Klassensprecher (3): Fiat Panda:Tolles Kistchen

Es gibt da eben diesen Unterschied zwischen verklärter Erinnerung und Realität: War der Panda, "die tolle Kiste" von Fiat, wirklich so toll? Auf alle Fälle zeigte er, wie spartanisch Autos sein konnten.

Von Jürgen Wolff

Optisch war er in der Tat eine Kiste, der Panda mit seiner kantigen und glattflächeigen Form - ob er auch toll war, ist eher eine Frage des zeitlichen Betrachtungswinkels. Wer sich heute mit verklärten Erinnerungen an Studenten-Zeiten und das warme Wir-Gefühl der Anti-Pershing-Demos in einen Ur-Panda setzt, der wird schon über den spärlichen Platz und die lümmeligen Sitze fluchen, bevor er überhaupt noch den Zündschlüssel umgedreht hat.

Designer Giugiaro: "Ein Haushaltgerät auf Rädern"

1980, als der kleine Panda zum ersten Mal auf die Straßen kam, galt er als nahezu revolutionär. Mit seinem Minimalismus fügte er sich fast nahtlos in die Ahnenreihe von Fiat 500, Citroëns Ente und Renault R4. Sein Designer Giorgio Giugiaro nannte ihn einmal wenig charmant ein "Haushaltsgerät auf Rädern". Aber ziemlich genau das war der Fiat Panda auch: Eines der ersten Dinge für den eigenen Haushalt, das man sich nach dem Umzug von Zuhause in die Studentenbude zulegte - nach Papierballon-Lampe, Tee-Set und Ikea-Küchentisch. Und mit dem man sich auch als Chef oder als Frau vom Chef noch ohne Image-Verlust sehen lassen konnte.

Mit umgerechnet weit weniger als 5000 Euro Kaufpreis war der nur 700 Kilogramm schwere Panda noch relativ günstig - der erste eigene war ohnehin gebraucht. Den kleinen Preis für das kleine Auto schafften die Italiener schon damals nur durch Reduktion auf das Wesentliche - und mit vielen, durchaus pfiffigen Einzellösungen. Zu letzterem gehörte der Aschenbecher aus Plastik, der - festgeklemmt auf der Armaturenablage - zwischen Fahrer und Beifahrer über die ganze Breite hin- und her geschoben werden konnte (eine Idee, die noch im Uno übernommen wurde). Zu ersterem das viele unverkleidete, in Wagenfarbe gespritzte Blech im Innenraum, das - genial klappbare - "Campinggestühl" vorne und hinten in der allerersten Baureihe oder die unverkleideten Halterungen für die Sicherheitsgurte im Kofferraum.

Tolles Kistchen

Leider gehörte dazu auch, dass einem der Panda fast unterm Hintern wegrostete. Der Kleine sammelte zwar durch seine Kindchenoptik und die geniale Werbestrategie fleißig Sympathiepunkte - war aber dank der lausigen Verarbeitung (vor allem bei den ersten Modellreihen) auch maßgeblich verantwortlich für das miese Qualitätsimage, das Fiat lange anhaftete. An seinem Erfolg änderte das wenig: Bis die Produktion 2003 eingestellt wurde, liefen über vier Millionen Exemplare vom Band.

An diesen Zahlen einen großen Anteil hatte nicht zuletzt die pfiffige Werbung, die gerade mit dem Purismus des Fiat kreative Spielchen trieb - und auch vor der eigentlich verbotenen vergleichenden Werbung nicht zurückschreckte.

Zum Bespiel mit der Bahn. Die hatte in einer Anzeige mit einem Schnellzug geworben und dem Slogan: "Na endlich, der Zweitwagen, den man sich leisten kann." Worauf die Fiat-Werber den gleichen Zug im Stadtverkehr hinter einem Panda ins Bild montierten und antworteten: "Liebe Bundesbahndirektion! Ich habe Ihr Fahrzeug eine Woche Probe gefahren. Ein Fiat Panda als Zweitwagen ist mir ehrlich gesagt lieber." Die Antwort der Bahn ließ auch nicht lange auf sich warten - eine Anzeige mit dem Panda auf einem Auto-Reisezug und dem Kommentar: "Wir befördern auch sperriges Gepäck."

In den 23 Jahren Bauzeit gabe kaum eine Version des als Zweitürer mit großer Heckklappe gebauten Panda, die nicht irgendwann mal auf den Rädern stand: Er fuhr als Allradler (in Diensten der Post, die Bergbauernhöfe versorgen musste) ebenso wie als aufgeschnittenes Cabriolet, luftig mit doppeltem Faltdach und mit Blaulicht bei der italienischen Polizei.

Klein ging es beim Panda auch unter der Motorhaube zu: Der luftgekühlte 2-Zylinder dort hatte 650 ccm und schaffte eine Leistung von 22 kW/30 PS. Die Alternative: Ein mit Wasser gekühlter 4-Zylinder, der satte vier PS mehr schaffte. Ab 1986 packte Fiat dann stärkere Motoren in den Kleinen, bis 1992 sogar einen Diesel mit 1300 ccm und 37 PS. Die Spitze der Kraftentfaltung markierte der 48-PS-Motor im Panda 4x4 mit zuschaltbarem Allradantrieb.

Es gibt da eben diesen Unterschied zwischen verklärter Erinnerung und Realität

Da bringt der aktuelle Panda, den Fiat seit 2003 im Angebot hat, schon mehr Power mit. Bis zu 100 PS warten darauf, das Bärchen auf Trab zu bringen. Auch wenn der Panda immer noch ein Kleinstwagen ist: Er wird mit so viel Kraft inzwischen auch spielend fertig. Mit seinem Ahnen hat der Neue außer dem Namen und der Schnuckeligkeit wenig gemein. Das Fahrwerk ist ebenso auf der Höhe der Zeit wie die Schaltung, die Sitze oder das wertige Design.

Wer heute in einem alten Panda sitzt, wird über so ziemlich alles fluchen, was er anfasst: die unpräzise Lenkung ebenso wie die an einen Rührstab erinnernde, hakelge Schaltung. Die zu kurzen Sitze ohne Seitenhalt ebenso wie die viel zu eng stehenden Pedale.

Aber es ist eben ein Unterschied zwischen verklärter Erinnerung und der Realität. Und seien wir ehrlich: So viel besser waren damals auch viele andere Autos nicht zu fahren. Und mit dem neuen Panda hat Fiat ja auch gezeigt, dass selbst eine Kiste doch noch toll werden kann.

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