Klimaschutz-Debatte heizt sich weiter auf:Köhler greift deutsche Autobauer an

Der Bundespräsident hat sich erneut mit heftiger Kritik zu Wort gemeldet. Sein Ziel: die Autoindustrie. Diese poltert zurück: "Wir sind keine Sozialhilfestation".

Bundespräsident Horst Köhler hat die deutsche Automobilindustrie scharf kritisiert. Sie habe mit Blick auf die ökologische Entwicklung dieser Erde kein Ruhmesblatt geschrieben, sagte er der Wochenzeitung Die Zeit.

Klimaschutz-Debatte Bundespräsident Horst Köhler greift deutsche Autobauer an Audi

Der Dienstwagen des Bundespräsidenten: ein Audi A8.

(Foto: Foto: dpa)

Ähnlich wie bei der Einführung des Katalysators müsse sich die Industrie die Frage gefallen lassen, warum sie Selbstverpflichtungen eingehe und dann wiederholt nicht halte. "In jedem Fall werden die Manager klug genug sein, jetzt die Entwicklung voran zu treiben und die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um deutsche Autos und Motoren umweltfreundlich zu machen", sagte Köhler.

"Offensichtlich hat die Selbstverpflichtung nicht funktioniert. Und der Staat hat keinen Mumm gehabt, etwas deutlichere Vorgaben zu machen", kritisierte der Bundespräsident weiter. Seiner Meinung nach müssen Unternehmen und Staat sich Gedanken machen, wie man Kundenwünsche so weckt und handhabt, dass sie mit Umweltzielen vereinbar sind.

"Der Staat darf sich nicht scheuen, vorausschauend Ziele zu setzen, und die Industrie muss darauf antworten. Der Markt allein wird es nicht richten", sagte Köhler.

Harte Worte in Ingolstadt

Die Industrie hat derweil die anhaltende Kritik von Politik und Umweltschutz zurückgewiesen - mit harten Worten meldete sich der neue Audi-Chef Rupert Stadler zu Wort: "Wir sind keine Sozialhilfestation, wir sind ein Wirtschaftsunternehmen."

Die deutschen Hersteller lebten insbesondere von der Produktion großer, sportlicher Fahrzeuge, erklärte Stadler am Mittwoch bei der Vorstellung der Audi-Jahresbilanz 2006. Das von der EU-Kommission vorgegebene Ziel von 120 Gramm Kohlendioxid je Kilometer im Flottendurchschnitt sei für einen Hersteller wie Audi schon rein physikalisch nicht machbar. Stadler: "Sie können die Physik nicht betrügen. Ich kenne keinen David Copperfield in der Automobilindustrie." Tonnen schwere Oberklassefahrzeuge könnten auf dei vorgegebene Weise nicht angetrieben werden.

Für das geforderte Umdenken in Sachen Klimaschutz zeigte er wenig Verständnis: "Das Thema Co2 ist nun hinreichend plattgetreten in der Öffentlichkeit, die Gesellschaft wird in einigen Wochen wieder auf den Boden der Realität zurückkehren", sagte Stadler. "Wir brauchen Mobilität und wir leben von der Mobilität."

Bütikofer: "Branche verschläft Trends"

Stadler betonte, beim Klimaschutz keine Furcht vor Konsequenzen der EU-Kommission zu haben. "Brüssel wird sich drei Mal überlegen, ob sie uns ärgern wollen", sagte der Audi-Chef. Er bedauere, dass die Klimaschutzdiskussion nur im Umweltausschuss der EU-Kommission geführt werde und nicht im Gremium für Industriepolitik. Es mache keinen Sinn in der Klimaschutz-Diskussion die deutsche Autoindustrie zu verteufeln. "Wenn sie die drei Tophersteller Audi, BMW und Mercedes verbannen, haben Sie 1,5 Prozent weniger CO2, aber Sie machen die Industrie kaputt." Die Meinung, Hybridantriebe seien besser als die Motoren der deutschen Hersteller sei "Humbug", sagte Stadler.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Frankfurt entgegnete der Rüge Köhlers: "Allein in den letzten 15 Jahren ist es gelungen, den Kraftstoffverbrauch neu zugelassener Fahrzeuge um durchschnittlichweitere 25 Prozent zu senken ­ eine Reduzierung, die ihres gleichen bei den Wettbewerbern sucht". Die Autoindustrie könne bei der Reduzierung von Schadstoffen "mit großem Selbstbewusstsein eine langjährige Erfolgsbilanz vorweisen". Man werde "offensiv" auf klimapolitische Herausforderungen reagieren.

Die Grünen begrüßten die Kritik des Köhlers. "Der Präsident hat Recht", erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer und sprach von einem "Weckruf" Köhlers."Sinneswandel tut Not", betonte er mit Blick auf die Autoindustrie. Diese verschlafe wichtige Trends der Branche. Damit schade sie "der Klimapolitik, der notwendigen ökologischen Innovation und ganz sicher sich selbst".

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