Interview mit Gerhard Schmidt:Auf dem Weg zum Weltauto

Der Forschungschef von Ford, Gerhard Schmidt, über die globale Strategie des Konzerns, eine Revolution in den USA und seine Skepsis gegenüber Vollhybriden.

Joachim Becker

Weltgrößter Hersteller von Spritschluckern oder Visionär einer grünen Zukunft? Nirgends in der Automobilindustrie ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit größer als bei der Ford Motor Company in Dearborn. Ex-Boss Bill Ford trat für umweltverträgliche Autos ein und verkaufte gleichzeitig durstige Pick-ups und Vans wie kein anderer Hersteller. Nach Milliardenschulden und Massenentlassungen wird der globale Konzern neu aufgestellt. Wir sprachen darüber mit Gerhard Schmidt, dem weltweiten Ford-Chef für Forschung und Vorentwicklung.

Interview mit Gerhard Schmidt: Skeptisch, ob sich die Voll-Hybride durchsetzen werden: Ford-Forscher Schmidt.

Skeptisch, ob sich die Voll-Hybride durchsetzen werden: Ford-Forscher Schmidt.

SZ: Traditionsmarken wie Jaguar und Land Rover gelten als wichtige Imageträger im globalen Automarkt. Warum verkauft Ford die Kronjuwelen des Konzerns?

Schmidt: Der Abstrahleffekt dieser beiden Luxusmarken war viel geringer als die Experten in den neunziger Jahren erwartet hatten. Kein Kunde hat einen Ford gekauft, weil Jaguar und Land Rover zur Ford-Gruppe gehören. Während die Premiummarken zu viele technische Inhalte selbst entwickelten, die im Konzern nicht weiter genutzt werden konnten, haben wir andererseits bei Ford vielleicht zu sehr auf die Kosten geschaut. Wir konzentrieren uns jetzt wieder auf die Kernmarke Ford und stärken sie.

SZ: Kinetic Design, effiziente Dieselmotoren und hochwertige Kompaktautos - ist Ford Europa heute der Vorreiter des globalen Ford-Konzerns?

Schmidt: Ich würde sagen, dass Ford mittlerweile sehr international ausgerichtet ist. Allein in der Forschung und Vorentwicklung arbeiten Fachleute aus 55 Nationen. Der neue Fiesta, der jetzt in Genf Premiere feiert, ist eines unserer ersten globalen Fahrzeuge. Mit seinem flexiblen Teilebaukasten kann er die Kundenwünsche in Europa, Asien und den USA individuell erfüllen. Früher haben wir dezentral für die verschiedenen Märkte jeweils unterschiedliche Produkte entwickelt.

Das ist ein Luxus, den man sich im harten Wettbewerb heutzutage nur noch sehr schwer leisten kann. Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil man mit neuen Modellen zu langsam auf Kundenwünsche reagiert. Vor gut einem Jahr haben wir die Marke Ford deshalb mit einer globalen Strategie und zentralen Entwicklungsfunktionen neu ausgerichtet.

Auf dem Weg zum Weltauto

SZ: Haben sich die Ansprüche der Kunden weltweit angenähert?

Schmidt: In den USA findet seit zirka zwei Jahren eine Segment-Verschiebung statt. Aufgrund der riesigen Entfernungen und niedrigen Kraftstoffpreise hatte sich dort eine Kultur der großen, komfortablen Autos herausgebildet. CO2 war kein Thema, es ging nur um Clean Air, also saubere Abgase für Ballungszentren. Bei der Marke Ford erreichten SUVs und Pick-up-Trucks einen Anteil von bis zu 70 Prozent.

Durch die Umweltdiskussion und den sprunghaft gestiegenen Ölpreis hat hier ein Umdenken eingesetzt. Der Gesetzgeber fordert, dass die Fahrzeuge bis 2020 im Schnitt 35 Miles per Gallon fahren sollen - umgerechnet sind das rund sechseinhalb Liter auf 100 Kilometer: Das bedeutet eine Revolution für den dortigen Fahrzeugmix! Bislang war der Focus unser kleinstes Fahrzeug in USA, jetzt bringen wir dort den Fiesta als Einstiegsmodell. Das ist auch deshalb möglich, weil der Kleinwagen erwachsen geworden ist und mehr Raum bietet.

SZ: Planen Sie ein kompaktes SUV unterhalb des neuen Kuga?

Schmidt: Das ist ein gutes Stichwort. Der Kuga wird uns mit jährlich rund 65.000 Einheiten noch viel Freude machen. In Amerika haben wir mit dem Escape für dortige Verhältnisse bereits ein relativ kompaktes SUV in der Größe des BMW X3. Der Kuga ist nicht als Weltmodell entstanden, die Frage nach weiteren Fahrzeugen dieser Art überlassen wird deshalb zunächst Ford Europe.

SZ: Bill Ford hat schon Ende der neunziger Jahre vor dem Treibhauseffekt gewarnt und eine größere Flotte von grünen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben eingefordert. Passiert ist bei Ford in dieser Hinsicht nicht sonderlich viel.

Schmidt: Das mag teilweise für den US-Markt zutreffen - in Europa hingegen nehmen wir eine Spitzenposition für verbrauchsgünstige Fahrzeuge ein. In Amerika aber waren die Kunden nicht bereit, die höheren Kosten für alternative Antriebe zu zahlen und wir hatten finanziell wenig Spielraum. Personenwagen und Trucks sind nur zu 20 Prozent an den CO2-Emissionen beteiligt, andere Industrien sind ebenfalls involviert, aber wir stellen uns dem Problem: Wir werden die Benziner konsequent auf Direkteinspritzung und Hochaufladung umstellen.

Die neuen V6-Motoren für Amerika leisten so viel wie Achtzylinder, sind aber deutlich sparsamer. Auch Diesel haben dort mittelfristig ein Marktpotential von bis zu 15 Prozent. Weitere Maßnahmen wie Energierückgewinnung beim Bremsen und Start-Stopp-Systeme sind in Vorbereitung. Ich bin aber skeptisch, ob sich Voll-Hybride, die wir in den USA schon anbieten, in Europa durchsetzen werden.

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