Hovercraft:Schwebendes Verfahren

An der Küste Südenglands bewahrt ein Privatmuseum die Geschichte der Hovercrafts.

Daniela Gorgs

Vor sieben Jahren ging der Princess Margaret über dem Ärmelkanal die Luft aus; seither liegt sie in Gosport an der südenglischen Küste im Hof des Hovercraft-Museums und muss zusehen, wie ihre Nachfolger im Zehn-Minuten-Takt zur Isle of Wight und wieder zurück nach Portsmouth schweben. "Ein Jammer", findet Warwick Jacobs, einer der Museumsgründer. Regelmäßig spaziert er über das Dach der gewaltigen Luftkissenfähre und streicht dann liebevoll über einen der riesigen Propeller.

Hovercraft: Dinosaurier: Bis September 2000 schwebte die "Princess Margaret" über den Ärmelkanal

Dinosaurier: Bis September 2000 schwebte die "Princess Margaret" über den Ärmelkanal

(Foto: Foto: dpa)

Es war ein trauriger Tag für Hovercraft-Freunde wie Warwick Jacobs, als die beiden zu ihrer Zeit weltgrößten Hovercrafts Princess Margaret und Princess Anne Ende September 2000 zu ihrem letzten Schwebeflug zwischen Dover und Calais ansetzten. Nach 30 Jahren rangierte die britische Betreibergesellschaft Hoverspeed die zu klein und unrentabel gewordenen Fahrzeuge aus und ersetzte sie durch geräumige Fährschiffe. Ein besonderes Kapitel moderner Seefahrt war damit zu Ende.

Mit der Erfindung des Luftkissenprinzips hatte Christopher Cockerell in den fünfziger Jahren die Verkehrstechnik revolutioniert. Der britische Ingenieur war fasziniert von der Idee, Schiffe schneller fahren zu lassen - er experimentierte mit Blechbüchsen, Haarföhn und Küchenwaage und demonstrierte, dass sich ein Gegenstand auf einem Luftkissen bewegen kann.

Cockerell ließ seine Erfindung patentieren und entwarf Pläne für ein Gefährt, das ohne Reibungswiderstand über das Wasser schwebt. Die englische Firma Saunders-Roe auf der Isle of Wight zeigte Interesse und entwickelte zusammen mit Cockerell das erste Hovercraft, die SR.N1 (Saunders Roe Nautical One), die am 25. Juli 1959 zur Jungfernfahrt über den Ärmelkanal startete.

Schwebendes Verfahren

Drei Jahre später wurde der Passagierdienst zwischen Dover und Calais aufgenommen; sechs Jahre später kam die Verbindung von Portsmouth nach Ryde auf der Isle of Wight dazu, die bis heute von der Reederei Hovertravel bedient wird. Alle zehn Minuten fährt ein Hovercraft mit bis zu 45 Knoten, umgerechnet rund 83 km/h, durch den Solent, einen Seitenarm des Ärmelkanals.

Seit zwölf Jahren steuert Graham Snow Hovercrafts durch den Solent. Immer noch genießt er den Moment, wenn er im Cockpit die Maschinen startet und das Luftpolster zu tragen beginnt. Das Prinzip: Turbinen saugen Luft an und blasen sie unter das Fahrzeug in eine Schürze aus neoprenbeschichtetem Gummi. Wenn Snow dann mit Hilfe zweier weiterer Motoren langsam vom Sandstrand ins Wasser gleitet, halten sich die Schaulustigen die Ohren zu und wischen sich die Gischt aus dem Gesicht - ein Schauspiel, das Aufsehen erregt.

Warwick Jacobs: "Das Großartige an einem Hovercraft ist sein amphibischer Charakter. Es kann über ebenes Gelände, Sumpf, Eis, Wasser und Korallenriffe fahren und braucht nicht mal einen Hafen." Jacobs war vier und machte mit den Eltern Ferien auf der Isle of Wight, als er zum ersten Mal in einem Luftkissenfahrzeug über das Wasser schwebte. Jeden Sommer kehrte Jacobs zurück: "Ich war in meinem Element" - der Vater musste mit ihm Hovercraft-Modelle bauen, die Mutter zeichnen. Und seine Augen leuchten, wenn er sich erinnert, wie er mit dann 16 Jahren bei Hovertravel Post verladen und den Passagieren beim Ein- und Aussteigen helfen durfte.

Schwebendes Verfahren

Die Reederei, die ihren Sitz auf der Isle of Wight hat, nennt sich selbst den erfolgreichsten Hovercraft-Service der Welt. Von Untergangsstimmung ist man weit entfernt; erst kürzlich wurden rund fünf Millionen Euro in einen Neubau investiert, wie Marketingmanagerin Loretta Lale berichtet. Die Solent Express bietet Platz für 130 Passagiere, Gebläse und Propeller sind leiser als bei den Vorgängern. Sechs Piloten wechseln sich auf den drei Fähren ab und bringen die Gäste in acht Minuten über den Meeresarm; mehr als 21 Millionen Passagiere wurden in den vergangenen 40 Jahren befördert.

Das Tochterunternehmen Hoverwork sowie die Firma Griffon in Southampton bauen nach wie vor Hovercrafts und verkaufen sie weltweit - etwa an die Küstenwachen in Kanada und Finnland, an das Militär in Sri Lanka oder an nigerianische Ölfirmen. So lebt die Idee weiter, wie es Christopher Cockerell einst vorausgesagt hatte: "Es wird immer Hovercrafts geben." Als der britische Erfinder 1999 starb, schrieb Warwick Jacobs, der Cockerell viele Male getroffen hatte, einen Nachruf. Und zum Andenken gründete er mit einer Handvoll weiterer Hovercraft-Fans das Museum in Gosport, das über eine umfängliche Fahrzeugsammlung verfügt, Einblick in Geschichte und Technik der Hovercrafts bietet und alte Fahrzeuge instand hält.

An diesem Wochenende trifft sich die Luftkissengemeinde im Museum am Solent zur alljährlichen Hovershow - dann wird auch die Princess Margaret wieder zum Leben erweckt.

Mehr Infos: www.hovertravel.co.uk; www.hovercraft-museum.org

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