Kawasaki ZZR 1400:Leistung macht locker

Die ZZR 1400 ist das stärkste Motorrad auf dem Markt. Die Kawasaki leistet mehr als 200 PS, beschleunigt in sieben Sekunden auf 200 km/h und erst bei 300 km/h wird ihr Vortrieb abgeriegelt. Im Test vermittelt die Maschine Souveränität und Sicherheit. Das nimmt den furchteinflößenden Eckdaten ihren Schrecken.

Sascha Gorhau

Der ZZR 1400 sollte man mit der nötigen Achtung gegenübertreten Denn wenn mehr als 200 PS an der Kette zerren, dann sollte man einschätzen können, was passiert, wenn diese Leistung 267 Kilogramm Motorrad bewegt. Der potenziellen Gedankenlosigkeit einzelner Käufer hält Kawasaki einen sogenannten Speed-Cutter entgegen. Er verhindert, dass die Maschine schneller als 300 km/h fährt. Bei diesem Tempo legt ein Objekt 83,3 Meter zurück - pro Sekunde. Doch auch ohne Stammtischprahlerei über den Geschwindigkeitsbereich jenseits der 300-Sachen-Schallgrenze: Schon den Weg dorthin absolviert die ZZR 1400 schnell.

Kawasaki ZZR 1400, Kawasaki, ZZR, Motorrad, Fahrbericht, Test, Superbike, Hyperbike

Die Sitzposition ist sportlich und der Kniewinkel spitz. Längere Touren sind mit der Kawasaki ZZR 1400 dennoch kein Problem.

(Foto: Kawasaki)

Maßgeblich dafür verantwortlich ist der Motor. Kawasaki hat diesen im Vergleich zum Vorgängermodell in zahllosen Details überarbeitet. Die Pleuel wurden beispielsweise verstärkt, die Brennkammern sind ab sofort gefräst und der Hubraum ist um 89 Kubikzentimeter auf stattliche 1441 gewachsen. Neben den vielen weiteren Modifikationen ist alles einem Prinzip untergeordnet: mehr. In der Kawasaki steckt sogar mehr, als es der Hersteller zugibt. Statt der angegebenen 200 PS weisen verschiedene Prüfstandsmessungen eine tatsächliche Leistung von 206 PS bei einem maximalen Drehmoment von 162 Newtonmetern aus.

Das fühlt sich auf den ersten Metern erstaunlich zahm an, positiv gesagt: fahrbar. Fast möchte man eine gewisse Müdigkeit im Anbetracht der Eckdaten attestieren. Natürlich bewegt der großvolumige Vierzylinder die Maschine nachdrücklich nach vorne, die Rahmendaten allerdings wecken höhere Erwartungen. Im niedrigen Drehzahlbereich bei Überholmanövern auf der Landstraße ist es tatsächlich notwendig, einen oder zwei Gänge herunterzuschalten, um das Fahrzeug zügig hinter sich zu lassen. Doch das ist der Preis, den Kawasaki dem Fahrer abverlangt, wenn er das nominell stärkste Bike der Welt fahren will. Höchste Leistung bedeutet hohe Drehzahlen und damit auch Einbußen im unteren Bereich.

Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Der Motor ist überaus kultiviert und nimmt das Gas sanft an. Der Reihenvierzylinder bietet genug Leistung, um jede Situation im Straßenverkehr zu meistern. Kawasaki spricht von Leistung im Überfluss. Eine Untertreibung. Was sich jenseits von 6000 Kurbelwellenumdrehungen abspielt ist ein reißender Strom, eine Leistungslawine. In Zahlen übersetzt bedeutet das eine Beschleunigung auf 200 km/h in sieben Sekunden und eine elektronisch abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit von 299 km/h. Möglich wäre noch viel mehr, doch schon vor Jahren haben sich die Motorradhersteller auf eine Selbstbeschränkung geeinigt, keine Maschine auszuliefern, die 300 km/h oder schneller fährt.

Die Performance der Bremsen enttäuscht

Die ingesamt souveräne Art der Maschine überträgt sich dennoch früher oder später auf den Fahrer. Das Fahrwerk ist gutmütig und arbeitet dank elektronischer Helfer problemlos. Man sollte im Fahrbetrieb allerdings nicht das hohe Gewicht unterschätzen. Die ZZR verlangt Körpereinsatz und Nachdruck, wenn sie der anvisierten Linie folgen soll. Die Bremsen sind ebenfalls ein Schwachpunkt. Denn für ein so schweres Motorrad bieten sie zu wenig Transparenz, außerdem war während der Testfahrten bei intensiver Beanspruchung ein wandernder Bremspunkt zu beklagen. Das steht einem so leistungsstarkem Motorrad mit einem so stattlichen Gewicht schlecht zu Gesicht.

Eine dreistufige Traktionskontrolle hält die Fuhre bei Bedarf auch bei wildesten Gasgriffverrenkungen am Boden. Wem die gebotene Leistung mehr Angst als Freude bereitet, der kann sein Gewissen per Knopfdruck beruhigen. Im sogenannten Low-Power-Modus verringert sich die Leistung um 25 Prozent und macht die ZZR bei Regen oder feuchter Fahrbahn beherrschbarer.

Doch er beraubt das Bike seiner Charakteristik, dem rauen Charme des Unkontrollierbaren. Von diesem Gefühl zehrt der Fahrer, sonnt sich darin. Er weiß, dass er bei Bedarf auch bei angezeigten 280 km/h noch einen Gang zurückschalten kann. Und das dann sehr wohl noch spürbarer Vortrieb möglich ist. Wenn er das will. Viele Käufer einer ZZR werden das nicht tun. Es ist gefährlich und im alltäglichen Straßenverkehr gar nicht notwendig. Aber es ist möglich. Jederzeit. Und das macht locker. Auch wenn die Lockerheit 15.595 Euro kostet und bei vollem Leistungsabruf die Innereien kräftig durchschüttelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: