Infrastrukturprojekt der Bahn:Die Bahn baut die Rheintalstrecke aus - und ist wohl 2041 fertig

Infrastrukturprojekt der Bahn: Ein Kran hebt im Frühjahr 2016 das Schneidrad der Tunnelbohrmaschine in Rastatt ein. Seither fräst sich das Monstrum durch den Boden.

Ein Kran hebt im Frühjahr 2016 das Schneidrad der Tunnelbohrmaschine in Rastatt ein. Seither fräst sich das Monstrum durch den Boden.

(Foto: Sebastian Roedig, DB AG)

Der stark belastete Abschnitt von Karlsruhe nach Basel ist enorm wichtig für den Güterverkehr. Mancherorts wird längst gebaut - und anderswo gibt es Streit mit den Anwohnern.

Von Marco Völklein

Ein kleiner Zug fährt jetzt schon im Tunnel. Natürlich nicht mit Tempo 250, wie später mal. Und auch nicht mit mehreren Hundert Passagieren oder tonnenschweren Gütern an Bord. Diese kleine Bahn hier bietet einem knappen Dutzend Arbeiter Platz in einem rumpelnden Transportwagen. Und auf anderen Waggons fährt er Spezialmörtel rein in die Röhre zum Abdichten der Außenwand. Oder haufenweise "Dichtschwanzfett", damit beim Vortrieb der Tunnelbohrmaschine kein Wasser aus der Umgebung eindringt.

Seit Mai 2016 wird unter dem badischen Rastatt gebohrt und betoniert. Bis zum Sommer 2018 soll der Rohbau stehen für die beiden je vier Kilometer langen Eisenbahnröhren. Pro Tag kommt jede der beiden Tunnelbohrmaschinen im Schnitt etwa 13 Meter voran. Steht die Röhre, werden Arbeiter Gleise verlegen, Signale installieren, Oberleitungen montieren. Bis 2021 soll das alles abgeschlossen sein. Ein ganzes Jahr lang geben sich die Ingenieure dann noch für die Abnahme des Tunnels und die Techniktests. Von "Hochtastfahrten" spricht Projektleiter Philipp Langefeld. Schritt für Schritt werden sich die Züge an das angepeilte Höchsttempo von 250 Stundenkilometern heranarbeiten. Im Dezember 2022, sagt Langefeld, soll der Tunnel dann in Betrieb gehen.

Die beiden Röhren unter Rastatt sind Teil der Neu- und Ausbaustrecke Karlsruhe-Basel. Das Projekt ist eines der größten Bahnprojekte im Land - und erhält dennoch weniger Aufmerksamkeit als zum Beispiel die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Dabei ist auch das Projekt am Oberrhein lange umstritten gewesen; es gab lautstarke Proteste von Anwohnern und Betroffenen. Mehr als 20 000 Menschen engagierten sich in einem guten Dutzend Bürgerinitiativen. Die wiederum schlossen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen, zur IG BOHR (das steht für "Bahnprotest an Ober- und Hochrhein"). Wenn die Ingenieure der Bahn in Stadthallen ihre Pläne präsentierten, wurden sie von verärgerten Bürgern beschimpft und ausgepfiffen. Bei Politikern in der Region gingen Waschkörbeweise Beschwerdeschreiben ein. Das wichtige Großprojekt sei anfangs "von oben herab" geplant worden, sagt einer aus der Güterbahnbranche. Und am Ende hätten die Bürger die Planer "in die Knie gezwungen".

Dabei waren sich die Leute von der Bahn und die Menschen am Rhein über eines einig: Um den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, muss die mehr als 150 Jahre alte Rheintalbahn ausgebaut werden. Mit mehr als 250 Zügen täglich sei sie bis an die Kapazitätsgrenze ausgelastet, sagt die Bahn. Roland Diehl von der IG BOHR spricht von der "am stärksten belastete Transitgüterstrecke Europas". Die Gleise gelten als Hauptzulauf zum 2016 fertiggestellten Gotthard-Basistunnel und sind Kern eines europäischen Güterkorridors, der sich von Rotterdam über Köln und Basel bis nach Mailand und Genua zieht. Der Ausbau von zwei auf vier Gleise sei dringend notwendig, betont Diehl. Er müsse aber "menschenverträglich, umweltgerecht und zukunftsfähig" ausfallen.

Die Bahn muss viele Kompromisse eingehen

Und genau da lagen die Planer der Bahn und die Vertreter der Anrainer lange im Clinch. So wollte der Schienenkonzern die zusätzlichen Gleise parallel zur bestehenden Trasse legen, also quer durch zahlreiche Orte an der Strecke. 1,7 Millionen Einwohner wären direkt oder indirekt davon betroffen gewesen, sagt Diehl. "Das konnten und wollten wir nicht akzeptieren."

In einem langwierigen Dialogprozess erwirkten die Bürgerinitiativen eine teilweise Um- und Neuplanung. So wollte die Bahn durch Offenburg hindurch eine Trasse mit hohen Lärmschutzwänden führen; nun wird ein zweigleisiger Tunnel für Güterzüge geplant. Weiter südlich davon erreichten die Bürgerinitiativen, dass die zusätzlichen Gleise nicht durch Städte wie Lahr gebaut werden, sondern ein ganzes Stück weiter westlich entlang der bestehenden Autobahn A5. Und während die Bahn zwar von Anfang an eine Umfahrung Freiburgs vorgesehen hatte, bewirkten erst die Proteste der Anwohner, dass südlich der Stadt die zusätzlichen Gleise in weiten Teilen in einem Trog verschwinden.

Bereits der fünfte Manager verantwortet das Großprojekt

Sechs Jahre wurde verhandelt, am Ende setzten sich die Bürgerinitiativen weitgehend durch. 2016 beschlossen der Bundes- und der Landtag in Stuttgart, etwas mehr als zwei Milliarden Euro zusätzlich bereitzustellen. Erst als die Politiker "den heißen Atem der Bürger im Nacken gespürt" haben, sagt Diehl, habe sich etwas bewegt. Projektleiter Langefeld ergänzt, man habe nun endlich "eine Grundlage, auf der wir weiterarbeiten können".

Langefeld ist mittlerweile der fünfte Manager, der für die Deutsche Bahn das Großprojekt verantwortet. Erste Überlegungen zum Ausbau der insgesamt 180 Kilometer langen Strecke von Karlsruhe bis Basel gab es bereits Ende der Siebzigerjahre. Durch den langwierigen Streit kam der Zeitplan merklich ins Rutschen. Zum Teil müssen die Ingenieure nun wieder komplett bei Null anfangen. Bei der Autobahnparallele südlich von Offenburg zum Beispiel haben diverse Fachbüros gerade einmal mit ersten Vorplanungen begonnen. Beim Tunnel Offenburg sieht es ganz ähnlich aus; dort stehen gerade mal erste Probebohrungen zur Bodenuntersuchung an.

Die Fertigstellung ist für 2041 geplant

Während einige Abschnitte wie beispielsweise der Katzenbergtunnel kurz vor der Grenze zur Schweiz bereits seit 2012 in Betrieb sind und sich die Tunnelbohrmaschinen zumindest unter Rastatt jeden Tag ein Stück weiter in Richtung Süden schieben, rechnet Projektleiter Langefeld beim Tunnel Offenburg und der Autobahnparallele südlich davon mit einer Fertigstellung im Jahr 2035. Geplant war die Inbetriebnahme der zwei zusätzlichen Gleise auf dem Abschnitt ursprünglich mal für 2029. Komplett fertiggestellt sein wird der viergleisige Ausbau von Karlsruhe bis Basel wohl erst im Jahre 2041. "Wir müssen jetzt Gas geben", sagt Langefeld.

Doch auch wenn die großen Streitpunkte im vergangenen Jahr aus dem Weg endgültig geräumt wurden, nun müssen viele Details geklärt werden. Langefeld etwa beklagt, dass die örtlichen Behörden beim Hochwasserschutz vorarbeiten müssten. Zudem planen die Ingenieure der Bahn neuartige Lärmschutzgalerien, für die das Eisenbahnbundesamt erst noch die nötigen Genehmigungen ausstellen muss. Diehl wiederum sagt, die Bahn sei dabei, an einigen Stellen wieder Abstriche bei Höhe und Länge der versprochenen Lärmschutzwände vorzunehmen. Und nicht zuletzt stellen sich nun Anrainer entlang der Autobahnparallele gegen die ausgehandelte neue Streckenführung. IG-BOHR-Sprecher Diehl hofft dennoch, dass der neue Zeitplan nun zu halten sein wird. Denn jeder Tag Verzögerung belaste vor allem diejenigen länger, die jetzt schon an der alten Rheintalbahn wohnen.

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