Kommentar:Wo der Staat anschieben muss

Kommentar: Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte.

Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte.

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Straßen, Schienenwege und Flughäfen als Vorbild: Auch bei der E-Mobilität muss der Staat die Infrastruktur ausbauen.

Von Peter Fahrenholz

An politischen Bekenntnissen zum Ausbau der Elektromobilität fehlt es in Deutschland nicht, sie gehören praktisch in jede Sonntagsrede. Doch die Wirklichkeit hinkt den Beteuerungen weit hinterher. Das selbst gesteckte Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen zu bringen, ist längst völlig unrealistisch geworden. Nach Jahren weitgehender Kleckerei mit allen möglichen Schaufensterprojekten will die Politik jetzt endlich klotzen, um dem Nischenprodukt E-Auto zum Durchbruch zu verhelfen. Doch sie zäumt das Pferd dabei von hinten auf. Denn die Frage, ob direkte Kaufprämien helfen können, die Verkaufszahlen nach oben zu treiben, ist ein Nebenkriegsschauplatz und zu Recht höchst umstritten. Warum der glänzend verdienenden Autoindustrie Milliarden an Steuergeldern in den Rachen geschoben werden sollen, können auch die Autobosse nicht begründen.

Ohne ein ausreichendes Ladenetz haben E-Autos keine Chance

Stattdessen müssten sich die Politiker mal eine ganz einfache Frage stellen: Würde es den Auto-, Eisenbahn- und Flugverkehr in seiner heutigen Dichte und Vernetzung geben ohne gewaltige staatliche Investitionen in Straßen, Schienenwege und Flughäfen? Wohl kaum. Das bedeutet, wenn der Staat Geld in die Hand nehmen will, um einen Schub für die Elektromobilität auszulösen, dann muss er es in den Ausbau der Infrastruktur stecken. Ohne ein zuverlässiges und flächendeckendes Netz an Ladestationen können E-Autos noch so billig sein, sie werden sich nicht durchsetzen.

Dieser Ausbau muss in den Städten beginnen. Denn weder die Reichweiten der Batterien noch die Ladezeiten beim Stromtanken sind bereits langstreckentauglich. Für den Kurzstreckenverkehr in der Stadt sieht das ganz anders aus. Hier sind nicht nur die reinen Elektroautos eine attraktive Alternative, sondern auch die Zwitter, die viele Hersteller inzwischen als Zwischenlösung anbieten: die sogenannten Plug-in-Hybride, wo ein Elektromotor zur Unterstützung des Verbrenners mit an Bord ist. Die versprochene rein elektrische Reichweite dieser Hybride liegt bei bescheidenen 30 bis 40 Kilometern. Wer so ein Auto in der Stadt rein elektrisch bewegen will, braucht ein Netz an Ladesäulen, denn die heimische Steckdose nützt dem städtischen Laternenparker herzlich wenig.

Hier muss der Staat für die Initialzündung sorgen, und sie wird Milliarden kosten. Denn um genügend Schnellladestationen zu schaffen, werden Investitionen ins Stromnetz nötig sein. Gleichzeitig müssen über steuerliche Anreize andere mit ins Boot geholt werden: Wohnungsbauunternehmen mit ihren Tiefgaragen, kleinere und größere Firmen, die ihre Mitarbeiter- und Kundenparkplätze bestücken müssen, die Energiewirtschaft, die sich beteiligen muss, weil sie irgendwann mit dem Stromtanken Geld verdienen kann. Für die Städte ist eine rasche Elektrifizierung des Autoverkehrs aber auch aus Umweltgründen lebenswichtig. Die hohen Stickoxidwerte an vielen Stellen erzwingen ein schnelles Umsteuern. Sonst drohen Fahrverbote.

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