Kleinwagen im Test:Ziemlich oldschool, der neue Kia Rio

Kräftiger Motor, geräumiger Innenraum, agiles Fahrwerk: Der VW-Polo-Konkurrent hat eigentlich alles, was man braucht. Doch der Test zeigt: Er ignoriert den Trend zum digitalen Auto.

Von Thomas Harloff

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Der neue Kia Rio

Quelle: Kia Motors

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Es drängt sich zurzeit der Eindruck auf, die Autoindustrie hätte nichts mehr anderes zu bieten als SUVs oder Abwandlungen von SUVs, gemeinhin Crossover genannt. Umso erfrischender ist es, wenn sich doch mal ein Hersteller traut, ein ganz klassisch konstruiertes Modell auf den Markt zu bringen. Der neue Kia Rio ist so ein Auto. Ein Kleinwagen, gut vier Meter lang, Polo-Größe also. Nett gestaltet ist er obendrein, "ganz schick", "recht dynamisch", "gut proportioniert", sagen Menschen, die den Kia Rio intensiver betrachten. Das Design scheint anzukommen, freilich sind diese Kommentatoren nicht ansatzweise repräsentativ.

Der neue Kia Rio

Quelle: Kia Motors

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Doch meist schwingt in der Einschätzung dieses "...für einen Kia" mit. Das leicht Abschätzige, mit dem vornehmlich Billigautos oder solche mit zweifelhaftem Ruf beurteilt werden. Billig, das waren Kias vor vielen Jahren einmal. Heute kostet so ein Koreaner wie der Rio 11 690 Euro. Als Attract-Einstiegsmodell, das zwar etwas Ausstattung bietet, aber nur mit dem 84 PS starken Basisbenziner erhältlich ist. Wer sich beim Kia-Händler den Testwagen mit 120-PS-Topmotor in der am besten bestückten und metallic-lackierten Platinum Edition (unter anderem mit 17-Zoll-Rädern, Navigationssystem und mit nachgeahmtem Leder bezogenen Sitzen) bestellen würde, ist 21 810 Euro los. Sparpreise sehen anders aus.

Der Kofferraum des neuen Kia Rio.

Quelle: Kia Motors

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Je höher die Kosten, umso höher die Ansprüche. Zum Beispiel an den Innenraum. In Bezug auf das Platzangebot übertrifft der Kia Rio die Erwartungen. Er beweist, dass ein Kleinwagen keine kastige SUV- oder Van-Optik braucht, um vier Erwachsenen ausreichend Platz zu bieten. Der Gepäckraum schluckt im Normalfall 325 Liter, das liegt deutlich über dem Klassenschnitt. Bei umgeklappten Rücksitzen und dachhoher Beladung sind es 980 Liter.

Das Cockpit des neuen Kia Rio.

Quelle: Kia Motors

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Leider ist die Inneneinrichtung nicht so wohnlich, wie sie praktisch ist. Einige wenige metallisch aussehende Accessoires schaffen es nicht, vom kratzempfindlichen, speckig glänzenden Hartplastik abzulenken. Und warum nicht Stoffsitze nehmen statt Lederimitat, dessen Gaukelei auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist?

Ergonomisch leistet sich der neue Kia Rio nur kleine Schwächen. So könnte der zentrale Sieben-Zoll-Touchscreen weiter Richtung Fahrer gedreht sein, damit er dessen rechte Bedienleiste besser erreichen kann. Und die Regelung für die Klimaanlage könnte einen Tick höher liegen. Sonst sitzen alle Tasten und Knöpfe dort, wo sie sitzen sollen. Auch die beiden Bedieneinheiten im serienmäßigen Multifunktionslenkrad geben keine Rätsel auf.

Der Sieben-Zoll-Touchscreen des neuen Kia Rio.

Quelle: Kia Motors

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Ein bisschen Interaktion mit dem Smartphone gibt es auch. In der Basisversion nur per USB- und AUX-Anschluss, ab der Spirit-Ausstattung (kostet mit dem 120-PS-Motor 19 290 Euro) auch per Bluetooth. Apple Carplay und Android Auto gibt es ebenfalls. Eine feine Sache, da sich mit diesen Systemen beispielsweise navigieren und Internetradio hören lässt. Blöd nur, dass es beides nur in Kombination mit dem festinstallierten Touchscreen gibt. Doch warum sollte man sich von seinem Smartphone ans Ziel lotsen lassen oder darüber Internetradio hören, wenn im Auto bereits ein Navi und digitaler Radioempfang installiert sind? Sinnvoller wäre es, Apple Carplay und Android Auto mit dem günstigeren Infotainmentsystem zu koppeln, doch Kias Aufpreispolitik verhindert das.

Der Einliter-Dreizylinder-Benzinmotor des neuen Kia Rio.

Quelle: Kia Motors

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Auch der Dreizylinder-Turbomotor mit 120 PS und maximal 172 Newtonmetern kostet extra. Es gibt das Triebwerk auch in einer 100-PS-Variante, die bei vergleichbarer Ausstattung 700 Euro billiger ist. Aber der Aufpreis lohnt sich. Zwar liegen die Fahrleistungen nicht weit auseinander (vier km/h in der Endgeschwindigkeit und eine halbe Sekunde beim Null-auf-Hundert-Sprint). Der Motor ist in der stärkeren Version dennoch ein Paradebeispiel dafür, welches Niveau ein solches nur einen Liter großes Motörchen inzwischen erreichen kann. Die für Turbomotoren charakteristische Lethargie im ganz tiefen Drehzahlbereich ist kaum zu spüren und lässt ab 1500 Touren schnell nach. Mit 120 PS beschleunigt der Rio kräftig und zieht bis zur Höchstgeschwindigkeit gut durch. Und je schneller er fährt, umso weniger hört man das typische Dreizylinderbrummen. Überhaupt ist er ein leises Auto, das auf der Autobahn nur geringe Windgeräusche erzeugt. Aber es ist kein besonders sparsames: Niedriger als 6,9 Liter im Schnitt hätte der Testverbrauch gerne ausfallen dürfen. Laut Kia sollen es nur 4,7 Liter sein.

Der neue Kia Rio

Quelle: Kia Motors

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Ein Grund für die Spritzigkeit des 120-PS-Motors ist das an ihn gekoppelte Getriebe: Im Gegensatz zur Version mit 100 PS hat es nicht nur fünf, sondern sechs Gänge. Was wie eine Randnotiz erscheint, ist ein echter Vorteil, da die unteren Gänge mit ihrer kurzen Abstufung beim Beschleunigen die nötige Kraft aus dem kleinen Hubraum herauskitzeln und der lange sechste Gang auf Autobahn und Landstraße beim Spritsparen hilft. Allerdings dürfte der Schalthebel präziser durch die Gassen gleiten. Es hakt einfach hin und wieder beim Gangwechsel.

Der neue Kia Rio

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Auch beim Fahrwerk gilt das Motto: "Im Prinzip gut, aber..." Es macht Laune, den Rio mit der präzisen Lenkung in die Kurven zu steuern. Weil die straff gefederten Räder detailliert mitteilen, was unter ihnen so los ist. Weil das Fahrverhalten berechenbar ist. Weil dieses Auto zweifellos eines der dynamischsten in seiner Klasse ist. Aber es ist auch eines der unkomfortabelsten. Das Fahrwerk ist so hart, als hätten es die Mitglieder eines Tuningclubs und nicht kompromissbereite Ingenieure abgestimmt. Das könnte nerven auf Dauer.

Der neue Kia Rio

Quelle: Kia Motors

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Dass der Kia Rio ein Fahrer- und Fahrspaßauto sein will, zeigt auch die überschaubare Anzahl an elektronischen Assistenzsystemen. Serienmäßig gibt es nur ein Stabilitätsprogramm mit Gegenlenkunterstützung und ABS, die Standards also. Ein Notbremsassistent mit Fußgängererkennung und eine Funktion, die optisch und akustisch vor dem Verlassen der Spur warnt, sind erst ab der Spirit- und Platinum-Ausstattung serienmäßig, genau wie die Rückfahrkamera. Dinge wie Totwinkel-Überwachung, Verkehrszeichenerkennung, automatisches Lenken in Parklücken oder einen Abstandsregeltempomaten gibt es bislang nicht, auch nicht gegen Aufpreis.

Der neue Kia Rio

Quelle: Kia Motors

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Der neue Kia Rio ist ein Auto, das nicht nur ein schnittiges Äußeres mit einem geräumigen Innenraum in Einklang bringt, sondern auch Fahrspaß in Kurven und auf der Autobahn bietet. Dass es für ein völlig neu entwickeltes Modell ziemlich konservativ konzipiert ist, kann man ihm positiv oder negativ auslegen. Das kommt eben ganz auf die Ansprüche an.

Technische Daten Kia Rio 1,0 T-GDI 120 ISG:

R3-Benzinmotor mit 1,0 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 88 kW (120 PS); max. Drehmoment: 172 Nm bei 1500 - 4000/min; Leergewicht: 1248 kg; Kofferraum: 325 - 980 l; 0 - 100 km/h: 10,2 s; Vmax: 190 km/h; Testverbrauch: 6,9 l / 100 km (lt. Werk: 4,7; CO₂-Ausstoß: 107 g/km); Euro 6; Grundpreis: 19 290 Euro (Testwagenpreis: 21 810 Euro)

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/kaeb/dd
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