Kfz-Untersuchung:Auf die sanfte Tour

Der TÜV Süd führt in der Türkei die regelmäßige Überprüfung von Fahrzeugen ein - in Etappen.

Michael Kuntz

Die Prüfplakette kommt auf das vordere Kennzeichen; das soll der einzige Unterschied zur TÜV-Prüfung an deutschen Autos sein. Doch so weit ist es noch nicht. Der EU-Beitrittskandidat Türkei kannte regelmäßigen technische Überwachung bisher nicht und installiert nun das deutsche System mit Hilfe vom TÜV Süd.

TÜV Türkei

Manch ein türkischer Autofahrer wird sich noch wundern: Der TÜV Turk meint, dass momentan mehr als die Hälfte der landesweit zwölf Millionen Personenwagen, Lkw und Busse aus dem Verkehr gezogen werden müsste - wenn sie jetzt schon vom TÜV geprüft würden.

Die Prüfer aus München werden in der Türkei von Anfang an - so wie in den Staaten der EU - alle Mängel benennen, doch nur bei gravierenden Defekten etwa an der Lenkung oder den Bremsen die Plakette verweigern. Erst bei der zweiten oder dritten Runde soll die Vergabe der Plakette - in maximal fünf Jahren - so streng werden wie in der Europäischen Union.

Im Schnitt sind die Autos 15 Jahre alt

Bisher haben in der Türkei meist staatliche Behörden die Papiere überprüft. Thomas Aubel, Vorstand von TÜV Turk, geht davon aus, dass ohne Übergangsregelung mehr als die Hälfte der landesweit zwölf Millionen Personenwagen, Lkw und Busse aus dem Verkehr gezogen werden müssten. "Dann würde eine kleine Revolution ausbrechen."

In Deutschland wird weniger als jedes tausendste Fahrzeug stillgelegt, weil es verkehrsunsicher ist. Etwa 20 Prozent der Autos erhalten wegen erheblicher Mängel die TÜV-Plakette erst im zweiten Anlauf.

Für den TÜV gibt es viel zu tun. Im Durchschnitt sind die Autos in der Türkei 15 Jahre alt, schätzt Aubel. Zum Vergleich: In Deutschland liegt dieser Wert mittlerweile bei etwas über acht Jahren. Vor allem aber gibt es in der Türkei mit 3400 Menschen fast doppelt so viele Verkehrsopfer wie durchschnittlich in der EU.

Auf die sanfte Tour

Für den TÜV ist die Untersuchung von Fahrzeugen in der Türkei eine Reminiszenz an längst vergangene Monopol-Zeiten - und voraussichtlich ziemlich lukrativ. Für den 20 Minuten dauernden Pkw-Test verlangt der TÜV 58 Euro, die doppelt so lange Lkw-Inspektion kostet 78 Euro. Schon von 2010 an soll Gewinn gemacht werden.

In der Türkei war der TÜV Süd seit 1987 mit jahrelang nur 25 Mitarbeitern vertreten. Für die Untersuchung von Fahrzeugen gründete er den TÜV Turk, bei dem nun 2000 Arbeitsplätze entstehen werden. Partner zu je einem Drittel sind der Generalimporteur von Volkswagen und Porsche Dogus sowie der Baukonzern Akfen, der auch Flughäfen betreibt. Eine Klage der türkischen Ingenieurskammer gegen die bereits im Dezember 2004 vom TÜV Turk gewonnene Ausschreibung blieb erfolglos, verzögerte aber den Start des Projektes.

TÜV Turk investiert nun 633 Millionen Euro. Ein von HVB und ABN Amro geführtes Bankenkonsortium sichert die Finanzierung ab. Allein 409 Millionen Euro fließen an den Staat für die Konzession zum Prüfen in den kommenden 20 Jahren. Sie soll über die ganze Laufzeit elf Milliarden Euro Umsatz bringen.

189 Servicegebäude, 470 Prüfbahnen sollen entstehen

Von den Investitionen sind 224 Millionen Euro für 189 Servicegebäude mit 470 Prüfbahnen und 38 mobile Stationen sowie die Ausbildung der Prüfer vorgesehen. Die ersten 40 türkischen Techniker wurden bereits von der TÜV Süd Akademie in Ulm geschult. Die Prüfstationen werden dann im Franchisesystem an örtliche Partner vergeben. TÜV Turk betreibt ein Fünftel selbst, darunter die zwölf großen Prüfzentren in der Region Istanbul.

Der TÜV Süd sieht die regelmäßigen Checks als Basis für weitere Geschäfte. "Als EU-Beitrittskandidat übernimmt die Türkei in zunehmendem Maße rechtliche und technische Standards der Europäischen Union. In der Begleitung dieses Harmonisierungsprozesses sehen wir großes Potential", sagt Axel Stepken, neuer Vorstandsvorsitzende des TÜV Süd. Als Beispiel nennt Stepken das Qualitätsmanagement für Mittelständler, die Begleitung internationaler Fahrzeughersteller bei Genehmigungsverfahren, die Zertifizierung von Hotel- und Gaststättenbetrieben sowie Fortbildungsangebote, bei denen der TÜV Süd mit der Privatuniversität Yeditepe in Istanbul zusammenarbeitet.

Schließlich sieht Stepken die Prüfung in der Türkei als Referenzprojekt für Staaten in Osteuropa und Nordafrika. Konkret nennt er Rumänien. Nicht immer laufen die Dinge so, wie man sich das in der TÜV-Zentrale München wünscht. In Marokko zog der TÜV Süd bei einer Ausschreibung gerade den Kürzeren gegen ein Konsortium aus der Schweizer SGS Société Générale de Surveillance und der deutschen Dekra.

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