Kompaktwagen im Fahrbericht:Mit dem neuen Focus will Ford "alle weghauen"

Der neue Ford Focus Fünftürer fährt über eine Landstraße. Copyright Ford, Online-Rechte frei

Der neue Ford Focus kostet in der Basisversion 18 700 Euro.

(Foto: Ford)

Das könnte gelingen, denn er ist dynamisch, geräumig und bietet sehr viele Assistenzsysteme. Doch beim Trendthema Elektrifizierung versagt das Auto.

Von Peter Fahrenholz

Bei Autopräsentationen ist man es gewohnt, dass die Hersteller gerne mit Superlativen für ihr neues Modell um sich werfen. Das gehört irgendwie zum Grundrauschen einer ohnehin selbstbewussten Branche dazu, an das sich alle Beteiligten gewöhnt haben. Manchmal schimmert hinter der Marketingroutine aber auch echte Begeisterung durch, und dann weiß man: Hier geht es nicht nur um irgendwelche technischen Neuerungen, hier geht es um ein ganz wichtiges Auto. Ein Auto, das auf keinen Fall floppen darf, weil von ihm die ganze Unternehmensbilanz abhängt. Ein Auto wie der Ford Focus.

Im September kommt der neue Focus auf den Markt, kein Facelift, kein mit technischen Neuerungen versehener Nachfolger seines Vorgängers, sondern eine komplette Neuschöpfung. Man habe mit einem weißen Blatt Papier angefangen, sagen die Ford-Leute, was insofern keine sonderlich revolutionäre Botschaft ist, weil vermutlich jede erste Skizze eines neuen Modells mit einem weißen Blatt Papier beginnt. Und was ist dabei herausgekommen? "Ein Klasse-Auto", schwärmte Ford-Verkaufschef Hans-Jörg Klein bei der Präsentation Anfang dieser Woche in Krefeld. "Das ist der beste Ford aller Zeiten." Und dem Focus-Chefentwickler Alf Kaufmann, rutschte während der Aufzählung der technischen Neuheiten, die auch deshalb so lange dauerte, weil es relativ viele Neuheiten sind, mit Blick auf die Konkurrenz der Satz heraus: "Sie sehen, dass wir die alle weghauen."

Tatsächlich hat Ford für die Entwicklung des Focus, der auf einer neuen Plattform steht, sehr viel Geld in die Hand genommen. 600 Millionen Euro wurden in das Focus-Werk in Saarlouis investiert. Herausgekommen ist ein Auto, das in jeder Hinsicht besser ist als sein Vorgänger. Da werden die Mitbewerber, vor allem die bei VW, schon genau hinschauen müssen.

Das fängt beim Äußeren an. Vom Design her erinnert der neue Focus an die A-Klasse von Mercedes, was nicht das Schlechteste sein muss. Obwohl der neue Focus nur etwas länger und breiter geraten ist als der alte, bietet er innen mehr Platz, was vor allem den Passagieren im Fond zugute kommt. Der Kombi ist um zehn Zentimeter gewachsen und hat jetzt deutlich mehr Ladevolumen.

Bei den Benzinmotoren setzt Ford weiter konsequent auf Downsizing. Es gibt für den Focus ausschließlich Dreizylinder-Ottomotoren, mit denen Ford sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Bei geringer Belastung des Motors wird ein Zylinder automatisch abgeschaltet, um Kraftstoff zu sparen. Die Benziner werden als 1,0-Liter- oder 1,5-Liter-Triebwerk angeboten, die Leistungspalette reicht von 85 bis 182 PS. Beim Diesel bietet Ford zwei 1,5-Liter-Vierzylinder mit 95 oder 120 PS und einen 2,0-Liter-Vierzylinder mit 150 PS an.

Fahrdynamisch war der Focus schon bisher ein sehr aktives Auto. Soweit sich das nach ersten Testfahrten am Niederrhein mit seinen vielen schnurgeraden Straßen und wenigen Kurven beurteilen lässt, muss man beim neuen Focus in Sachen Fahrspaß keinerlei Abstriche machen. Der 120-PS-Diesel harmoniert sehr gut mit der neu entwickelten Acht-Gang-Automatik. Der 125-PS-Benziner stand als Testwagen nur mit Sechs-Gang-Schaltgetriebe zur Verfügung, das sich präzise schalten lässt. Beide Motoren sind für ein Fahrzeug dieser Größen- und Gewichtsklasse ausreichend spritzig und elastisch, auch bei Überholvorgängen hat man nicht das Gefühl, untermotorisiert zu sein.

Mehr als 30 Assistenzsysteme

Doch der wahre Kampf um den Kunden, das zeigt der Focus, wird künftig auch in der Kompaktklasse nicht mehr bei Motoren und Getrieben, also der klassischen Ingenieurskunst, geführt werden. Sondern er wird sich bei der Elektronik abspielen, bei Assistenzsystemen und der Verbindung des Autos mit dem Internet. Hier findet ein regelrechtes Wettrüsten der Hersteller statt, und Ford hat beim neuen Focus besonders stark aufgerüstet. Nach Ford-Angaben hat der neue Focus mehr als 30 Assistenzsysteme an Bord, die meisten davon natürlich aufpreispflichtig.

Glanzstück ist eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Verkehrsschilderkennung und Abstandsregelung. Das bedeutet, dass sich das Auto, wenn das System aktiviert wird, automatisch den jeweiligen Tempolimits anpasst, also von selbst bremst oder beschleunigt und immer den vorher gewählten Abstand zum Vordermann einhält. Auch ein automatisches Ein- und Ausparksystem - bei dem man, sofern man das Automatik-Getriebe wählt, nur noch einen Knopf gedrückt halten muss, alles andere macht der Wagen selbst -, kann geordert werden. Doch während man in einem Auto sitzt, das wie von Geisterhand abbremst und Gas gibt und automatisch einparkt, drängt sich die Frage auf: Braucht man das alles wirklich?

Die Preise beginnen bei 18 700 Euro, aber wer eine der höheren Ausstattungslinien noch mit diversen Sonderpaketen erweitert, landet schnell in der Gegend von 35 000 Euro.

Ein gelungener Wurf für die nächsten Jahre also? Nein, nicht ganz. Denn bei der Elektrifizierung bietet der Focus auch am Schluss nur ein weißes Blatt. In zwei Jahren soll es einen Mild-Hybriden mit 48 Volt geben. Ansonsten: Fehlanzeige. Kein Plug-in-Hybrid, kein reines Batterieauto. "Ein vollelektrisches Auto wird der Focus niemals sein", so Verkaufsdirektor Klein. Unbegreiflich angesichts der Milliarden, die die Konkurrenten in die Elektrizifizierung ihrer Fahrzeugflotte stecken. Von den Chinesen gar nicht zu reden.

Aber Ford ist nun mal ein US-Unternehmen, da können die europäischen Filialen fordern, was sie wollen. Wie gering ihr Spielraum ist, zeigt auch ein anderes Detail. Den stärksten Benziner mit 182 PS wird es in Deutschland nicht mit Automatikgetriebe geben. Lohnt sich wegen zu geringer Verkaufserwartungen nicht, finden die Konzernstrategen.

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