Harley-Davidson:Wunsch-Zettel

Harley-Davidson geht neue Wege: "Factory Custom Bikes" baut das Motorrad ganz nach Wunsch des Käufers. So soll eine auf Individualität setzende junge Zielgruppe erreicht werden.

Norbert Meiszies

Der zweithäufigste Name, den sich Menschen weltweit tätowieren lassen, lautet Harley-Davidson - keine andere Motorradmarke freut sich über einen derart lebenslang engen Bezug zu ihren Kunden wie der 1903 in Milwaukee gegründete Motorrad-Hersteller.

"Wir kreieren Träume und erfüllen sie", sagt Bill Davidson, Urenkel des Firmenmitbegründers William A. Davidson und derzeitig die Gallionsfigur des US-Unternehmens, "mit unseren Motorrädern wollen wir erreichen, dass die Biker immer mit einem Lächeln unterwegs sind."

Harley-Davidson selbst dagegen hatte in den vergangenen Jahren nur wenig zu lachen. Die Delle im Zweirad-Geschäft in Verbindung mit der US-Wirtschaftskrise hatte das Unternehmen arg gebeutelt. Seit 2006, als noch knapp 350.000 Harleys weltweit verkauft wurden, ging es stetig bergab; 2010 waren es nur noch 210.000 Exemplare.

Nur in Europa, speziell in Deutschland, gingen die Sportster, Softails und E-Glides weg wie geschnittenes Brot. Mit knapp 9000 Verkäufen und knapp zehn Prozent Marktanteil ist man Herstellern wie Yamaha, Suzuki und Kawasaki hierzulande dicht auf den Fersen.

Nun aber scheint Harley auch in den USA unter dem neuen geschäftsführenden Vorstandsmitglied Keith E. Wandell dank drastischer Sparmaßnahmen und neuer Produktionsabläufe die Kurve bekommen zu haben. Der Harley-Chef scheute nicht einmal davor zurück, der Belegschaft mit dem Umzug der Produktion aus dem Stammwerk in Milwaukee zu drohen, wenn die Gewerkschaft nicht mitziehen würde.

"Neben allem notwendigen Sparen geht es uns mit dem neuen Produktionssystem darum, dem Kunden sein Motorrad genau so zu liefern, wie er es haben will", erklärt Wandell die Anfang des Jahres vorgestellte H-D1 Factory Customization Initiative. "Jedem Customer sein Custom-Bike" lautet der Kennsatz des Programms, das derzeit an der neuen XL1200 Sportster Custom getestet wird.

"Bisher konnte der Kunde nur zwischen wenigen Optionen wie anderen Rädern oder einigen Sicherheits-Extras wählen", erläutert Harley-Manager Jeff Smith, "mit der Sportster Custom bieten wir dem Käufer nun bis zu 2600 Varianten an, um sein Motorrad zu individualisieren."

So gibt es jetzt die Möglichkeit, aus einer Anzahl verschiedener Räder, Lenker, Farben, Fußrasten, Scheiben, Auspuffanlagen und Motorlackierungen das ganz persönliche Custom-Bike schon ab Werk zu ordern.

Junge müssen her

In den USA läuft das Programm bereits, in Europa soll es demnächst eingeführt werden. Und wenn die Resonanz weiterhin so positiv ist wie bisher, dann soll H-D1 auf weitere Modelle ausgeweitet werden.

"Im Motorradbereich hat das noch kein Hersteller durchgesetzt", meint Bernhard Gneithing, Marketingchef bei Harley-Davidson Deutschland, "und es hat keiner die Variantenvielfalt wie wir. Anhand unseres Zubehörkataloges wären theoretisch 280.000 Kombinationen möglich - da muss man sicherlich eine Grenze ziehen."

Die Hoffnung aber ist, mit dieser neuen Strategie der Factory Custom Bikes vor allem eine junge Zielgruppe anzusprechen, die Wert auf Individualität und Eigenständigkeit legt.

Auch wenn Harley-Davidson immer betont, wie innig man mit dem Customer verbunden sei - Bill Davidson ist ehrlich genug, um zuzugeben, dass Customization, also die kundenindividuelle Massenproduktion, ein Riesengeschäft ist: "Unser Programm hilft dabei, die Leute an die Marke zu binden."

Derzeit investiert jeder der Harley-Fahrer im Schnitt etwa 2500 Euro zusätzlich beim Neukauf in Anbau- und Zubehörteile; rund 1500 Euro gibt er durchschnittlich noch einmal pro Jahr für Merchandise, Bekleidung und weitere Umbaumaßnahmen aus.

"Das ist wie eine Reise, die niemals endet", freut sich Jeff Smith, "das Wissen darum, dass mein Bike nicht aussieht wie alle anderen, ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Lebensstils. Eine Harley-Davidson ist nicht nur einfach eine Maschine."

Und nur der Vollständigkeit halber: Das am häufigsten tätowierte Wort der Welt lautet Mummy.

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