Jaguar XE im Fahrbericht:Durchtrainiert, aber unausgewogen

Der neue Jaguar XE.

Die Preisspanne reicht beim Jaguar XE von 36 450 Euro (200-PS-Benziner) bis 54 600 Euro (V6-Kompressor mit 340 PS).

(Foto: STG)
  • Mit dem XE tritt Jaguar ab Sommer im Segment von Audi A4, BMW Dreier und Mercedes C-Klasse an.
  • Bei einer ersten Testfahrt machte die Vorserienversion noch einen unausgewogenen Eindruck - vor allem als Diesel.
  • Dafür ist der XE ausgesprochen fahraktiv. Vor allem die Lenkung überzeugt.

Von Georg Kacher

Design ist Geschmackssache. Nicht aber ein strömungsgünstiger Luftwiderstandsbeiwert von 0,26, die in dieser Klasse unüblichen optionalen 20-Zöller, der lange Radstand von 2,84 Meter sowie die leichte und steife Alu-Rohkarosse. Die anspruchsvolle Radaufhängung - Doppelquerlenker vorne, Integrallenker hinten - unterstreicht den Anspruch des Jaguar XE, als sportlichstes Auto in diesem Segment gegen Audi A4, BMW Dreier und Mercedes C-Klasse bestehen zu können.

Wer seine durchtrainierte Figur betonen möchte, der trägt gerne körpernahe Kleidung, und das trifft im übertragenen Sinn auch auf den Jaguar zu, der im Fond eher eng geschnitten ist und mit 455 Liter etwas weniger Gepäckraum bietet als die Konkurrenz. Der Tank fasst je nach Motorisierung zwischen 47 und 63 Liter.

Knurrig, laut und vibrationsstark

Der Vorserien-Diesel hinterließ einen unfertigen Eindruck. Der 180-PS-Motor hängt zwar gut am Gas und schiebt von 1750 bis 2500/min satte 430 Nm in Richtung der optionalen Achtgangautomatik. Doch die Maschine klingt knurrig und läuft weder leise noch vibrationsarm. Außerdem weigert sich das Getriebe im Komfort- und Eco-Modus, bei mittleren Drehzahlen auf Kick-down-Befehle mit prompten Rückschaltvorgängen zu reagieren. Nur im Sportprogramm ist das Räderwerk wirklich bei der Sache.

Der Innenraum des Jaguar XE.

Der Innenraum des Jaguar XE hat durchaus BMW-Niveau, aber auch Detailschwächen.

(Foto: STG)

Die Bremse des Testwagens war trotz relativ hohem Kraftaufwand kein Meister der raschen Verzögerung, was auch am nicht perfekten Spritzwasserschutz gelegen haben mag. Ganz anders die größere Sportbremse des XE S: Die roten Sättel packen spontan zu, bauen nachhaltig Energie ab und lassen sich sauber dosieren.

Zwiespältige Aufpreispolitik

Der Innenraum hat BMW-Niveau, kann aber mit der Audi-Qualität und der Mercedes-Anmutung nicht ganz mithalten. Die kleinen Instrumente sitzen in tiefen Höhlen, das Touchscreen-Navi (Dreier und C-Klasse haben größere Bildschirme) arbeitet weniger intuitiv als die Systeme der deutschen Premiummarken, die Ausstattung wird erst durch Zukauf diverser Pakete wirklich komplett.

Apropos Ausstattung: So manche nützlichen Extras wie Allradantrieb, adaptives LED-Licht, Nachtsichtgerät, Massagesitze oder zusätzliche Assistenzsysteme sucht man in der langen Aufpreisliste vergebens. Dafür bietet Jaguar eine konkurrenzlos große Auswahl an Lederfarben, Kontrastnähten, Paneelen und Rädern. Die vier Linien - Pure, Prestige, Portfolio und R-Sport - lassen sich nach Belieben mit allen Motorisierungen kombinieren. Nur das betont sportliche S-Paket ist an den 3,0-Liter-V6 gebunden.

Großes Motorenangebot

Der neue Jaguar XE.

Mit seinen klaren, aber etwas mutlosen Linien gibt der XE das Jaguar-Design der nächsten Jahre vor.

(Foto: STG)

Günstigster XE ist der 200 PS starke 2,0-Liter-Turbo-Benziner um 36 450 Euro, Automatik inklusive. Von 39 750 Euro an gibt's den gleichen Motor mit 240 PS Leistung. Beide Varianten verbrauchen im Schnitt 7,5 l/100 km, doch mit der großen Maschine läuft der Jaguar 250 statt 237 km/h Spitze und spurtet in 6,8 statt 7,7 Sekunden von null auf 100 km/h.

Besonders sparsam ist der 36 500 Euro teure XE E-Performance, dessen 163 PS starker 2,0-Liter-Selbstzünder sich laut Werksangabe im Schnitt mit 3,8 l/100 km begnügt; das entspricht 99 g/km CO₂. Zum gleichen Preis bekommt man den 180-PS-Diesel, der in 7,8 statt 8,2 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigt, 228 km/h schnell ist und 4,2 Liter verbraucht.

Im Topmodell schnurrt ein 340 PS starker V6-Kompressormotor. Der XE S sprintet in 5,1 Sekunden von null auf 100 km/h, wird bei 250 km/h sanft abgeregelt und genehmigt sich 8,1 l/100 km. Mit 54 600 Euro ist die 3,0-Liter-Variante fast 11 000 Euro teurer als der kräftigste Vierzylinder im R-Sport-Trimm.

Agiles Handling, gute Lenkung

Zum Ausgleich für diverse Detailschwächen verwöhnt uns der Mittelklasse-Jaguar mit einem Fahrerlebnis der besonderen Art. Selbst der noch unfertige Diesel glänzt durch sein agiles Handling, die sauber geerdete Straßenlage und eine tadellose Richtungsstabilität.

Ganz neu und auf Anhieb erstaunlich gut gelungen ist die elektromechanische Servolenkung, deren Abstimmung und Auslegung sich deutlich von einer klassischen Hydrolenkung unterscheidet. Um die Mittellage, wenn die Lenkhilfe Pause macht und der Wagen Sprit spart, wirkt der Richtungsfinder in sich ausgesprochen gefestigt. Bei zunehmendem Einschlag überzeugen das rasche Ansprechverhalten, die saubere Gewichtung und der gute Fahrbahnkontakt. Nur wenn der XE selbsttätig kleine Korrekturen vornimmt oder wenn das Rückstellmoment bei der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr allzu autonom und linear ausfällt, wirkt das Zaumzeug eher virtuell.

Das adaptive Fahrwerk (1100 Euro Aufpreis) gibt sich in der Komfortstellung gelassen und im Sportmodus straff. Das gilt nicht nur für die Dämpfer, sondern auch für die Kennung von Motor, Getriebe und Lenkung.

Unterhaltsames Topmodell

Ob der XE, wie von Jaguar angekündigt, wirklich so dynamisch unterwegs ist wie ein Dreier und gleichzeitig so geschmeidig wie die C-Klasse, wird erst der direkte Vergleich zeigen. Uns hat es vor allem das sehr unterhaltsame S-Modell angetan, das trotz der breiten 19-Zoll-Räder ordentlich federt und ohne Zicken abrollt. Obwohl der Kompressor schon bei 1000 Touren mächtig anschiebt, mag der V6 hohe Drehzahlen: die Nennleistung fällt erst bei 6500/min an. Der XE S geht sogar etwas besser als ein identisch motorisierter F-Type, und er klingt mindestens genauso gut - weniger laut und nicht so prollig, dafür sonor, kehlig und unter Volllast ein klein wenig böse.

Bis zum Verkaufsbeginn werden noch 600 Vorserienfahrzeuge vom Band laufen. Im Rahmen dieses finalen Countdown stehen in erster Linie Software-Änderungen, das Feintuning der Dieselaggregate und die Freigabe der finalen Werkstoffauswahl auf der Agenda. Nur das Design bleibt bis ins Detail so wie es ist. Mehr noch: die Frontpartie des XE ist dazu auserkoren, das Gesicht der Marke zu prägen. XE, XF, XJ werden sich künftig so ähnlich sehen wie wir das von Audi, BMW und Mercedes kennen. Erst wenn Jaguar zur festen Größe im Premiumsegment geworden ist, wird es wieder mutigere Formen geben.

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