Klassensprecher (8): Opel GT:Zwischen Coke und Corvette

Opel bemüht sich mit dem neuen GT um ein sportliches Image. Aber: Ein scharfes Coupé - schnell, sportlich und bezahlbar - ist nicht nur heute die Quadratur des Kreises. Vor knapp 40 Jahren war das alles schon einmal da.

Von Stefan Grundhoff

Die Amerikaner hatten ihre Corvette, ein gleichermaßen bulliger wie eleganter Sportwagen als Gegenpol zum allgegenwärtigen Ford Mustang. Abgesehen vom Porsche 911/912 hatten es die Deutschen nicht so recht mit echten Sportskanonen.

Bis der Opel GT die etablierte Mittelklasse auf den Kopf stellte. Die stark taillierte Flunder steht wie kein anderes Auto dafür, dass rassige Sportwagen bezahlbar sein können. Es musste auf einmal kein Porsche mehr sein, der den Kindern an der Straßenecke die Kinnlade nach unten fallen ließ. Der Blitz stach wie kein Zweiter und war ein Zeichen einer neuen Generation von Autos. Wem ein Kadett zu spießig und ein Ascona zu peinlich war, verliebte sich in das gnadenlos begehrenswerte Design des Opel GT.

Der alte Opel GT: gnadenlos begehrenswert

Was Opel in der zweiten Hälfte der 60er Jahre über Nacht gelang, ist im dritten Jahrtausend nicht mehr ganz so einfach. Die Ähnlichkeiten von Opel GT gestern und heute scheinen offensichtlich und doch wieder an den Haaren herbeigezogen. Zwei Sitze, puristisches Interieur, Heckantrieb und ein exzellentes Leistungsgewicht zeigen die Gemeinsamkeiten.

Doch so sehr es sich die Rüsselsheimer Autobauer es auch wünschen: Der Transfer zwischen gestern und heute ist trotz andauernder Retro-Wellen kein Selbstläufer. Der aktuelle Opel GT ist ein Spaßroadster mit viel Dampf unter der Haube und einigen Macken.

264 PS, doch nicht einmal 230 km/h Höchstgeschwindigkeit sind für eine Sportskanone ein müder Wert. Ganz nebenbei: Der neue GT ist ein Roadster. Das etwas umständlich zu verstauende Stoffdach nimmt ihm nahezu den kompletten Kofferraum.

GT und Corvette wurden vom gleichen Designteam gezeichnet

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen gestern und heute, denn der alte GT, Jahrgang 1968 hatte gar keinen. Prall und selbstbewusst strahlte auf dem vermeintlichen Heckdeckel ein Tankverschluss - natürlich aus Chrom. Kofferraumklappe - Fehlanzeige.

Und doch oder gerade deshalb war der alte GT der Traum einer ganzen Automobilgeneration. Die weiblichen Formen, der sportliche Auftritt und die Klappscheinwerfer hoben ihm vom Establishment ab und machten ihn nicht nur in der deutschen Automobillandschaft einmalig. Der charismatische Opel war ein Traumwagen für viele und die europäische Antwort auf den amerikanischen Supersportler Corvette, von dessen Designteam er ebenfalls abstammte.

Zwischen Coke und Corvette

Opel warb in den 70er Jahren provokant mit dem Titel "nur fliegen ist schöner". So sportlich, so elegant, so scharf und dann noch aus dem Hause der schnöden Marke Opel - das hatte man bis dato noch nicht erlebt.

Als auf der Internationalen Automobilausstellung im Jahre 1965 erstmals eine Studie mit der Bezeichnung "Opel GT-Experimental" gezeigt wurde, ahnte kaum jemand, dass der coole Zweisitzer mit der schlanken Taille ein paar Jahre später über deutsche Autobahnen und amerikanische Highways donnern würde.

Der von 1968 bis 1973 gebaute Opel GT ist bis heute herrlich unvernünftig. Die schlanke Taille würde auch dem alles andere als schmucklosen GT der aktuellen Generation gut stehen. Er steht im Vergleich zu seinem Ahnen satt, fast schon fett auf der Straße und macht bereits im Stand Lust auf mehr. Ist man in dem ungleichen Paar unterwegs, zeigen sich die Unterschiede von 40 Jahren Automobilbau. Und dabei geht es nicht um Komfortextras wie Navigationssystem, beheizbare Sitze, ESP und Xenonlicht. Hier gönnt sich der neue GT zahlreiche Lücken.

Sexy Blechkleid + gute Gewichhtsverteilung = Fahrspaß

Es ist der Fahrspaß, der alt und neu verbindet. Wie sportlich der alte Opel GT auch nach heutigen Maßstäben noch unterwegs ist, merkt man nach ein paar Kilometern. Trotz seines Alters hat der orangefarbene Renner nur 8000 Kilometer auf der Uhr.

Die Federung ist straff, die Lenkung schwergängig und direkt. Man müsste lügen, würde man die schwarzen Cordstühle loben. Damals wird man darin kaum besser gesessen haben. Der Retro-GT wiegt gerade einmal 950 Kilogramm. Entsprechend sportlich und knackig ist sein Fahrverhalten. Sexy Blechkleid, gute Gewichtsverteilung, Motor vorn und Antrieb hinten - das hatte es lange Jahre nicht mehr gegeben.

Bis der neue Opel GT als US-Derivat von Saturn und Pontiac in diesem Sommer über den Atlantik auch nach Deutschland kam. Wer alt und neu vergleicht, wird - abgesehen vom Oben-ohne-Fahrgefühl - jedoch lieber im Retro-GT seine Stunden verbringen wollen.

Zwischen Coke und Corvette

Die Lenkung ist direkt, das Steuer spindeldürr und die Bremsen packen kraftvoll zu - die meiste Technik stammt vom Opel Kadett. So scharf der GT auch aussieht - unter dem blechernen Designerdress gibt es solide Massentechnik. Auf Lenkhilfe oder ABS braucht man nicht zu hoffen. Wer einen Opel GT fährt, der bewegt den Traumsportler einer ganzen Generation bis zum gefährlichen Grenzbereich.

Die Aufmerksamkeit für den Fahrer eines Opel GT ist gestern wie heute gleichermaßen groß. Wer etwas auf sich hielt, kaufte sich Ende der 60er Jahre einen GT 1900. 66 kW/90 PS stark und Dank seines Leergewichts knapp 190 km/h schnell kannte der Fahrspaß im Hecktriebler kaum ernsthafte Grenzen. Allein die vier weit gefächerten Gänge sind der Grund dafür, dass der Spurt 0 auf 100 km/h in 11,5 Sekunden alles andere als atemberaubend von statten geht.

Der karge 50-Liter-Tank zeigte dem GT-Fahrer damals wie heute schnell seine Grenzen auf. Als Hochdruck-Einspritzung, variable Ventilverstellung oder ein regeneratives Bremssystem noch einem Science-Fiction-Roman entstammten, verbrauchte man gut und gerne 12 bis 14 Liter Super auf 100 Kilometer. Dass der edle Kraftstoff seinerzeit nur ein paar Groschen kostete, machte das ganze erträglicher. Immer wieder ein Hingucker: das Ausfahren der Klappscheinwerfer, die über einen großen Hebel am Mitteltunnel an die Karosserieoberfläche gepresst werden.

Bastler haben in den letzten 30 Jahren ihre GTs mit moderneren Opel-Motoren und Leistungen von weit über 200 PS aufgebohrt. Puristen belassen es jedoch bei den mehr als ausreichenden 90 Pferden und 152 Nm Drehmoment.

Für 44 Kilometer gab es den GT auch mit Elektromotor

Für Sparfüchse gab es bereits Ende der 60er Jahre einem müden GT 1100 mit kargen 60 PS und wenig Fahrspaß. Das Sparbrötchen wurde 1970 vom ebenfalls 90 PS starken GT-J ersetzt. Der war mit seiner Junior-Ausstattung ebenfalls deutlich günstiger als der normale GT, bot aber dank 90 PS denselben Fahrspaß.

1971 ging vom Opel GT eine ungewöhnliche Version auf Rekordfahrt. Von einem Elektromotor angetrieben schaffte er 188 km/h, musste seine geplante 100-km-Rekordfahrt jedoch nach 44 Kilometern abbrechen - die Akkus waren leer. Mehr als 30 Jahre nach dem Opel GT-E kommt Elektromodulen gerade im Hause GM wieder eine verstärkte Bedeutung zu.

Die Erfolgsgeschichte des Opel GT endete 1973 jäh. Trotz anhaltend guter Verkaufszahlen in Deutschland und besonders in den USA wurde die Produktion eingestellt. Grund: Kursschwankungen und deutlich verschärfte Sicherheitsvorschriften in den USA.

Weshalb Opel nie wieder einen ähnlichen Sportwagen oder einen Nachfolger kreierte, ist bis heute ungeklärt. Auch die Wiederauferstehung des Namens GT heißt nicht, dass Opel einen neuen Sportwagen fürs breite Volk anbietet: Der aktuelle Opel GT ist mit rund 30.000 Euro umgerechnet genauso teuer wie der Opel GT damals - er kostete rund 10.000 Mark.

Wer nach wie vor von einem echten Opel GT träumt - auf dem Gebrauchtwagenmarkt zahlt man für unverbastelte Modelle zwischen 5.000 und 12.000 Euro.

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