlocken zu ein paar schnellen Runden auf den Rennpisten von Sebring oder Vegas. Den Spurt Null auf 100 km/h schafft der immerhin 1,7 Tonnen schwere Bolide in knapp 3,5 Sekunden. Seine Spitzengeschwindigkeit liegt bei 330 km/h.

Offene Beziehung

Wie man das Ganze real erfahren soll, bleibt ein Geheimnis. Das liegt weniger an den strikten Geschwindigkeitsbeschränkungen in Kalifornien als vielmehr an der Dachkonstruktion: Der LP 640 Roadster verzichtet auf ein echtes Dach. Er ist kompromisslos offen. Sollte sein Besitzer von einem Schauer überrascht werden, gibt es eine behelfsmäßige Mütze, die mit viel Fingerfertigkeit montiert werden muss. Sie schützt vor Regen und hohen Geschwindigkeiten: Mehr als 200 km/h sollte man dieser Konstruktion nicht zumuten. Heißt: Wer 300 km/h und mehr antesten will, muss offen fahren. Also lieber einen Integralhelm auf den Beifahrersitz packen.

Der gnadenlos sportliche Roadster mag es schon wegen seiner Länge von 4,61 Metern und des 2,67 Meter langen Radstandes nicht allzu winkelig. Denn dann können Motorleistung und Allradantrieb nicht derart beeindruckend punkten, wie sie dies auf kurvigen Landstraßen mit entsprechend großen Radien machen. Dort gibt es kein Halten mehr und nur das Fahrkönnen des Piloten und die Physik setzen dem Vortrieb Grenzen.

Der LP 640 Roadster kann immer, will immer und am besten noch etwas mehr. Der ambitionierte Fahrer genießt die schwere, aber präzise Lenkung ebenso wie die grandiosen Bremsen und ein Fahrwerk, das keine Nick- und Wankbewegungen kennt.

Die Drehzahl sollte im eigenen Interesse nicht unter 3500 bis 4000 Touren sinken. Hört sich zwar wenig vorbildlich an - aber unten herum ist der Lambo viel zu träge. Daher doch lieber die Blicke der vom Lärm genervten Umgebung in Kauf nehmen - in einem Lamborghini Murciélago LP 640 ist man eh immer der Aufreger. Im Guten wie nun mal auch im Schlechten. Dass so ein Rennwagen mehr als 280.000 Euro kostet, interessiert sowieso keinen - besonders nicht in Beverly Hills. Wo die leicht saturierten Stars denn auch nicht wirklich aus dem Häuschen waren.

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