Jeep Renegade 1.6 Multijet im Test:Mogel- statt Schlammpackung

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Der Grundpreis des Jeep Renegade liegt bei 19 900 Euro. Die gefahrene 1.6-Multijet-Version kostet mindestens 23 600 Euro. (Foto: WGO)
  • Der Jeep Renegade mit dem 120-PS-Basisdiesel ist ausschließlich mit Frontantrieb zu haben. Andere Offroadhilfen fehlen ebenfalls.
  • Das Einstiegsmodell der Marke zeichnen eine hohe und übersichtliche Sitzposition, ein gutes Platzangebot und eine unkomplizierte Handhabung aus.
  • Beim täglichen Einsatz in der Stadt, über Land und auf der Autobahn zeigt er jedoch einige Schwächen, die ihn gegenüber den meisten Kompaktwagen ins Hintertreffen geraten lassen.

Von Thomas Harloff

Renegade - übersetzt heißt das "Abtrünniger" oder "Überläufer". Klingt nach Abenteuer, Freiheit, Unangepasstheit, nach Schlammpackungen für die Karosserie, Wasserdurchfahrten oder knochenharten Schotterpisten. Nach einem kernigen Geländewagen mit Allradantrieb, Getriebeuntersetzung, sperrbaren Differenzialen. Und einem drehmomentstarken Motor, der das Auto mit purer Kraft aus dem Schlamm zieht, wenn es nicht mehr anders geht. Der also das technische Rüstzeug mitbringt, das ein Produkt der Marke Jeep auszeichnen soll.

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Das neueste Modell der amerikanischen Offroad-Institution hört auf diesen Namen - und sieht auch aus wie ein typischer Jeep. Der Renegade zeigt Ecken und Kanten, die Karosserie ragt weit in die Höhe, auch wegen der üppigen Bodenfreiheit von 17,5 Zentimetern, und die Räder rotieren in ausgestellten Radkästen. Die bei der Marke so traditionsreichen Rundscheinwerfer stehen ähnlich eng beieinander wie beim markantesten aller Jeep-Erzeugnisse, dem Wrangler, und werden von den sieben charakteristischen Vertikalstreben voneinander getrennt.

Die Ausrüstung fehlt

Technisch geht der Renegade, getestet in der 120 PS starken 1,6-Liter-Dieselversion, dagegen auf Distanz zu den anderen Jeeps. Zur Ausrüstung passt der Motor noch am besten. 320 Newtonmeter, bereitgestellt ab 1750 Umdrehungen, sind fast so viel, wie der 3,6-Liter-V6-Benziner des Wrangler bietet. Seine Kraft verteilt der Motor in dieser Renegade-Variante jedoch nicht auf alle vier Räder, sondern leitet sie nur an die vorderen weiter. Untersetzung, Differenzialsperren oder andere Offroadhilfen, die abseits befestigter Wege Vorankommen sichern, fehlen ebenfalls.

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Freunde des Querfeldeinfahrens dürften es inkonsequent finden, dass Jeep - wie so viele andere Marken auch - nun höhergelegte frontgetriebene Kompaktwagen anbietet. Wer aber im Auge behält, dass selbst ein so traditionsbeladener Autohersteller zuvorderst eine gewinnorientierte Firma ist, dem leuchtet Jeeps Markteintritt ins Segment der kompakten SUVs durchaus ein. In dieser Fahrzeugklasse, die in den meisten globalen Märkten die stärksten Zuwachsraten verbucht, sind keine überragenden Geländeeigenschaften gefragt, schließlich kommen die Autos meist nur im Großstadtdschungel zum Einsatz. Stattdessen achten SUV-Käufer auf eine hohe und übersichtliche Sitzposition, ein gutes Platzangebot und eine unkomplizierte Handhabung. Das alles wiederum bietet der Renegade.

Ordentliches Platzangebot

Der zwischen 351 und 1297 Liter große Kofferraum könnte im Normalzustand etwas größer sein, schließlich bietet der gleichlange VW Golf fast 30 Liter mehr. Aber die Passagiere haben genug Platz. Das Bedienkonzept folgt einem klassischen Touchscreen-Schema, ergänzt durch Tasten in der Mittelkonsole und am Lenkrad. Auch die Anzeigen sind ansehnlich. Allerdings könnte der berührungsempfindliche Bildschirm, der zudem leicht vom Fahrer weggedreht ist, sensibler auf Tastbefehle reagieren.

Übersichtlich, gut zu bedienen, schick anzusehen und mit ordentlichen Materialien ausgekleidet - das Renegade-Cockpit (Foto: WGO)

Der Testwagen startet seinen Dieselmotor auf Knopfdruck. Dabei können Passanten erschrecken, denn selbst im Vergleich zu anderen Selbstzündern mit vier Zylindern ist das harte Verbrennungsgeräusch sehr laut - allerdings nur außen. Die Insassen bekommen davon wenig mit, was für eine gute akustische Isolierung des Innenraums spricht.

In seiner Kraftentfaltung gehört das Triebwerk aus dem Regal der interkontinentalen Auto-Allianz Fiat-Chrysler zur alten Schule. Der Turbodiesel bietet unterhalb von 1750 Umdrehungen fast gar nichts und oberhalb plötzlich alles an - ein Turboloch wie aus dem Lehrbuch. Doch hält man die Drehzahl im optimalen Bereich, was dank der gut gestuften und flüssig zu schaltenden Sechsgang-Schaltung kein Problem ist, geht es flott und kraftvoll vorwärts.

Nur auf der Autobahn stößt der Renegade 1.6 Multijet an seine Grenzen. Die Luft pfeift hier deutlich vernehmbar um Karosserie und Außenspiegel und übertönt schnell den Motor. Die weit nach oben ragende Karosserie stemmt sich so vehement gegen den Fahrtwind, dass der Jeep viel Anlauf braucht, um die Höchstgeschwindigkeit von 178 km/h zu erreichen. Das heißt für den Verbrauch nichts Gutes, vom versprochenen Wert von 4,6 Litern entfernt sich der Renegade meilenweit - mit im Schnitt 7,6 Liter. Was für einen kleinen kantigen Geländespezialisten nicht so viel wäre - für einen frontgetriebenen Kompaktwagen allerdings schon.

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Lieber etwas gemütlicher ums Eck

Wer lieber ein kleines SUV als einen dieser aus der Mode gekommenen Vertreter der Golf-Klasse haben möchte, nimmt fahrdynamische Nachteile bewusst in Kauf. Beim Renegade wird der Unterschied zwischen den Segmenten noch etwas deutlicher als etwa beim Opel Mokka oder Nissan Juke. Die leichtgängige Lenkung, in der Stadt ein komfortables Merkmal, lässt ansonsten das Gespür für den Untergrund vermissen. Beim Bremsen taucht der Jeep an der Vorderachse tief ein, in Kurven wankt er spürbar. In diesem Terrain ist der Renegade ein typisches Kind seiner Marke, von der man keine Kurvenkünste erwartet und mit deren Modellen man vorsorglich etwas gemütlicher ums Eck fährt.

Letztlich lässt einen der Jeep Renegade - zumindest in dieser Spezifikation mit kleinem Diesel und Frontantrieb - ratlos zurück. Ein Offroader kann er in dieser Form nicht sein, dazu fehlen ihm die nötigen technischen Beigaben. Leider bewahrt er sich einige Geländewagen-Nachteile, die ihn gegenüber typischen Kompaktautos ins Hintertreffen geraten lassen. Und er ist teurer als diese, sogar ein vergleichbar motorisierter, fünftüriger Golf ist fast 1000 Euro günstiger.

Als Trailhawk mit Allradantrieb und kürzerer Achsübersetzung ist der Renegade ein echter Geländewagen. (Foto: WGO)

Allerdings, und das ist der große Vorteil gegenüber Golf und Co. und den meisten anderen SUVs: Wer möchte, kann den Renegade in einen echten Geländewagen verwandeln. Für 26 500 Euro bringt er nicht nur einen 140 PS starken Dieselmotor, sondern auch Allradantrieb samt passender elektronischer Fahrhilfen mit. Für mindestens 30 000 Euro gibt es zudem eine kürzere Achsübersetzung, was im Gelände ebenfalls Vorteile bietet. 31 900 Euro, und es gibt zusätzlich den 170-PS-Topdiesel sowie robustere Reifen. Diese Ausstattungsvariante heißt Trailhawk. Das klingt ebenfalls nach Abenteuer, Freiheit und Unangepasstheit - und das ist dann auch keine Mogelpackung mehr.

Technische Daten Jeep Renegade 1.6 Multijet:

R4-Dieselmotor mit 1,6 Litern Hubraum; Leistung 88 kW (120 PS); max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750/min; Leergewicht: 1465 kg; Kofferraum: 351 - 1297 l; 0 - 100 km/h: 10,2 s; Vmax: 178 km/h; Testverbrauch: 7,6 l / 100 km (lt. Werk: 4,6; CO2-Ausstoß: 120 g/km); Euro 5; Grundpreis: 23 600 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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