Grüne Autos:Die Autohersteller setzen auf Öko - und sind besorgt

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CO2-Emissionen, Hybridmotoren, Bio-Benzin: Die Autohersteller buhlen um die ökologischste Botschaft. In der Praxis haben sie aber noch mächtig Probleme, überhaupt in Fahrt zu kommen.

Stefanie Gentner

Bei der AMI, der "Auto Mobil International" in Leipzig, trumpfen die Automobilhersteller momentan mit neuen Technologien auf. Eins scheint dabei sicher: Öko ist in. Zunehmend stehen für die PS-Branche nicht mehr nur rühmliche Ingenieurskunst, sondern auch Klimawandel, Umweltbewusstsein und das "grüne" Auto im Mittelpunkt. Das hört sich erst einmal gut an. Bei genauerer Betrachtung sind die Automobilhersteller jedoch mehr getrieben, als dass sie selbst effektive Lösungen forcieren.

Dabei wird der Druck immer größer: Schmelzende Eisberge, schwindende Urwälder - der Klimawandel ist allgegenwärtig. Die Verantwortlichen stehen in der Pflicht: Ab 2012 dürfen Neuwagen im Schnitt nicht mehr als 120 Gramm CO2pro Kilometer ausstoßen, andernfalls sieht die EU-Kommission Strafzahlungen vor. Derzeit liegt der Mittelwert gut darüber, bei 160 Gramm CO2. Deutsche Autos stoßen nach Angaben von Umweltschützern im Schnitt sogar 173 Gramm aus.

Die Technik-Entwicklung hinkt hinterher

Das von Umweltminister Sigmar Gabriel geplante Regierungsvorhaben zum Ausbau des Biosprits ist gescheitert. Das heißt, die Autoindustrie muss ihre Klimaverpflichtungen weitgehend ohne die Hilfe des Ökosprits erreichen. "Die Hersteller sind in erster Linie beunruhigt", sagt Peter Wippermann, Gründer des Trendbüros, ein Beratungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel in Hamburg. Es muss viel für die Produktion investiert werden - gleichzeitig ist die Entwicklung noch nicht soweit.

Die Werbung suggeriert positivere Aussichten: Daimler hebt seinen Bluetec-Diesel mit einem speziellen Abgasnachbehandlungskonzept hervor. Der BMW 118d ist zum Auftakt der New York International Auto Show 2008 im März zum "World Green Car of the Year" gekürt worden. Die Jury würdigte hier vor allem die Wirksamkeit des von BMW "Efficient Dynamics" genannte Konzept, was zu besonders guten Verbrauchs- und Emissionswerte verhelfenund so ganz besonders "Freude am Fahren" vermitteln soll.

"In Marketing und Vertrieb ist die Industrie durchaus auf Öko eingestellt", sagt Wippermann. Bei der Umsetzung neuer Technologien fehlt es jedoch noch lange. Wippermann: "Hybrid- und Elektromotoren sind im Moment noch reine Versuchsstadien. Alle basteln daran. Doch nur wer hier den Durchbruch schafft, wird wirtschaftlich wirklich gut dastehen."

Experten sind sich einig: Die Technik ist relativ neu und damit anfälliger. Reine Elektroautos weisen eine geringere Leistung und Reichweite auf. Das Zusammenspiel aus Verbrennungs- und Elektromotor macht den Hybrid störanfälliger. Außerdem bringen Hybride nicht immer Verbrauchsvorteile. In der Stadt, beim typischen Stop-and-go-Verkehr, sind sie durchaus sparsamer. Probleme gibt es jedoch noch bei längeren Strecken: Da sind Benzin- bzw. Dieselmotoren immer noch verbrauchsgünstiger als Hybride. Das liegt unter anderem am höheren Gewicht durch die zusätzliche Technik und Batterie.

Hybrid-Fahrzeuge sind immer noch zu teuer

Die Hersteller kennen die Probleme: "Das muss noch weiterentwickelt werden. Hybride müssen auch im Überlandverkehr Verbrauchsvorteile erzielen und das Mehrgewicht kompensieren", heißt es aus der BMW-Konzernzentrale. "Der Diesel ist dem aktuellen Benzin-Hybrid in vielen Fahrsituationen mindestens ebenbürtig, oft sogar überlegen", sagt Klaus Maier, Leiter Vertrieb und Marketing Mercedes-Benz Cars. Bei Daimler setzt man für die Zukunft vor allem auf einen kombinierten Diesel- und Elektroantrieb. Doch das wird noch dauern. Auch VW hat mit seinem Golf TDI Hybrid bereits einen Diesel-Hybrid präsentiert. Mit einer Einführung wird jedoch nicht vor 2010 gerechnet. PSA Peugeot Citroen hat eine entsprechende für 2010 geplante Markteinführung auf 2011 verschoben.

Ein weiteres Problem sind die potenziellen Kunden. "Vor allem Hybridfahrzeuge sind aufgrund ihrer kostspieligen Antriebstechnologie und den kleinen Stückzahlen sehr teuer", sagt Gregor Matthies, Partner und Autoexperte bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Der Hersteller Toyota, der in der Hybrid-Technologie als führend gilt und mit einer ausgeprägten Umweltorientierung auf sich aufmerksam macht, "subventioniert seine Hybrids sogar mit 3000 bis 5000 US-Dollar (2046 bis 3411 Euro) pro Auto aus dem Marketingbudget", weiß Matthies. Doch das ist die Ausnahme.

Theoretisch und moralisch hat der Konsument durchaus erkannt, dass der Klimawandel ein allgegenwärtiges Thema ist und die Umweltproblematik immer mehr an Bedeutung gewinnt. In einer Studie des AvD-Instituts für Verkehrssoziologie (AIVS) gaben mehr als die Hälfte aller Befragten an, bei ihrem nächsten Autokauf auch einen Mehrpreis zwischen 1000 und 2000 Euro für ein umweltfreundlicheres Fahrzeug zahlen zu wollen. Gleichzeitig belegt die Studie aber auch, dass die meisten potenziellen Käufer gar nicht wissen, was ein umweltfreundliches Auto eigentlich genau ist. "Die Menschen haben die moralische Komponente erkannt. In der Praxis ist die Gesellschaft aber noch nicht soweit", so Trendforscher Wippermann.

Die Männer, die hauptsächlich die Autos kaufen, verbinden mit ihrem kostbaren Gefährt immer noch in erster Linie eine leistungsstarke Maschine mit guter Technik und exzellenter Ingenieurskunst. "Hier sind deutsche Automobilhersteller optimal positioniert", sagt Wippermann. Umweltaspekte treten bei den meisten bei der Kauf-Entscheidung jedoch in den Hintergrund. Das weiß auch Toyota. "Der Spaß am Fahren darf nicht vernachlässigt werden", sagt Keiji Sudo, der Präsident von Toyota Deutschland. Styling, Image und Fahrleistungen seien weiterhin die Gründe, warum Autos gekauft würden. Mit der Einführung des Prius als erstem Serienmodell mit Hybrid-Technik habe sich gezeigt, dass Nachhaltigkeit nicht kaufentscheidend sei.

Die Verantwortung liegt bei Politik und Industrie, nicht beim Käufer

Autoexperte Matthies bringt es auf den Punkt: "Heutige Hybrid-Käufer sind vor allem Leute, die ein Öko-Statement machen wollen. In USA sind das auch so genannte Celebrities wie George Clooney oder Brad Pitt. Die breite Käufermasse wird aber nicht erreicht." In Zahlen bedeutet das: Laut einer Studie von Bain & Company werden Hybrid-Autos bis 2010 in Westeuropa nur auf einen Marktanteil von 0,5 bis 1,5 Prozent kommen. Selbst in den USA, wo der Hybrid viel beliebter ist, wird der Anteil an diesen Autos mittel- und langfristig bei fünf bis acht Prozent stagnieren. Der Hybrid bleibt also ein Nischenprodukt.

"Vom Konsumenten kann man nichts erwarten", sagt Trendforscher Wippermann. Die Verantwortung liegt also bei Politik und Industrie. "Die Politik wird langfristig Druck machen müssen, und die Industrie fügt sich", prognostiziert Wippermann. "Spätestens beim nächsten Eisabbruch in der Arktis."

Bis dahin laufen die Dinge so vor sich hin. Thomas Wiesand, Leiter des Öko-Trend Instituts für Umweltforschung, weiß, wie es funktioniert: "In den Produktionsstätten rüsten alle schon ganz gut auf, um den Energie-, Wasser- und Schadstoffverbrauch in der Herstellung zu minimieren ", sagt Wiesand. Kein Wunder: "Hier haben die Hersteller ja auch direkt was davon. Eine umweltschonendere Produktion spart bares Geld. Energiepreise sind teuer." Hier stimmt Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) mit ein, wenn er sagt: "Den Klimaschutz nehmen wir offensiv an, aber lassen sie uns nicht die Balance zwischen Klima und Volkswirtschaft verlieren."

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