Kinder im Auto:Schau' nach hinten!

Kleine Passagiere gehören in den Kindersitz, am besten in einen rückwärts gerichteten. Das empfehlen Experten dringlich. Alles andere könnte tragisch enden.

Marion Zellner

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr etwa 11 200 Kinder im Alter bis 15 Jahre als Insassen eines Autos bei einem Verkehrsunfall verletzt - 52 davon starben. Dabei könnten die Zahlen des Statistischen Bundesamtes ganz anders aussehen, so Lotta Jakobsson, Expertin für Kindersicherheit beim schwedischen Autohersteller Volvo. "Voraussetzung ist aber, dass die Kinder altersgerecht und vor allem korrekt im Auto der Eltern gesichert sind."

Kindersitz Sicherheit im Auto

Falsch: Nach vorne gerichtete Kindersitze bergen große Risiken.

(Foto: Foto: AP)

Ein Kind nicht optimal zu sichern, bedeutet nicht nur ein hohes Risiko für das Kind selbst. Auch die vorn sitzenden Passagiere sind gefährdet. Prallt ein Auto mit 40 km/h auf ein starres Objekt, hat ein 30 Kilogramm schweres Kind, also ein etwa Achtjähriger, das Gewicht von einer Tonne - das ist ungefähr so viel, wie heutzutage ein Kleinwagen wiegt.

Doch Eltern scheinen es nicht immer so genau mit der Sicherheit ihrer Kinder zu nehmen: So zeigen statistische Zahlen aus dem Jahr 2005, dass immerhin neun Prozent der unter sechsjährigen Autoinsassen in Deutschland innerorts nur mit einem herkömmlichen Dreipunktgurt, wie er für Erwachsene gedacht ist, gesichert waren. Bei den Älteren, den Sechs- bis Zwölfjährigen, sieht es mit der Sicherungsmoral noch schlechter aus: Hier waren sogar 55 Prozent mit falschen Rückhaltesystemen im Auto unterwegs.

In den sechziger Jahren entstand in Schweden die Idee, Kinder gegen die Fahrtrichtung im Auto zu platzieren. Angeregt wurde der Göteborger Professor Bertil Aldman dabei durch die Raumfahrt - speziell durch die Sitze in den Gemini-Kapseln, die so geformt waren, dass sich die bei Start und Landung entstehenden Kräfte auf den gesamten Rücken verteilen. Den ersten sogenannten Reboard-Sitz führte Volvo 1972 ein.

Aufgrund der langen Erfahrung empfehlen Experten, Kleinkinder grundsätzlich in solchen Sitzen zu transportieren. Wie eine schwedische Untersuchung belegt, bei der Unfälle mit 5500 Kindern ausgewertet wurden, ist die Verletzungsgefahr mit rückwärts gerichteten Systemen bei einem Unfall um 90 Prozent geringer als ohne Kindersitz.

Im zweiten Teil: Der Grund für die empfohlene Rückwärtsgewandtheit, und wie ältere Kinder sicher mitfahren

Schau' nach hinten!

Der Grund: "Der Kopf eines Kindes ist im Verhältnis zum übrigen Körper groß und schwer", so Sicherheitsexpertin Lotta Jakobsson. Der Kopf eines neun Monate alten Babys macht 25 Prozent des gesamten Körpergewichtes aus. Zum Vergleich: Bei einem erwachsenen Mann sind es gerade einmal sechs Prozent.

Zudem sind Halswirbel und Muskulatur des Kleinkindes noch sehr weich und dadurch besonders verletzungsanfällig. Denn bei einem Aufprall wird der Kopf des Kindes stark beschleunigt. "Deshalb sind wir der Ansicht, dass Kinder mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzen sollten, bis sie drei oder vier Jahre alt sind", so Jakobsson.

Einwände von Eltern, sie hätten ihr Kind, wenn es auf den Reboard-Sitzen untergebracht sind, nicht mehr im Blick, lässt sie nicht gelten. Es gäbe Nachrüst-Spiegel, die einen Blick zum Kind ermöglichen, außerdem zähle als allererstes die Sicherheit. Sollten die Kleinen auf dem Beifahrersitz mitfahren, muss auf jeden Fall der Beifahrerairbag deaktiviert werden - würde er bei einem Unfall zünden, könnte das einen Genickbruch zur Folge haben.

Die Strangulier-Legende ist falsch

Dass die Sicherungsquote ab dem Schulalter besonders schlecht ist, mag auch am Eigensinn der älteren Kinder liegen. "Doch da müssen Eltern hart bleiben", appelliert Lotta Jakobsson, die selbst Mutter von zwei Kindern ist. Denn entsprechend passende Sitzerhöhungen reduzieren das Verletzungsrisiko bei einem Unfall um 75 Prozent, so die Volvo-Untersuchung.

Die erhöhte Sitzposition der kleinen Passagiere ermöglicht erst die richtige und damit sichere Gurtgeometrie. Das diagonale Gurtband muss mit minimalem Schlupf über die Schulter und den Brustkorb verlaufen. Außerdem sollte der Gurt immer straff gezogen werden. Eltern müssen sich nicht daran stören, wenn der Gurt nahe am Hals verläuft, denn wird das Auto stark abgebremst, bewegt sich der Kopf nach vorne und der Gurt rutscht weiter auf die Schulter. "Auf keinen Fall wird das Kind dadurch stranguliert", so Jakobsson.

Die Anstrengungen, die Schweden bei der Sicherheit im Auto unternimmt, lassen sich an der Statistik ablesen. 2006 starben 445 Menschen bei einem Fahrzeugbestand von 4,5 Millionen Auto. Eine bessere Quote hat kein anderes Land.

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