Kommentar:Klimaschutz im Kreisverkehr

Die politischen Eliten des Westens haben ein neues Lieblingsthema entdeckt: Die Rettung des Planeten per Klimaschutz. Ob in Davos, Washington oder Berlin, auf einmal reden sie alle über Treibhausgase. Das Problem ist nur: Reden alleine ändert wenig.

Alexander Hagelüken

Beim ersten Realitätstest erweist sich jetzt, dass viele Politiker Klimaschutz als reine Plauderübung verstehen. Im Streit um die Abgase europäischer Autos formieren sich wieder die alten Koalitionen, die schon früher den Kampf gegen die Erderwärmung verhindert haben.

Dabei sollte unstrittig sein, dass sich auf Europas Straßen etwas ändern muss. Während die klimaschädlichen Emissionen in der EU insgesamt zurückgehen, blasen die Autos immer mehr Abgase in die Luft. Der Brüsseler Umweltkommissar Stavros Dimas will deshalb scharfe Gesetze erlassen, weil die Hersteller ihre Selbstverpflichtung zum Umweltschutz verfehlen. Doch der deutschen Autoindustrie gelang es binnen weniger Tage, ihre Versäumnisse vergessen zu machen.

Auf einmal ist nur von zehntausenden Arbeitsplätzen die Rede, die Dimas' Vorstoß in Deutschland angeblich kosten würde. Gewerkschafter rufen zum Widerstand auf. Und die Bundesregierung sekundiert, als säße der Autokanzler Schröder auf dem Chefsessel statt der früheren Umweltministerin Merkel. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso lässt sich von dieser ganz großen Koalition beeindrucken: Dezent rückt er von seinem grünen Kommissar Dimas ab.

Es droht: ein fauler Kompromiss

Es handelt sich also um ein Musterbeispiel für politisches Lobbying, das zu Lasten der Umwelt gehen könnte. Jetzt droht ein fauler Kompromiss, der die Autohersteller aus der Pflicht entlässt: Ökofahrtraining, Telematik, Tempolimits - ein Sammelsurium kleinteiliger Ideen, deren Erfolg schwer nachprüfbar ist. Ob EU Gelder auf Sizilien wirklich in den Ausbau des Kreisverkehrs fließen - wer will das nachprüfen. Mit solchen Luftbuchungen wird der Temperaturanstieg auf der Welt nicht aufgehalten.

Es ist Ausdruck alten Denkens, dass es den Lobbyisten glückte, das Abgasthema zum Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie zu stilisieren. Dies beweist, dass die Klimadebatte trotz aller prominent besetzter Foren und Kongresse noch nicht zum Kern des Problems vorgedrungen ist. Bei der Aufheizung der Erde handelt es sich längst um kein rein ökologisches Problem mehr.

Denn wenn weiter zu wenig geschieht, steht nicht nur Europa vor einer gewaltigen ökonomischen Bedrohung. Nicholas Stern, ehemals Chefvolkswirt der Weltbank, rechnet es vor: Es käme weit billiger, den Klimawandel zu bremsen, statt für die Folgeschäden wie Überschwemmungen oder Dürren das Portemonnaie zu öffnen. Die Logik der Ökonomie hätte jetzt auf die Abgasregel angewendet werden müssen.

"Umwelt kontra Arbeitsplätze" ist Unsinn

Es gibt noch einen zweiten wirtschaftlichen Grund, die europäischen Autohersteller zum Benzinsparen anzuhalten. Wer als Erster die neuen Technologien entwickelt, kann sie als Erster auch in den USA und Asien verkaufen. Gerade die deutsche Autoindustrie kann solche Anreize gebrauchen. Beim Katalysator oder Rußfilter reagierte sie auch erst, als sie die Politik den Druck erhöhte.

Erst wenn sich die Akteure vom unsinnigen Gegensatz Umwelt versus Arbeitsplätze lösen, lässt sich ein gutes EU-Gesetz formulieren. Natürlich wäre es falsch, den deutschen Luxusmarken die selben Abgaswerte vorzuschreiben wie italienischen Kleinwagen.

Das hat auch kein Kommissar gefordert. Aber die Lobby liebt ihre Mythen - und torpediert damit einen Klimaschutzplan, der die Autohersteller fordern sollte, ohne sie zu überfordern. Kommissionspräsident Barroso vergibt so die Chance, Brüssel als Avantgarde einer neuen Umweltpolitik zu etablieren. Und Angela Merkel? Wollte Klimaschutz zum Schwerpunkt ihrer EU-Präsidentschaft erheben. Offenbar hat sie den Plan schon aufgegeben, bevor der erste Monat ihrer Amtszeit endet.

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