IAA:Von schönen Autos und kleinen Eitelkeiten

Überschattet von den Weltereignissen öffnet die IAA ihre Tore fürs Publikum. Ein Rundgang.

Rudi Kanamüller, Tobias Opitz, Jörg Reichle, Marion Zellner

(SZ vom 14.09.01) - Was hat das Cello-Konzert von Haydn mit Audi zu tun? Die Antwort hat der Vorstandsvorsitzende Paefgen schnell parat. "Audi", sagt er selbstgewiss, habe "den Bogen raus, was die Harmonie betrifft" - wie Haydn eben. Der Beweis dafür steckt in Halle 5 unter einem hellen Tuch: der Avantissimo, mächtiger Kombi der Oberklasse - eine Studie, wie Audi betont.

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Dann hebt sich der Vorhang, Scheinwerferspots setzen den Luxuskombi gleißend in Szene. Da steht er: blaumetallic lackiert, ziemlich machohaft und mit dem Charme eines gepanzerten Geldtransporters. Kantige Statur, kleine Fenster und Räder so groß wie die eines römischen Kampfwagens.

Die Herren der Ringe registrieren derweilen mit heimlicher Genugtuung, dass man der Premiere des neuen Siebener-Modells vom Erzfeind BMW wenigstens einen publizistischen Teilerfolg entgegensetzen kann. Dabei ist bei den Münchnern erst einmal die Halle das eigentlich Sehenswerte. Weiß und träge wie ein schlafender Wal liegt sie lang hingestreckt im Freigelände und wer sie begehen will, muss erst eine hohe Treppe erklimmen. Symbol für unerschwingliche Träume?

Raue Sitten

Wenn man sich die Preise anschaut, ist das gar nicht so daneben. Drinnen misslingt dann der Versuch, festzustellen, ob der neue Siebener in natura schöner ist, als auf den Fotos. So dicht ist die glänzende Neuheit umlagert. Und jeder will einmal an jenem magischen Knopf drehen, mit dem hier fast alles zu steuern sein soll. Gemessen am Andrang, ist der Siebener der Star der IAA, ganz ohne Frage.

Keine Gnade kennen die Großen der Branche übrigens mit ihren Tochter- Marken. Mini kommt in seinem schwarzglänzenden Container noch relativ glimpflich weg. Bei DaimlerChrysler herrschen härtere Sitten. Während sich der Mutterkonzern unterm nachtblauen Kuppelhimmel einen grandiosen Auftritt gönnt, sind Smart und Chrysler zu bloßen Randerscheinungen degradiert. Da ist gleich klar: Wer zahlt, schafft an.

Alles möglich ist dagegen bei Toyota in Halle 4. Die Japaner haben mit einer Tradition gebrochen und den neuen Corolla, der bereits in der neunten Generation gebaut wird, nicht im fernen Osten zeichnen lassen, sondern in Europa. So will man den Geschmack der Europäer besser treffen. Ob´s gelingt?

Raubkatze vor dem Beute-Sprung

Das sind Probleme, die Wendelin Wiedeking kaum kennen dürfte. Einmal in Fahrt lässt sich der Porsche Vorstandsvorsitzende so leicht nicht vom Kurs abbringen - auch nicht in freier (Rede)Wildbahn.

Der neue 911 Carrera 4S gleicht einer "Raubkatze kurz vor dem finalen Beutesprung". Was man vom Porsche-Auftritt in Halle 5 nicht sagen kann: viel Glas, viel Edelstahl, viel Understatement in Iceberggrau, und geballte Kraft aus Zuffenhausen. Autoträume eben.

Cool, geil und voll krass

Bei Opel ist das anders."Cool, geil und krass" finden die Kids den neuen Frogster. Das versichert zumindest Carl-Peter Forster, Opel-Vorstand und der Mann, von dem sich die Rüsselsheimer das Wunder der Wiederbelebung der gebeutelten Marke erwarten.

Die Studie ist zwar nicht gerade ein Volumenmodell, aber ein Hingucker: so knallgrün wie einst der legendäre "Laubfrosch" in den 20er Jahren, aber viel eckiger, mit einem Rollo als Dachersatz. Und natürlich mit Mini-Computer.

Am besten erlebt man den Frogster mit 3D-Brille auf der Nase. In einer Röhre auf dem Stand in Halle 8 lassen sich Computer-animierte Kids auf Skateboards vom Frogster an Grafitti-verzierten Wänden vorbeiziehen. PC- Schönheiten à la Lara Croft räkeln sich auf dem zugezogenen Rollo des Frogster.

Hilfe für die aktive Mutti

Und nochmal jung, frech, dynamisch. Denn auch Seat wünscht sich solche Kunden. Die VW-Tochter will mit Arosa-Derivaten - City-Cruiser und Racer - den Publikumsgeschmack testen. Der pastellfarbene City-Cruiser mit hellblauer Kühlbox auf der Beifahrerseite und Kinderwippe auf dem Rücksitz soll der aktiven Mutti (das Fläschchen bleibt kühl) das Leben erleichtern.

Wer vor dem roten Racer steht, wird sich angesichts von weißem Dach und weißen Felgen an den Mini erinnert fühlen, dabei soll nur die Reaktion der Zielgruppe getestet werden. Geschmacklich kaum umstritten dürfte dagegen der bildschöne Roadster Tango sein. Ist nur zu hoffen, dass er zu einem günstigen Preis möglichst schnell aus Halle 9 auf die Straße kommt.

Was aus Škoda, der "schönen Tochter" des VW-Konzerns wird, wenn Vorstandschef Ferdinand Piëch im April vom derzeitigen Seat-Vorstand Bernd Pischetsrieder abgelöst wird, könnte auch davon abhängen, wie sich der neue Superb verkauft. Innen ist (fast) alles wie in den VW-Modellen, nur mit unglaublich viel Knieraum hinten.

Bei 44.000 Mark für den Zweiliter sollen die Preise beginnen, das ist Passat-Niveau. Nur: Warum ist der Superb so ein arger Biedermann geworden? Nicht einmal ein neues Heck hat ihm Škoda gegönnt, jetzt sieht er aus wie ein aufgedunsener Octavia.

Groß wie ein Laster und klein wie ein Sportwagen

Wer auf der Rückbank des Superb ein wenig vom IAA-Marathon ausspannen will, kann wieder Kraft schöpfen - beispielsweise für den Anblick des knallroten Pajero Evolution, den die Rallye-Amazone Jutta Kleinschmidt am Mitsubishi-Stand präsentierte.

Es ist eine Studie für einen Paris-Dakar-Pajero und sie erinnert von vorn an die Riesen-Loks der Union Pacific. Jederzeit in der Lage, schweres Geröll von den Schienen zu schieben. Crossover-Design einmal gegen den Strich: Außen groß wie ein Laster, innen winzig wie ein Sportwagen. Und über allem ein riesiger Heckflügel.

Gefühl hinterm Vorhang

Rechtzeitig regelte VW die Nachfolge für Übervater Piëch und versucht nun, das Publikum in einer Art Piëch-Gedächtnishalle auf "Volkswagen 2002" einzuschwören. Mit knapp 18.000 Quadratmeter Fläche im Erdgeschoss der Halle 3 ist es der größte Messestand der IAA; der aber ist so wie der Chef selbst - Gefühl findet nur hinterm Vorhang statt.

Und auch die Weltpremiere des neuen Polo sollte das Größte werden. Nur: Die Choreographen lassen Entwicklungs-Vorstand Martin Winterkorn wie einen Adler starten und dann allzu harmlos landen. Ein paar Sätze vor internationalem Publikum wie aus dem Prospekt, etwas Licht und eine Riesen-Stoffröhre, hinter der sich zwei der Debutanten auf einer Glasplatte um alle Achsen drehen. Das ist es auch schon.

Aber immerhin: Ein schmuckes Auto, das sich erkennbar als der kleine Bruder des Golf versteht und vor allem in frischen Farben einen munteren Eindruck macht.

Sinne im Sog muskulöser Sportwagen

Wahre Salon-Atmosphäre dann schräg gegenüber. Hinter einem gediegenen, ständig gewienerten Glas-Zaun der neue Bugatti 16.4 Veyron - ein Traum von Sportwagen, dessen pure muskulöse Präsenz alle Sinne auf sich zieht.

Überhaupt fällt diesmal in Frankfurt auf, wie groß die Kluft zwischen den Luxuskarossen und dem Rest der Autowelt geworden ist. Luxus überall, doch von nennenswerten Steigerungen des Volkseinkommens ist nichts bekannt.

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