IAA 2009:Anfeiern gegen die schlechte Stimmung

Der VW-Konzern stemmt sich auf der IAA mit einer glamourösen Auto-Party gegen die Krise - und beschwört die neue Einigkeit des Konzerns.

Thomas Fromm und Kistina Läsker

Langsam schlendert er über die Bühne, schüttelt Hände, lächelt. Dann steht er eine Stunde lang da. Unbeweglich, starr schaut er sich die neuen Modelle an, die meiste Zeit hält er die Arme verschränkt. Vom Band kommen wummernde Disco-Klänge, von der Decke grelle Spots. All das passt nicht unbedingt zu jemandem wie Martin Winterkorn, 62. Aber er lässt sich nichts anmerken, spielt die Rolle bis zum Schluss.

Mag draußen auch die Krise toben, mögen Analysten und Experten auch magere Zeiten für die Autobauer prophezeien - hier in der Frankfurter Jahrhunderthalle feiert VW zum Auftakt der IAA gegen die schlechte Stimmung an. Es ist eine Art Werkschau: VW, Audi, Seat, Skoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Scania - Schlag auf Schlag werden die neuen Modelle präsentiert. Die Konzerndramaturgen setzen auf eine Mischung aus alter ZDF-Hitparade und modernem Shopping-Kanal-Ambiente. In der Mitte eine runde Bühne, dort geben die Konzernmarkenchefs die Stars, die Journalisten ringsherum das Publikum. Viele von ihnen klatschen. Je größer das Auto, desto größer der Applaus.

Am Anfang kommt der neue Skoda-Combi vorgefahren, heraus kommt eine Familie mit Koffern, Tochter und Teddybär. Skoda-Vorstand Reinhard Jung fährt mit der Hand über den Kofferraum. Der neue Seat-Chef James Muir hält den linken Arm angewinkelt, mit dem rechten fährt er die Formen des neuen Seat Ibiza ab. "Ich bin überzeugt, dass wir mit viel Blut und Schweiß weiterkommen werden", sagt er über die kriselnde Spanien-Tochter. Der Chef der Edelmarken Bugatti und Bentley, Franz-Josef Paefgen, hält fest: "Der Mensch will Luxus", und doziert über die Vertrauenskrise: "Ich denke, das wird sich irgendwann wieder legen."

Ja, die Krise ist da, aber VW will sie wegfeiern. Optimismus wird verbreitet. Dabei setzt der Konzern auf alles: Ein-Liter-Autos, E-Wagen, Spritfresser, italienische Nobelkarossen. Es soll für jeden etwas dabei sein. VW als 360-Grad-Konzern. Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann zum Beispiel. Enger Nadelstreifenanzug, nackenlange Locken, markantes braungebranntes Gesicht, umgibt sich mit einem 670-PS-Fahrzeug mit Allradantrieb und zwei leichtbekleideten Damen, begrüßt seine Zuhörer mit "Signore e Signori" und jeder weiß: Das ist jetzt der italienische Teil des Abends. Der Lamborghini kostet 1,1 Millionen Euro und Winkelmann sagt: "Wir wollen in Zeiten der Krise Autos, die begeistern."

Hoffnungsträger ist einmal mehr: China

Ganz anders VW-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, der bei der IAA vor allem als Botschafter für das neue VW-Elektroauto Up! unterwegs ist und über Batterieaufladestationen in Parkhäusern doziert und über die Gefährlichkeit eines geräuschlosen Autos für Fußgänger. Winkelmann und Hackenberg - das sind die beiden Pole der weiten VW-Welt an diesem Abend - nicht nur optisch.

Der Spagat vom E-Auto zum Lamborghini, von Hackenberg zu Winkelmann, er ist wichtig in diesen Zeiten. Nach dem Wegfall der Abwrackprämie weiß noch niemand, wie groß die Löcher in der Auftragsbilanz in Wolfsburg werden. "Wir sind gut damit beschäftigt, alle Arbeitsplätze im Konzern zu sichern", sagte Vorstandsmitglied Jochem Heizmann. Wettmachen will der Konzern die Auftragslöcher mit der wieder anziehenden Pkw-Nachfrage aus Asien und Russland. Hoffnungsträger ist China: Sieben Millionen Autos sollen in diesem Jahr in der Volksrepublik verkauft werden. Zum Vergleich: In den USA wird der Autoabsatz 2009 auf geschätzte zehn Millionen Fahrzeuge einbrechen. Wie sehr Volkswagen auf neue Märkte setzt, zeigte sich auch am Montagabend: Willkommen hieß es da auf Chinesisch und Russisch, in großen Lettern an die Wand geworfen.

So feiert man. Vor allem sich selbst. Vielleicht ist es einer der rhetorischen Höhepunkte des Abends, als der Nutzfahrzeug-Vorstand am Ende seiner Präsentation sagt: "Verabschieden Sie mit mir den besten Multivan aller Zeiten." Applaus. So macht VW an diesem Abend aus Autoingenieuren TV-Moderatoren und Starverkäufer. Vor allem aber sendet der Konzern ein Signal an seine Töchter: Hier ist jede Marke eigenständig, hier bekommt jeder seinen großen Auftritt. Am Ende eines monatelangen Übernahmekampfes zwischen dem Konzern und dem Sportwagenbauer Porsche ist dies die wohl wichtigste Botschaft.

Dass der Neue als Einziger ohne eigenes Auto auf die Bühne kam, hat daher einen guten Grund: Porsche-Chef Michael Macht darf schon mal auf Besuch vorbeikommen, aber noch existiert die Fusion nur auf dem Papier. Heerscharen von Anwälten prüfen noch die Übernahmeverträge. "Porsche wird seine Eigenständigkeit behalten", betonte der Nachfolger von Wendelin Wiedeking. Und: "Wir sind wirklich sehr froh, dass wir heute hier sein können."

Einige sehen darin später eine Art Demutsbezeugung gegenüber dem neuen Herrn aus Wolfsburg. Andere sagen, Macht sei eben nicht Wiedeking - und gehen entsprechend diplomatisch mit der neuen Lage um. Vergessen angeblich der erbitterte Übernahmekampf der vergangenen Monate, vergessen auch die Tränen eines Wolfgang Porsche. Der steht an diesem Abend hier, erzählt Geschichten aus seiner Schulzeit und sagt irgendwann den einen Satz: "Gemeinsam sind wir stark." Am Morgen darauf lädt der neue Porsche-Chef Macht zur Pressekonferenz in den Messesaal "Harmonie".

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