Klimaschutz:Blockade bei Autoabgasen

Berlin und Paris sind gegen schärfere Abgaswerte für Vans und Lieferwagen - aus Rücksicht auf heimische Autoindustrien. Elf Prozent aller Neuzulassungen in der EU wären betroffen.

Cerstin Gammelin

Aus Rücksicht auf die heimische Autoindustrie blockieren die Regierungen in Berlin und Paris ambitionierte Abgasvorschriften für Vans und Lieferwagen.

Klimaschutzpaket der EU

Klimaschutz: Das EU-Parlament will sich nicht mit verwässerten Zielen zufrieden geben.

(Foto: dpa)

"Wir sind überrascht, wie eifrig Deutschland und Frankreich versuchen, alle auf dem Tisch liegenden Vorschläge zu verwässern", sagte ein belgischer Regierungsvertreter der Süddeutschen Zeitung. Belgien sitzt der Europäischen Union derzeit als Ratspräsident vor und leitet damit die Verhandlungen zur Einführung von Kohlendioxid-Grenzwerten für leichte Nutzfahrzeuge.

Die Regierungen in Berlin und Paris "verhindern gemeinschaftlich jeden Fortschritt", sagte der Belgier weiter. Man habe nicht erwartet, dass ausgerechnet die zwei größten europäischen Länder, die für die Europäische Union stets eine Führungsrolle im internationalen Klimaschutz reklamieren, drei Wochen, bevor die Weltklimakonferenz im mexikanischen Cancun beginnt, selbst zu Blockierern werden.

"Wenn es darum geht, Absichtserklärungen praktisch umzusetzen, ist keiner bereit, sich zu bewegen", hieß es am Dienstag in Brüssel.

Vor einem Jahr schlug die Europäische Kommission vor, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid für leichte Nutzfahrzeuge zu begrenzen. Das soll Hersteller motivieren, moderne Antriebstechnologien zu entwickeln und zugleich die europäischen Klimaziele zu erfüllen. Bis 2020 will die EU die Emissionen mindestens um ein Fünftel im Vergleich zu 1990 reduziert werden.

Leichte Transporter werden vor allem von Handwerkern, Kurierdiensten und Einzelhändlern genutzt. Auf sie entfallen knapp zwei Prozent aller Emissionen in Europa. Lieferwagen machten 2008 elf Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge aus. Die größten Hersteller sind Renault, Peugeot, Volkswagen, Daimler und Fiat.

Einmal mehr: erfolgreiche Lobbyarbeit

Die Behörde schlug vor, die Emissionen in zwei Schritten zu reduzieren. Derzeit stoßen die Wagen durchschnittlich 190 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenem Kilometer aus. Dieser Wert sollte bis 2015 auf 175 Gramm und bis 2020 auf 135 reduziert werden. Diese Emmissionsgrenze ist allerdings nur ein Richtwert, der für den Durchschnitt aller von einem Hersteller produzierten Fahrzeuge gilt.

Die Autoindustrie intervenierte umgehend. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte, die Einführung des ersten Grenzwertes auf 2018 zu verschieben. Das für 2020 vorgesehene Limit müsse komplett aufgegeben werden, es sei "vollkommen unrealistisch", schrieb der VDA in einer Stellungnahme.

Inzwischen ist der Verband zufriedener. Es sei gelungen, "einer Mehrheit in der Politik klarzumachen, dass wir realistische Ziele benötigen", hieß es auf Anfrage.

Tatsächlich ist von dem ursprünglichen Ziel von 135 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenem Kilometer für 2020 keine Rede mehr. Die Bundesregierung plädiert für 155 Gramm, wird dabei allerdings nur von Frankreich, Italien und drei kleineren Ländern unterstützt, in denen ebenfalls Autos hergestellt werden.

Ihnen gegenüber steht eine Gruppe von zehn Ländern, die strengere Vorschriften fordern. Die belgische Ratspräsidentschaft schließt nicht mehr aus, dass sich die europäischen Regierungen letztendlich auf einen Grenzwert einigen, "der vollkommen nutzlos ist, weil er keine technologischen Verbesserungen bringt". Die Autohersteller müssten praktisch nichts tun.

Das EU-Parlament will sich nicht mit der verwässerten Grenzwerten zufrieden geben. "Die EU kann nicht international auf harte Klimaschutzziele dringen und zu Hause die Industrie schützen wollen. Wir brauchen ambitioniertere Ziele, sonst verlieren wir die Technologieführerschaft und verkaufen am Ende gar keine Fahrzeuge mehr", fordert der EU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz (CDU), Berichterstatter zum Klimaschutz. Lenkten die Regierungen in Paris und Berlin nicht ein, werde die EU kaum noch glaubwürdig bleiben können.

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