Die Zukunft von Lamborghini:Mit Karacho in die Lücke

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Nach langer Leidenszeit hat Lamborghini unter VW-Regie eine Zukunft mit Konturen und neuen Facetten gewonnen. Alles ist nun möglich - wenn es sich rechnet.

Georg Kacher

Der Werdegang von Lamborghini war bestimmt von der meist schwierigen Wechselbeziehung aus dürfen, können und wollen.

Lamborghini
:Durch die Historie gerast

Nach langer Leidenszeit hat Lamborghini unter VW-Regie eine Zukunft mit Konturen und neuen Facetten gewonnen.

Der reiche Traktorenhersteller Ferruccio Lamborghini gründete 1963 eine Sportwagenmanufaktur - aber nicht nur, weil er mit seinen Ferrari in manchen Details unzufrieden war. Vielmehr kam er nach der Demontage diverser roter Konkurrenzfahrzeuge zu dem Schluss, dass man mit schnellen Sportwagen vermutlich noch mehr Geld verdienen kann als mit profanen Ackerschleppern.

Als Markenzeichen wählte der stämmige Bologneser einen angreifenden Stier, und unter der Regie von Giampaolo Dallara entstanden in der Folge Klassiker wie der 350/400 GT, der Miura mit V12-Mittelmotor, der ultraflache viersitzige Espada, die Frontmotor-Coupés Islero und Jarama, sowie der Urraco mit V8-Mittelmotor. Das letzte Produkt der Ferruccio-Ära war der kantige und keilförmige Countach, der wegen der Ölkrise nur mühsam in die Gänge kam.

Als die Banken Ferruccio und seinem Sohn Tonino den Geldhahn zudrehten, wurde das Unternehmen 1973 an die Schweizer Investoren Rosetti und Leimer verkauft. In den nächsten 15 Jahren wechselte die Marke öfter den Besitzer als es ihr gut tat. Unter Schweizer Regie kam zunächst der Silhouette auf den immer noch volatilen Markt, gleichzeitig begann die Entwicklung des Super-SUV LM 002 und die Mitarbeit am M1-Projekt von BMW.

Doch Lamborghini verzettelte sich, sollte erst an Walter Wolf verkauft werden, wechselte wenig später fast das komplette Management aus. Es half alles nichts. 1979 machten die deutschen Investoren Hahne/Neumann/Steinmetz ein Übernahmeangebot, konnten dann aber die nötigen Mittel nicht aufbringen und verkauften an den US-Unternehmer Zoltan Rety. Aber auch der sprang ab, die Firma musste Insolvenz anmelden.

Erst im Februar 1980 gelang mit dem Geld der Schweizer Mimram-Familie ein fulminanter Neuanfang. Technikchef Luigi Marmiroli und der Vertriebsprofi Ubaldo Sgarzi verdoppelten den Absatz und brachten mit dem Jalpa endlich wieder ein neues Modell.

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Trotzdem wurde Lamborghini 1987 an Chrysler verkauft. Obwohl den Amerikanern mit dem Diablo und dem F1-Engagement zwei medienträchtige Coups gelangen, ging das Unternehmen 1994 an die indonesische Megatech-Gruppe.

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Als neuer Chef wurde Mike Kimberly verpflichtet. Vom Diablo wurden zwar neue Varianten auf Band gelegt, doch die Autos aus Sant´Agata fuhren weiterhin tiefrote Zahlen ein. In seiner Verzweiflung wandte sich der Kimberly-Nachfolger Vittorio di Capua 1998 mit der Bitte an Audi, für ein neues Sportwagenmodell den 4,2 Liter-V8 und den Quattro-Allradantrieb zukaufen zu dürfen.

Sechs Monate später schluckte der VW-Konzern nach Bugatti auch Lamborghini. Werner Mischke wurde die neue Nummer eins von Audis Gnaden, Giuseppe Greco übertrug man die Geschäftsführung, Massimo Caccarani leitete die Technikabteilung, Luc Donckerwolcke das Design.

2003 wurden die erste Murciélago-Studie und der Gallardo V10 vorgestellt. Noch steckten im Flügelmonster viele Gene des Diablo, und ein Teil der Gallardo-Kostenlawine musste flugs auf den Audi R8 abgewälzt werden, doch die Herren Piëch und Winterkorn dachten längst über die nächste Lambo-Modellfamilie nach.

An der Via Modena entstanden daher zeitnah Entwürfe für einen neues Frontmotor-Coupé, für einen sportlichen Crossover und für einen viertürigen Sportwagen, der 2008 als Estoque-Konzept Premiere feierte. Mit Stephan Winkelmann an der Spitze sollte die Marke den Ur-Gedanken des Firmengründers wieder aufnehmen und Ferrari das Leben ein gutes Stück schwerer machen.

Die Modelle von heute, das ist unter anderem der Performante, dessen hier und dort etwas verwaschene Traditionalität fusioniert hat mit der aufrechten Verarbeitungsqualität der bayrischen Fugen-Fetischisten, der millionenfach getesteten Großserien-Ergonomie und der von Südländern oft versprochenen, aber selten gelieferten Verarbeitungsqualität.

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Zu den Lamborghinis von morgen gehört der Sesto Elemento, ein aus Karbon neu erfundener Federgewicht-Gallardo mit 1001-Nacht-Interieur. Oder die Evolution des Estoque als pragmatische Neuinterpretation des Espada, der so extrem war wie ein Metallkleid von Courrèges. Und natürlich der Aventador LP700-4, mit dem Lamborghini den Murciélago dramatisch neu erfindet.

Dürfen, können, wollen. Wir dürfen im Performante die letzten acht Sonderprüfungen der Monte abfahren. In der Dezembersonne ist es zwölf Grad warm, aber im Schlagschatten der Berge liegt noch ein Hauch Reif auf dem Asphalt. Performante heißt zehn PS mehr, ein Basispreis von 217.651 Euro und der Aufmerksamkeitswert eines bunten Hundes.

Alles ist um ein Vielfaches rabiater als im Gallardo: Dämpfer und Federn schockgefrostet, Reifen aus Gummipudding mit angedeutetem Restprofil, Fünf-Sterne-Spoilerwerk, Corsa-Spezialmenü mit extrem hurtiger Gangfolge beim Hochschalten.

Die Bremse taucht mit ihrem Bumerang-Effekt tief hinab in die Magengrube, der 570-PS-Motor saugt uns in 3,9 Sekunden von Null auf Hundert, der Allradantrieb verteilt das Drehmoment nach dem Anti-Zentrifugal-Prinzip. Genossen wird die um 65 Kilo abgespeckte relative Leichtigkeit entweder leicht verdünnt mit abgesenkter Heckscheibe oder pur mit offenem Verdeck.

Wir können auch berichten von der ersten Probefahrt im LB834, der auf dem Genfer Salon 2011 den Fehdehandschuh in die Runde werfen wird. Als Aventador LP700-4 soll das neue V12-Coupé mit Kohlefaserarchitektur im kleinen Revier der Supersportwagen wildern.

Die Eckdaten: 700 PS und 690 Nm aus 6,5 Liter Hubraum, 0 auf 100 km/h in 3,0 Sekunden, Spitze 350 km/h, Verbrauch 17,2 Liter. CO2-Emission? Na, ja. Erster Eindruck: mehr Platz, bessere Übersicht, noch aggressiveres Design, grelles Cockpit. Zweiter Eindruck: ein Rennwagen mit Strassenzulassung.

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Stefan Grundhoff

Die Zukunft von Lamborghini hat seit der Übernahme durch VW an Konturen und Facetten gewonnen. Gleichzeitig begrenzt Bugatti das Spektrum nach oben, Porsche macht nach unten die Räume eng, Audi deckt mit dem Audi R8 GT - Abseits der Autobahn die Flanken ab.

Doch noch gilt der Status quo. Die Italiener haben ihre Hausaufgaben gemacht, den Aventador auf die Reise geschickt und den Gallardo-Nachfolger definiert. Die nächsten drei, vier Jahre bringen daher kaum Überraschungen: der Aventador kommt als Roadster und als Superveloce, der Gallardo II als Coupé, Spyder und vermutlich auch als Leichtbauvariante mit Heckantrieb.

Dabei spielt Karbon im Verbund mit Alu eine immer wichtigere Rolle, dem Plug-In Hybrid werden sich die Italiener nicht auf ewig verschließen, und auch das Comeback eines Lamborghini V8 mag sinnvoll sein.

Doch zunächst konzentriert sich alles auf V10 und V12, man macht man sich Gedanken über Aufladung, und der zweitürige Porsche Cajun könnte einem LM003 den Weg ebnen, oder der nächste Panamera der Reinkarnation des Estoque.

Der Modulare Standardantrieb-Baukasten (MSB) und das Modulare Sportwagen System (MSS) entstehen zwar federführend in Weissach, doch Lamborghini hat ebenso Zugang zu allen diesen Architekturen und Komponenten wie Audi oder Bentley.

Im Konzernverbund ist alles möglich - vorausgesetzt, es passt zur Marke. Und es rechnet sich.

© SZ vom 20.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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