Honda Civic Coupé:Bruder aus Amerika

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Dem 34 900 Mark teuren Zweitürer fehlt es an sportlichem Flair

(SZ vom 24.02.2001) Normalerweise bringt ein Automobilhersteller von einer neuen Baureihe zunächst die Limousine auf den Markt, dann folgen die anderen Karosserievarianten wie Coupé, Kombi oder Cabrio. Bei Hondas Brot-und-Butter-Auto, dem Civic, ist es genau anders herum: Von sofort an steht die zweitürige Variante bei den Händlern, erst am 17. März folgt die Limousine. Die Civic-Familie wird noch auf insgesamt vier Varianten wachsen: In Genf wird der dreitürige Civic Weltpremiere feiern, ein betont sportliches Modell, das die Tradition des CRX aufnehmen könnte. Er wird im Herbst nach Deutschland kommen. Und dann wird auf der Civic-Plattform noch der Stream basieren, ein Midivan mit sieben Sitzen. Einen Civic Kombi, der bei Honda traditionell Aerodeck heißt, wird es aber definitiv nicht mehr geben.

Als sichtbaren Ausdruck dieser etwas indifferenten Modellpolitik könnte man das Civic Coupé bezeichnen. Das bezieht sich zum einen auf die Optik, zum anderen auf die Motorenpalette. Ein Coupé hat die Aufgabe, einen gewissen sportlichen Reiz auszustrahlen und der Umwelt zu signalisieren: Schaut her, ich kann es mir leisten, so unvernünftig zu sein und auf Platz im Fond und im Kofferraum zu verzichten. Diesen Einschränkungen unterliegt natürlich auch das Civic Coupé - es entschädigt dafür aber nicht durch ein Prickeln, wenn man im nüchtern gehaltenen Innenraum Platz nimmt. Einfallslos muss man die Gestaltung der Armaturen nennen, und bis auf kleine Verblendungen in den Türen hat Honda auf jeglichen Zierrat verzichtet, der aus einer braven Limousine ein Coupé mit einem sportlichen Flair machen könnte.

Unentschlossen zeigen sich die Japaner auch bei der Motorenauswahl: Es wird keines der beiden Triebwerke, die für die neue Limousine im Programm sind - ein 1,4-Liter-Vierzylinder mit 66 kW (90 PS) und ein 1,6-Liter mit 81 kW (110 PS) - angeboten. Stattdessen stehen zwei 1,7-Liter-Vierzylinder-Aggregate in der Preisliste, die nicht nur den gleichen Hubraum aufweisen, sondern auch von den Leistungswerten her nahezu identisch sind. Der eine hat 88 kW (120 PS), der andere 92 kW (125 PS), was Höchstgeschwindigkeiten von 200 und 201 km/h ermöglicht. Auch im Spurtvermögen von Null auf 100 km/h nehmen sich die beiden Motorvarianten mit 9,7 und 9,6 Sekunden nicht viel. Allerdings verbraucht das stärkere Aggregat mit 6,8 Liter Super im Durchschnitt 0,2 Liter weniger als sein schwächerer Bruder - die variable Ventilsteuerung VTEC, die nur dieser Motor hat, macht es möglich. Beide Aggregate sind schadstoffarm nach D4. Dass es zu einem solchen Wildwuchs in der Palette kommt, erklärt Honda damit, dass man nicht die Gleichteile-Strategie von VW oder anderen Herstellern verfolge, sondern jede Civic-Variante als eigenständiges Auto betrachte. So ist das Coupé in den USA entwickelt worden, wo es auch gefertigt wird, während die Limousine in Großbritannien vom Band läuft.

Bei ersten kurzen Fahrten erwies sich das Coupé als in jedem Falle ausreichend motorisiert, allerdings ist das Geräuschniveau bei Tempi oberhalb von 120 km/h deutlich zu hoch. Schaltung und Lenkung arbeiten präzise, lediglich bei der Federung haben die Ingenieure zu viel des Guten getan und das Fahrwerk etwas zu hart abgestimmt. Abgesehen davon fährt sich das Coupé so gutmütig wie die Limousine, deren größtes Plus das sehr großzügige Raumangebot ist. Im Coupé geht es auf den Rücksitzen so eng zu, dass für Erwachsene längere Strecken nicht zumutbar sind - auch wenn Honda von einem 2+3-Sitzer spricht.

Angesichts des unscharfen Modellprofils dürfte das Civic Coupé nur ein Schattendasein auf Deutschlands Straßen fristen: Von der zweiten Modellgeneration wurden vor zwei Jahren 800 Exemplare und im vergangenen Jahr nur noch 400 Stück verkauft. Von der neuen, dritten Generation plant Honda jährlich 700 Einheiten - etwa zehn Prozent der Limousinen-Zahl. Bei Preisen von 34 900 Mark für die LS-Version und 38 900 Mark für den ES, der neben dem stärkeren Motor Klima-Automatik, Schiebedach, Alarmanlage und Leichtmetallfelgen aufweist, dürfte dies zu schaffen sein.

Von Otto Fritscher

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