Intermot in Köln:Motorräder in klassischer Optik sind besonders gefragt

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Retro liegt auch bei Motorrädern voll im Trend: Die R nineT Pure (links) und der R nineT Racer von BMW (Foto: dpa-tmn)
  • Noch bis Sonntag, den 9. Oktober, findet in Köln die Motorradmesse Intermot statt.
  • Unter den vielen Neuheiten sind vor allem Motorräder im Retro-Design, aber mit moderner Technik.
  • Außerdem entdeckt die Branche eine Klientel für sich, der sie vorher eher kritisch gegenüberstand: die Customizer.

Von Peter Fahrenholz

Natürlich sind Messen dazu da, um Neuheiten zu präsentieren. Aber zugleich spiegeln sie auch den Zeitgeist wider, der die Produkte prägt. In beiden Punkten hat die Intermot in Köln, neben der Eicma in Mailand die führende internationale Motorradmesse, in dieser Woche Akzente gesetzt. "Es wird ein wahres Feuerwerk an Neuheiten geben", hatte Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kölner Messe, zum Auftakt der Intermot angekündigt.

Das hat nicht nur mit purer Innovationsfreude der Branche zu tun, sondern auch mit den veränderten Vorschriften. Die verschärften Abgaswerte nach der Euro-4-Norm sowie die Bestimmung, dass ab 2017 alle neu zugelassenen Motorräder mit ABS ausgerüstet sein müssen, hat die Hersteller gezwungen, ihre Modellpalette zu durchforsten. Das hat zu zahlreichen Neuerungen geführt, mal als völlig neues Modell, mal als mehr oder minder starke Überarbeitungen bestehender Modelle.

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Die Japaner verabschieden sich von ihren schweren Cruisern

Und wo sich eine Anpassung an die neuen Normen nicht mit den Verkaufszahlen in Einklang bringen lässt, verschwinden bestimmte Maschinen eben vom Markt. So verabschieden sich die Japaner still und heimlich von ihren schweren Cruisern, die jahrelang als preiswertere Alternative zur übermächtigen Konkurrenz von Harley-Davidson ihre Liebhaber gefunden haben. Kawasaki hat die VN-Baureihe ganz aus dem Programm genommen, bei Yamaha werden die alten Modelle abverkauft und bei Suzuki stehen die Intruder-Modelle zwar noch im Katalog, aber Nachfolger sind nicht in Sicht.

Weil Motorradfahrer in ganz unterschiedliche Fraktionen zerfallen, die sich zum Teil mit gegenseitiger Verachtung begegnen, decken auch die Neuerungen ein breites Spektrum ab. Von Supersportlern (obwohl dort die Verkaufszahlen seit Jahren rückläufig sind) über das von Käufern stark frequentierte Feld der Reise-Enduros und schweren Maschinen aus der Welt von Harley und Indian bis zu Naked Bikes und Angeboten für Motorradnovizen, die nicht mehr als 48 PS unter dem Hintern haben dürfen, reicht das Angebot. Weil weitere Neuheiten erst im November auf der Eicma in Mailand vorgestellt werden, kann man durchaus von einem Feuerwerk an neuen Maschinen sprechen.

Zurück zu den Wurzeln des Motorradfahrens

Und dann gibt es eben auch noch die zweite Antriebsfeder: den Zeitgeist. Er hat das Motorradfahren in einer Weise belebt, von der die Hersteller jahrelang nur träumen konnten. Motorradfahren gilt seit ein paar Jahren wieder als cool. "Der Zeitgeist ordnet das Motorradfahren in das Lebensgefühl der Metropolen ein", sagte Heiner Faust, Präsident des Industrieverbandes Motorrad (IVM) mit einer Portion Pathos zu Beginn der Intermot.

Der Zeitgeist will aber die richtige Art von Motorrad, er sehnt sich gewissermaßen nach den Wurzeln des Motorradfahrens zurück. Und hat damit eine Art von Retrowelle ausgelöst, auch wenn die Hersteller das Wort nicht so gerne hören, weil es so klingt, als gehe es hier um etwas Angestaubtes.

Tatsächlich sind viele Hersteller tief in ihre eigene Historie eingetaucht und bieten zeitgemäße Interpretationen klassischer Maschinen an, optisch an alte Vorbilder angelehnt, technisch auf dem neuesten Stand und von den Materialien her auf Hochwertigkeit und Ästhetik bedacht. Das hat in Köln einen guten Teil des gesamten Feuerwerks ausgemacht.

BMW präsentierte gleich zwei Derivate seiner "R NineT"-Familie, Triumph sogar drei neue Varianten der Bonneville-Reihe, Honda und Yamaha zollen dem Klassik-Trend ebenfalls mit neuen Maschinen Tribut. Ducati hat es geschafft, seine erfolgreiche Scrambler praktisch als eigenständige Untermarke zu etablieren, aus Marketingsicht samt dem dazugehörigen Lebensgefühl. Wer die Werbefilme und Prospekte der Hersteller in diesem Segment betrachtet, bekommt das Gefühl vermittelt, mit der richtigen Maschine nicht nur jede Menge cooler Freunde zu gewinnen, sondern auch die Freiheit von den Zwängen des Alltags.

Customizer sind nun ausdrücklich erwünscht

Und auch die Freiheit, sein Motorrad nach eigenen Wünschen zu verändern. Das hat der Customizing-Szene ungeahnten Auftrieb verschafft. Customizer, also Leute, die Motorräder umbauen, entweder in einer professionellen Werkstatt oder als Hobby-Schrauber in der eigenen Garage, hat es immer gegeben. Von den Herstellern wurden sie lange eher mit Skepsis betrachtet. Das hat sich komplett geändert. "Customizer erwünscht", hat BMW-Motorrad-Chef Stephan Schaller in Köln gesagt. Dieser Bereich, so Messe-Chef Böse, "entwickelt sich rasant".

In Köln hat sich das so deutlich gezeigt wie nie. In einer eigenen Halle war die Custom-Welt vereint. Stände von Herstellern, die eigene Umbauten zeigten. Renommierte Motorradschmieden wie Walzwerk, deren Chef Marcus Walz auch das offizielle Intermot-Custombike konzipiert hat. Und kleine Anbieter, die Handwerk auf höchstem Niveau abliefern. Keine Showstücke für die Garagen reicher Sammler, sondern fahrbare Unikate für den Alltag, mit dem Segen des TÜV. Das hat seinen Preis. Ein professioneller Umbau kann, je nach Ausmaß, schnell in die Zehntausende gehen.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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