Jaguar XJ:Die Katze im Alu-Fell

Sprungkräftig und trittsicher: Die Luxuslimousine bietet die seltene Chance, mit einem englischen Auto glücklich zu werden.

Georg Kacher

(SZ vom 5. / 6. 4. 2003) - Die titanfarbene Limousine zoomt derart hurtig durch das Kurvengeschlängel, dass sich niemand wundern würde, wenn das Auto über einen straff gespannten Gummizug mit dem Horizont verbunden wäre.

Jaguar XJ: Die Form ist elegant, soll aber für die kommenden acht Jahre vorhalten.

Die Form ist elegant, soll aber für die kommenden acht Jahre vorhalten.

(Foto: Foto: Jaguar)

Obwohl das Drehmoment auf feuchter Piste mit den 20-Zöllern Katz und Maus spielt und der Kompressor ungehemmt in Richtung roter Bereich schnarrt, bewahrt der Jaguar die Fassung. Während sich das Auto bei unserem Vormittagsausflug in den Grenzbereich keine Blöße gibt, hängt Beifahrer Mike Cross beiläufig eingespreizt, stumm und ergeben im Kräfteparallelogramm aus Brembo-Bremse, ESP-Eingriff, Michelin-Grip und Mega-Drehmoment.

"Überlegene Fahrdynamik ist ein entscheidender Markenwert," rekapituliert der auch für Land Rover zuständige Fahrwerksspezialist ein wichtiges Entwicklungsziel. "Deswegen war es ganz wesentlich, das Gewicht beim neuen XJ niedrig zu halten und Aufhängung, Lenkung und Bremse auf ein Niveau zu bringen, dem sogar unsere deutschen Wettbewerber Respekt zollen werden."

Alu-Fell

Das Fell der neuen Katze besteht daher nicht mehr aus Stahl, sondern aus Aluminium. Das bringt im Vergleich zum Vorgänger 40 Prozent weniger Gewicht und 60 Prozent mehr Verwindungsfestigkeit.

Gebaut wird der XJ in Castle Bromwich, wo Mr. Siva sein Zepter schwingt: "Wir arbeiten in drei Schichten, fünf Tage die Woche. Die Lernphase ist noch nicht abgeschlossen, aber die Qualität stimmt und im neuen Werk steckt enormes Potenzial." Die Testwagen jedenfalls wirken wie aus dem Vollen geschnitzt, solide und sauber verarbeitet. Jaguar will alle künftigen Modelle auf Leichtbau umstellen.

Der neue XJ wiegt je nach Motorisierung zwischen 1545 und 1665 Kilogramm - der neue Alu-Audi-A8 ist mit Allradantrieb rund 150 Kilo schwerer, der aus Stahl gefertigte 7er BMW liegt sogar fast 250 Kilo über Jaguar-Niveau.

Dafür bietet der Engländer nur eine durchschnittliche Raumausnutzung. Das Design gefällt, aber es ist ungefähr so innovativ wie das Zifferblatt von Big Ben, und die Halbwertzeit des konservativen Gutsherren-Looks könnte in einem Missverhältnis zum Lebenszyklus stehen, der acht Jahre betragen soll.

Bewährtes Holz und Leder

Innen dominiert das beliebte My-Car-is-my-Castle-Ambiente mit viel poliertem Holzfurnier, noch mehr duftendem Leder und mit der Synthetikstimme aus dem Navigationssystem als vorlautem Schlossgeist. Wenn man von Kleinigkeiten wie dem Zündschlüssel auf Kniescheibenhöhe oder der überfrachteten Mittelkonsole einmal absieht, dann hat der frisch gebackene Schlossherr an seinem Besitz nicht viel auszusetzen. Besonders nett ist die elektrisch verstellbare Pedalerie, eine späte Hommage an den inzwischen geschassten Jac Nasser, den Konzernchef mit der Napoleon-Figur.

Wie A8, Phaeton und S-Klasse besitzt auch der neue Jaguar eine Luftfederung mit integrierter Niveauregulierung und einer zweiten, sportlich ausgelegten Kennlinie. Wem das nicht reicht, bestellt die noch sportlichere Sportabstimmung, die 780 Euro Aufpreis kostet (im XJR serienmäßig).

Spröde, aber sprungkräftig

Speziell in Verbindung mit den breiten 19- und 20-Zoll-Rädern wirkt der XJ Sport ein wenig spröde, aber dieses unmittelbare Ansprechverhalten steht ihm gut, denn es macht aus der Hauskatze bei Bedarf eine Raubkatze, die sprungkräftig und trittsicher ist und unverschämt reaktionsschnell.

Dennoch würden wir die im XJR serienmäßigen Brembo-Bremsen gerne auch in die schwächeren Modelle hineinkaufen können, wir wünschen uns eine um die Mittellage etwas reaktionsschnellere Lenkung, und statt der antiquierten zweiten Automatikgasse hätten wir gerne Schaltwippen am Lenkrad.

Fünf Versionen

Jaguar bringt den XJ Anfang Mai in fünf Versionen nach Deutschland. Als Grundmodell fungiert der 59.900 Euro teure XJ 6 mit dem 175 kW (238 PS) starken 3,0-Liter-V6-Motor. Eine Stufe darüber rangiert der 3,5-Liter-V8 mit 190 kW (258 PS) um 65.500 Euro, aufpreisfrei mit Ledersitzen - Jaguar hat aus der missratenen Einführung des X-Type offenbar die richtigen Schlüsse gezogen.

Der große 4,2-Liter-V8 mobilisiert 219 kW (298 PS) und steht mit 73.500 Euro in der Liste. Wenn nach oben noch Luft ist, sollte man den 291 kW (395 PS) starken XJR um 87.900 Euro in die engere Wahl ziehen.

Die Synthese aus Kompressortechnik und Luxusausstattung verkörpert der Super-V8, der für den Freundschaftspreis von 96.900 Euro zu haben ist. Zu teuer? Vielleicht - aber die deutsche Oberklasse kostet ausstattungsbereinigt noch mehr. Außerdem lassen sich emotionale Werte wie Flair und Ambiente schlecht in Euro und Cent umrechnen.

Wenn XJ, dann sollte es entweder der XJR oder der 3,5-Liter-Sport sein. Der kleine Achtzylinder geht nur unwesentlich schlechter (0-100 km/h in 7,6 Sekunden, 242 km/h Spitze) als der deutlich teurere große Bruder, ohne dass man Abstriche bei Handling, Straßenlage oder Komfort machen müsste.

Im Gegenteil: Der 3.5 wirkt eine Spur spritziger, dreht noch williger hoch und lässt sich wunderbar auf Zug fahren. Die Sechsgang-Automatik teilt den Drehmomentkuchen in faire Portionen, die Doppelquerlenker-Radaufhängung nivelliert Schlaglöcher und Querfugen, die Richtungsstabilität verdient selbst unter widrigen Bedingungen eine Eins mit Stern.

Noch mehr Spaß macht naturgemäß der Kompressormotor, der turbinengleich ansatzlos abzieht, auch jenseits von 160 km/h kräftig zulegt und der mit sich und seinen Massenkräften im Reinen ist. Wo die Radarfalle gütig den Blick senkt, dort beschleunigt der XJR in 5,3 Sekunden von Null auf 100 km/h und zügig weiter bis an den Begrenzer bei 250 km/h. Der Verbrauch ist dabei so variabel wie der Gasfuß, der ihn bestimmt - zwischen elf und 20 Liter ist alles möglich.

Fazit: Der neue Jaguar bereichert die Welt der noblen Autos um ein ebenso klassisches wie individuelles Element. Und er bietet die ziemlich seltene Chance, ein englisches Auto zu kaufen und damit glücklich zu werden.

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