Italienische Luxusmarke für Sportwagen:Maserati rüstet auf

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Der viertürige Ghibli stellt sich der Konkurrenz aus München, Ingolstadt und Stuttgart. (Foto: dpa-tmn)

Maserati-Chef Harald Wester will mehr verkaufen als Ferrari. Die Pläne für die Produkt-Offensive in den nächsten Jahren stehen fest. Mit einem Milliardenaufwand wird die Modellpalette erneuert. Die Limousinen Quattroporte und Ghibli sind erst der Beginn des geplanten Neuanfangs. Auf einige technische Details haben die Italiener allerdings keine Antwort parat.

Von Georg Kacher

Wo war Maserati vor zehn Jahren? Dort, wo sich die Marke in den vergangenen 99 Jahren bevorzugt aufhielt: im finanziell schütteren Mittelmaß. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen, als die fünf Maserati-Brüder 1914 ins Geschäft mit Monoposti und Rennsportwagen einstiegen.

Erst 1946 bauten die Italiener unter der Leitung von Graf Orsi den ersten Personenwagen mit Straßenzulassung. Es folgten Klassiker wie 3500 GT, Mistral, Sebring und Ghibli. Doch die Marke verzettelte sich: Formel 1, Rennsportwagen, Straßenautos - 1968 rettete nur eine 60-Prozent-Beteiligung von Citroën das Unternehmen vor der Insolvenz. Mit frischem Geld aus Paris entstanden unter der Regie von Giulio Alfieri unter anderem die zweite Quattroporte-Generation, die Mittelmotor-Coupés Bora und Merak sowie der ultra-lässige Khamsin. Leider entpuppten sich auch die Franzosen als klamme Geschäftspartner. Diese Gelegenheit packte der argentinische Geschäftsmann Alejandro de Tomaso beim Schopf, der Maserati mit der Biturbo-Baureihe erstmals in der oberen Mittelklasse positionieren wollte. Doch der Erfolg blieb aus, die Qualität ließ nach, und als 1993 der Konkursrichter Tabula rasa machte, kümmerte sich Fiat um den Scherbenhaufen. Der fünfte Neuanfang in der Unternehmensgeschichte nahm erst mit dem Debüt des fünften Quattroporte und der Typen GranTurismo/GranCabrio eine Wende zum Besseren.

Maserati will durchstarten

"Diesmal starten wir durch", verspricht Harald Wester, der Maserati zu einem Hersteller von zeitgemäßen Automobilen geformt hat. "Die Produktion wurde vollkommen umgekrempelt, die neuen Motoren entstanden im Schulterschluss mit Ferrari, die Modellpalette orientiert sich endlich an den Wünschen des Marktes." Also kann eigentlich nichts mehr schiefgehen? "Das hoffen wir", sagt Wester. "Aber die größte Herausforderung der nächsten zwölf Monate ist ohne Frage der reibungslose Anlauf der beiden Viertürer."

Fiat hat rund eine Milliarde Euro in das neue, hoch automatisierte Werk bei Grugliasco investiert, das in der letzten Ausbaustufe mehr als 1500 Mitarbeiter beschäftigen soll. Neben dem Quattroporte läuft dort jetzt auch der Ghibli vom Band. Der Gleichteileanteil zwischen beiden Modellen beträgt je nach Motorisierung und Ausstattung zwischen 45 und 50 Prozent. Das Geschäftsmodell basiert auf dem kleineren Wagen, der als Diesel für mindestens 64.980 Euro zu haben ist. Anders ausgedrückt: Während sich die Ghibli-Rendite im üblichen Rahmen bewegt, verdient der mindestens 107.695 Euro teure Quattroporte schon in kleinen Stückzahlen richtig Geld. Kein Wunder, dass auch die Nachfolger der 2+2-sitzigen Sportwagen an die Matrix andocken werden.

Der Ghibli fährt sich wie das, was er ist: ein kleiner Quattroporte. Nüchtern betrachtet spricht nicht zu viel für den knapp fünf Meter langen Viertürer, denn die Konkurrenz aus München, Ingolstadt und Stuttgart ist günstiger, noch kräftiger motorisiert und zu vergleichbaren Preisen serienmäßig mit Allradantrieb ausgerüstet. Auch den Ghibli gibt es als Q4, doch nur in Verbindung mit dem 410 PS starken V6. Der Benziner mit 330 PS und der 3,0-Liter-V6-Diesel, der 275 PS und 600 Nm mobilisiert, übertragen die Kraft an die Hinterräder. Wester erklärt, warum: "Die Jahresproduktion beträgt maximal 25.000 Autos, davon sind nur 18 Prozent Diesel. Das reicht nicht, um die Allrad-Adaption zu bezahlen. Doch ohne den Diesel bräuchten wir in Europa gar nicht anzutreten, denn in manchen Märkten beträgt sein Anteil bis zu 90 Prozent." Weil der Ghibli D mit 275 PS nicht gerade übermotorisiert ist, arbeitet das Team um Paolo Martinelli bereits an einer stärkeren Variante mit 350 PS und 800 Nm, die auch im Quattroporte und im Levante arbeiten soll.

Im Sportmodus erklingt die sonore Begleitmusik

Von außen deutet kein einziges Detail darauf hin, dass in diesem Auto ein Diesel Dienst tut. Innen verrät nur der ab 4400 Touren rot markierte Drehzahlmesser den Selbstzünder. Der 1835 Kilo schwere Fünfsitzer grollt in 6,3 Sekunden von null auf 100 km/h, ist 250 km/h schnell und konsumiert nur 5,9 Liter/100 km. In der Praxis ist es uns freilich nicht gelungen, den Verbrauch unter zehn Liter zu drücken. Der erstaunlich laufruhige 24-Ventiler hängt gut am Gas und bietet schon bei 2000/min sein maximales Drehmoment. Ganz famos klingt die sonore Begleitmusik, die im Sportmodus mithilfe von Soundaktuatoren zur Hochform aufläuft. Weniger toll empfanden wir das schmale nutzbare Drehzahlband, das zu häufigem Schalten zwingt. Einerseits ist die Maschine wenig drehfreudig, andererseits reagiert sie trotz der geringen Differenzdrehzahlen erst spät auf Rückschaltwünsche per Lenkradpaddel. Die in den unteren Gängen eng gestufte Achtgangautomatik adelt den Ghibli in den beiden obersten Gängen zum entspannten Gleiter. Leider rastet der Rückwärtsgang so beiläufig ein wie im Audi A8 - ZF sollte rasch nachbessern.

Bei Maserati verweist man stolz auf die Italianitá, das Teillast-Belcanto, die Manufaktur-Qualität der Lederausstattung und das Design, dessen vom Marketing postulierte Querverbindung zum legendären Birdcage allerdings arg weit hergeholt erscheint. Kein Wort verlieren die Vertreter der Marke über Assistenzsysteme und alternative Antriebe. "Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden", heißt es auf Nachfrage, "der Hybrid wird kommen, wenn die Zeit reif ist. Bei den Fahrhilfen sind wir auf Zulieferer angewiesen. Wichtig ist, dass die Basis-Technik steht und die Qualität stimmt." Der Ghibli D ist zwar kein Ausbund an Dynamik, aber er federt mit den serienmäßigen 18-Zöllern viel geschmeidiger als der Quattroporte mit den überharten 21-Zöllern, er kombiniert viel Grip mit bodenständiger Straßenlage, und er punktet darüber hinaus mit unterhaltsamem Eigenlenkverhalten und souveräner Verzögerung. Nur mit der leichtgängigen Lenkung mochten wir uns nicht wirklich anfreunden, denn sie wirkt artifiziell, baut wenig Rückstellmoment auf und neigt um die Mittellage zum Pendeln.

2014 startet der Crossover Levante, der zum meistverkauften Maserati avancieren dürfte. Obwohl Rohbau und Elektronik gewisse Ähnlichkeiten mit dem Jeep Grand Cherokee aufweisen, wird der Wagen nun doch in Italien gebaut. Das Design ist eine Evolution des Kubang Show Car, die Positionierung nimmt sich den Cayenne zum Vorbild, die Motoren stammen aus dem Regal, der Allradantrieb folgt dem Q4-Prinzip. Zur 100-Jahr-Feier im nächsten Jahr könnte Maserati den Nachfolger des MC12 aus dem Hut zaubern, der allerdings erst ab 2016 verfügbar sein dürfte. Wie das Original aus dem Jahre 2004 versteht sich der neue Supersportwagen als exklusive Zweitverwertung des aktuellen Top-Ferrari. Während der auf 499 Stück limitierte LaFerrari längst ausverkauft ist, werden vom Gegenstück aus Modena vermutlich nur 50 bis 100 Einheiten hergestellt - unter Umständen ohne Hybrid-Baustein und sicher mit komplett neuer Außenhaut. Die für 2015 und 2016 avisierten Nachfolger von GranTurismo und GranCabrio bedienen sich der DNA von Quattroporte und Ghibli. Das spart Gewicht und Kosten. Am Charakter, den Abmessungen und der Technik wird sich nicht viel ändern, aber der Allradantrieb wäre natürlich auch für die wie gehabt mit V8-Motoren bestückten GT-Modelle eine interessante Option.

Das Ziele: Eine neue Sportwagen-Generation entwickeln

Mittelfristig will Harald Wester für Maserati eine neue Sportwagen-Generation entwickeln. "Schärfer gewürzt, kompakt und leicht, fahrdynamisch überragend und mit dem Sechszylinder ideal motorisiert", so beschreibt er das neue Auto. Der Gedanke, den neuen Sportwagen vom Mittelmotorcoupé Alfa 4C abzuleiten, ist wieder vom Tisch - zu teuer für eine größere Serie, zu klein für den V6, zu eng für die schon etwas ältere Zielgruppe, zu wenig kompatibel mit den übrigen Modellen.

Stattdessen wird in der Viale Cesare Menotti an einem innovativen Front-Mittelmotorauto getüftelt, das wohl erst 2016 oder 2017 kommt. Leichtbau ist auch hier oberstes Gebot, allerdings mit Aluminium als wichtigstem Trägermaterial statt Carbon wie beim 4C. Geplant sind ein Coupé und ein Spyder, beide als Zweisitzer, Neungangautomatik mit Schnellschaltfunktion, Doppelquerlenker-Fahrwerk sowie drei Leistungsstufen des doppelt aufgeladenen 3,0-Liter-V6: 330 PS (GTS), 410 PS (MC) und 460 PS (Stradale). Die angepeilte Preisspanne reicht von 90 000 bis 120 000 Euro, das Volumen dürfte zwischen 5000 und 8000 Autos pro Jahr liegen. Sieht fast so aus, als ob die Ära des stumpfen Dreizacks endgültig zu Ende ist.

© SZ vom 29.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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