Kommentar:Das Ende der Selbstherrlichkeit

Kommentar: Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker.

Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker.

Ford hat seinen Chef gefeuert: Mit Mark Fields ist nicht nur ein Manager gescheitert, sondern eine bestimmte Denkhaltung.

Von Joachim Becker

Das autonome Fahren fordert sein erstes Opfer, bevor es überhaupt angefangen hat: Mark Fields verliert seinen Job als Ford-Chef, weil die Rendite zu klein und die Investitionen in die Zukunft fragwürdig waren. Quartalsergebnisse zählen für die Ford-Aktionäre mehr als vage Aussichten auf selbstfahrende Autos und lokal emissionsfreie Antriebe. "Gegenwart zuerst!" könnte man unter diese Personalie schreiben und sie in der Rubrik "gute Haushaltsführung" einordnen. Mit Fields ist aber nicht nur ein Manager gescheitert, sondern eine bestimmte Denkhaltung in der Autoindustrie. Und das ist erklärungsbedürftig.

Im Gegensatz zu seinem Nachfolger Jim Hackett hat sich Fields 30 Jahre lang bei Ford hochgearbeitet. So etwas färbt ab. Bisher war es üblich, Autokonzerne wie kleine Königreiche zu führen: Alle Macht der Marke und dem Konzernvorstand. Partnerschaften wurden meist aus einer Position der Stärke geschlossen. Typisch ist die Milliarden-Investition in das Start-up Argo AI, an dem Ford gerade die Mehrheit übernommen hat. Die Konzernbosse aus Detroit wollen auch in Zukunft die Spielregeln bestimmen - selbst bei einem Thema wie der künstlichen Intelligenz. Dabei verkennen sie, dass sich die Welt längst anders dreht.

Tesla darf Geld verbrennen, die Traditionsmarke Ford nicht

Das alte Autouniversum steuert auf unruhige Zeiten zu, weil die Geschäfte künftig von neuen Gravitationszentren bestimmt werden. Bei der Elektromobilität dreht sich vieles um die wenigen weltweit führenden Batteriehersteller. Beim autonomen Fahren wird die Software-Architektur mindestens so wichtig wie die Hardware auf vier Rädern. Und die künstliche Intelligenz dürfte ohnehin zum zentralen Betriebssystem einer neuen Zeit werden. Viele Führungskräfte bei Ford haben das erkannt. Sie wollten sich an die Spitze der Branche setzen. Aber ihnen fehlte der nötige Rückhalt in der Unternehmenskultur und Aktionärsstruktur.

Die Situation gleicht den ehemaligen Kolonialstaaten: Sie träumen rückwärtsgewandt von einstiger Größe und Bedeutung. Wenn es darum geht, sich neu zu erfinden, ist das wenig förderlich. Ford wollte es wie gehabt alleine schaffen - und ist erst einmal gescheitert: Im Wettlauf gegen Google/Waymo und die traditionell innovationsstarken deutschen Marken. Das wird den Top-Managern der Branche eine Warnung sein. Ob sie wollen oder nicht: Ohne agile (Tech-)Partner wird kein Autohersteller die vielfältigen Anforderungen der nächsten Dekade erfüllen.

Umdenken ist also angesagt in der einst so selbstherrlichen Autoindustrie. Da hat es Tesla mit der konsequenten Ausrichtung auf neue Technologien leichter als Traditionshersteller, die ihren Supertanker erst einmal wenden müssen. Tesla und die chinesischen Start-ups dürfen noch eine Zeit lang Geld verbrennen und einfach alles ausprobieren. Ford darf das nicht. Auch die deutschen Marken müssen alle Zukunftsinvestition aus eigener Kraft stemmen. Bisher hat das erstaunlich gut geklappt. Doch wem jetzt die Puste ausgeht, der könnte schon bald abgeschlagen ganz hinten landen.

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