Erfindung des Automobils:Nicht Daimler, sondern Benz

Daimler oder Benz, Benz oder Mercedes? Zum 125. Jubiläum des Automobils ist es Zeit, auf die wahre Urheberschaft bei der Erfindung des Automobils hinzuweisen.

Eberhard Reuß

Sie können alles - außer hochdeutsch und den Erfinder des Automobils korrekt identifizieren. Die schwäbischen Landesherren, die selbst auf der offiziellen Pressekonferenz zum Jubiläum "125 Jahre Automobil" in Stuttgart von Gottlieb Daimler als Vater aller Autos schwärmten.

Beliebt im Autoland Baden-Württemberg ist auch die harmonisierende Sprachregelung, Daimler und Benz hätten gleichzeitig das Automobil erfunden. Nur in nordwestlichster Randlage Baden-Württembergs, also in der fernen Kurpfalz und dort insbesondere in Mannheim und Ladenburg, schütteln sie den Kopf über diese Form von Ignoranz.

"Um es ein für allemal festzuhalten", sagt Winfried Seidel, der Gründer und Leiter des Automuseums Dr. Carl Benz in Ladenburg und lächelt weise: "Es war Carl Benz in Mannheim, der am 29. Januar 1886 den Patentantrag für das erste Automobil der Welt eingereicht und dann auch tatsächlich das Reichspatent erhalten hat."

Auf dieses Datum stützt sich das 125. Automobiljubiläum, wie schon das 100. von 1986. Doch auf den Straßen Mannheims herumgeknattert ist Carl Benz bereits anno 1885 mit seinem dreirädrigen Gefährt.

"Da dachte Gottlieb Daimler bloß an die rasche Vermarktung seines Motors", fährt Seidel süffisant fort, "aber auf seinem zweirädrigen Reitwagen konnte man sich allenfalls den Hintern verbrennen. Später hat es Daimler dann noch mit dem Ankauf einer vierrädrigen Kutsche probiert, doch richtig funktioniert hat das Ganze eigentlich nur als Motorboot."

Ganz anders lief das alles bei Carl Benz, schwärmt auch Jutta Benz, die Urenkelin des Erfinders: "Mein Urgroßvater hat sein Konzept eines von einem Verbrennungsmotor angetriebenen Wagens en détail und ganzheitlich gelöst. Das war seine Stärke und macht seine Größe als Erfinder des Automobils aus."

Carl Benz hat vieles, was damals auf dem Markt der Ingenieurskunst angedacht oder bereits verfügbar war, zusammengefasst und für sein Ziel genutzt. So war die Lenkung damals hinreichend nur über ein Vorderrad möglich, weshalb also ein dreirädriges "Veloziped" das erste Automobil wurde.

Abgekupfert für die eigenen Zwecke? Innovative Ingenieure liefen damals immer Gefahr, verklagt zu werden. Die Patentgesetzgebung Ende des 19.Jahrhunderts machte die Erfindung eines fahrbaren Untersatzes zur entsprechend riskanten Angelegenheit.

Zu Lebzeiten waren Benz und Daimler Konkurrenten

"Nikolaus August Otto, der Erfinder des Verbrennungsmotors, drohte sofort mit Prozessen", sinniert Museumsgründer Seidel: "Als dann aber Ottos Patent fiel, ausgerechnet einen Tag nachdem Carl Benz seinen Patentantrag eingereicht hatte, war der Weg frei für das Automobil aus Mannheim und alle seine Nachfolger."

Zu Lebzeiten waren Carl Benz und Gottlieb Daimler Konkurrenten. Getroffen haben sie sich zwar vor Gericht, aber nicht einmal dort, in einem Prozess um ein Zündsystem, das Benz von Daimler laut späterem Urteil kopiert hatte, begegnete man sich persönlich. Auf einer Ausstellung in Berlin erspähte Benz nach eigener Darstellung zwar den schwäbischen Kontrahenten, aber ehe der Erfinder des Automobils auf Daimler zugehen konnte, sei dieser in der Menge verschwunden.

Und mit Daimlers Tod anno 1900 war auch dieses Kapitel verpasster Gelegenheiten beendet. Den Markennamen für die Daimler-Wagen bescherte erst drei Jahre später der Daimler-Großkunde Emil Jelinek. Dank seiner Tochter. Ihr Name: Mercedes.

Die Liaison Mercedes-Benz begann erst im Gefolge eines verlorenen Weltkriegs, einer Hyperinflation und einer schweren Krise der deutschen Autoindustrie: 1924 zunächst als "Interessengemeinschaft", 1926 schließlich als Fusion zur Daimler-Benz AG. Auf Betreiben der Deutschen Bank übrigens.

Carl Benz hat das alles noch bewusst miterlebt, ehe er 1929 am Alterssitz in Ladenburg gestorben ist. "Mein Urgroßvater hat auch großzügig darauf verzichtet, dass sein Name in der neuen Firma zuerst genannt wurde", erläutert Urenkelin Jutta: "Er fand, dass Daimler-Benz besser klingt."

Hätte Carl Benz geahnt, was die späteren Visionäre und Propheten von Shareholder value und integriertem Technologiekonzern aushecken würden, vielleicht hätte er sich das Ganze doch noch einmal überlegt. Bei der Hochzeit im Himmel von Daimler und Chrysler anno 1998 wurde der Automobilerfinder jedenfalls kurzerhand aus dem Konzernnamen gestrichen.

Übrigens ohne dass die Familie Benz darüber zuvor in Kenntnis gesetzt wurde, bestätigt Urenkelin Jutta Benz. Das waren auch die Zeiten, in denen die DaimlerChrysler AG sogar einmal ein Pressefoto von Carl Benz verschickte, das Gottlieb Daimler zeigte.

In Mannheim schaffte man "beim Benz"

Bei der Scheidung der DaimlerChrysler AG lief das etwas anders: Konzernchef Dieter Zetsche höchstpersönlich nahm Kontakt zu Jutta Benz auf und erläuterte ihr, dass der neue Firmenname Daimler AG lauten würde: "Aber Herr Dr. Zetsche hat damals auch versichert, dass der Name der Produkte immer Mercedes-Benz bleiben werde", erinnert sie sich.

Was die Verhältnisse zwischen dem Autokonzern und der Familie des Automobilerfinders wohl wieder befriedet hat. In der Stadt, in der das Auto erfunden wurde, sah man das damals etwas anders. Und tut dies bisweilen auch nach wie vor. Die örtliche Tageszeitung Mannheimer Morgen hatte 2007 die vielbeachtete Aktion "Kein Daimler ohne Benz!" ins Leben gerufen, mehr als 50.000 Unterschriften plädierten damals für eine Rückkehr zum alten Firmennamen Daimler-Benz AG.

Auch aus Kommunal- und Landespolitik fanden sich zahlreiche Unterstützer. Vergebliche Liebesmühe. Doch immerhin heißen die Produktionsstätten der Daimler AG inzwischen wieder Mercedes-Benz-Werk.

Damit könnten selbst eingefleischte Benz-Freunde leben, zumal die Mitarbeiter im Mercedes-Benz-Werk Mannheim ohnehin schon immer und auch zu DaimlerChrysler-Zeiten "beim Benz" und eben nicht "beim Daimler" geschafft haben, wie der Mannheimer Standort-Betriebsratschef Joachim Horner lächelnd versichert. Und die Daimler AG hat sich sogar endlich dazu entschlossen, den Vornamen des Automobilerfinders so zu schreiben, wie es dieser höchstselbst hielt, nämlich nicht mehr Karl mit K, sondern Carl mit C.

Allein das vom Land Baden-Württemberg präsentierte und finanziell unterstützte Jubiläumsjahr 2011 mit einem weitgehend auf Stuttgart zentrierten Reigen der Veranstaltungen des "Automobilsommers" weckt wieder so manche Befürchtung, dass den schwäbischen Landesherren Gottlieb Daimler etwas näher liegt als Carl Benz.

Nur gut, dass wenigstens der offizielle Jubiläumsreigen in der Stadt endet, wo Carl Benz das Automobil einst erfunden hat: In Mannheim, wo am 10. September 2011 rings um den Wasserturm die musikalische Uraufführung der "autosymphonic" stattfinden soll. Komponiert von Marios Joannu Elia und präsentiert vom SWR-Sinfonieorchesters Freiburg, den Söhnen Mannheims samt Xavier Naidoo und etwa 80 mehr oder minder alten Automobilen, deren Motoren, Anlasser, Hupen, Türen, Scheibenwischer bedient von Percussionisten, den Sound und Beat prägen sollen.

Da schlägt doch das automobile Herz im Viertakt, auf dass es auch dem letzten ungläubigen Schwaben kräftig in den Ohren klingen möge: Es war Carl Benz und nicht Gottlieb Daimler, der das Auto erfunden hat!

Eine Übersicht über alle Aktivitäten des Autokonzerns im Jubiläumsjahr und weitere Informationen über die historischen Ereignisse unter www.mercedes-benz.com/125

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