Goodwood Revival 2008:Zeitreise

In Goodwood fand zum zehnten Mal das bekanntesten Oldtimer-Rennen der Welt statt - ganz im Stil der goldenen Jahre des Motorsports.

Jürgen Wolff, Goodwood

Seit zehn Jahren lädt der motorsportbegeisterte Earl of March and Kinrara, besser bekannt als "Lord March", immer Mitte September auf seinem riesigen Anwesen im Süden Englands zum Goodwood Revival. Das ist mittlerweile das wohl beliebteste historische Motorsport-Event der Welt.

Goodwood Revival 2008: In Goodwood stehen - säuberlich nach Marken und Baujahr aufgereiht - so ziemlich alle Rennwagenmodelle, die es zwischen 1948 und 1966 gegeben hat.

In Goodwood stehen - säuberlich nach Marken und Baujahr aufgereiht - so ziemlich alle Rennwagenmodelle, die es zwischen 1948 und 1966 gegeben hat.

(Foto: Foto: Pressinform)

Wer einmal dort war, der weiß warum: Er erlebt ein riesiges Freiluft-Spektakel. Drei Tage lang eine Mischung aus Motorsport und Oldtimertreffen, aus Antiquitätenhandel, Kirmes und Karneval. Das Revival will an die goldenen Zeiten des Motorsports in den 40er bis 60er Jahren erinnern - und rund 150.000 Besucher aus ganz Großbritannien reisen an. Viele von ihnen im eigenen Old- oder Youngtimer, die meisten aber zumindest angezogen und gestylt im Look der damaligen Zeit. In Goodwood sind es eben nicht nur die historischen Rennautos, die den Reiz ausmachen - es sind im mindestens gleichen Maße auch die Zuschauer selbst.

Für die meisten ist es einfach nur ein Spaß, in Knickerbocker und Tweed Jacket, in Cocktailkleid, Fliegeruniform oder Rennoverall zu schlüpfen und über das weitläufige Gelände zu flanieren. Einige allerdings gehen in ihren Rollen erkennbar auf: So kann es einem durchaus passieren, dass man plötzlich vor einer wasserstoffblondierten Marylin Monroe steht, die sich im knappen Schwarzen auf den Motorrollern aus den 60er Jahren räkelt. Ein paar Meter weiter sorgen Stan Laurel und Oliver Hardy vor allem bei den jungen Besuchern für viel Spaß. Aus einer Tür taucht ein Mädchen auf, das mit Pferdeschwanz, Halstuch, Petticoat und Stöckelschuhen wie frisch einem Peter-Kraus-Film entsprungen scheint.

Mit Ledermontur und -kappe, eine Ukulele auf dem Rücken und einem altertümlichen Motorrad mit Karo-Anstrich unter sich knattert der leibhaftige "Speed Demon" durch das Gelände. Neben dem ganzen Gewusel ruht sich ein Brite in Großwildjäger-Kluft mit Tropenhelm breitbeinig hingefläzt zwischen den Frontscheinwerfern seines Safariwagens aus. Und weil die Briten zudem ein, nennen wir es mal: "entspanntes", Verhältnis zum Zweiten Weltkrieg haben, marschiert nur wenig weiter ein kleiner Trupp ziemlich betagter Freizeitsoldaten in Original-Uniform und mit geschulterten Gewehren im Gleichschritt auf.

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Die durchweg renommierten Sponsoren machen bei dem Spektakel nur zu gerne mit. BMW etwa hat nicht nur eine kleine Restaurierungswerkstatt aus Wellblech aufgebaut mit ein paar stilecht rostigen Oldtimern darin, sondern auch gleich einen Hauch Oktoberfest mitgebracht: An den Brauereitischen servieren Kellnerinnen im Dirndl Paulaner Bier und frischen Leberkäs mit süßem Senf.

Und über allem liegt das ständige Dröhnen der Motoren auf der Rennstrecke und im Fahrerlager. Im Paddock stehen - säuberlich nach Marken und Baujahr aufgereiht - so ziemlich alle Rennwagenmodelle, die es zwischen 1948 und 1966 gegeben hat. An die 300 Millionen Euro Wert sind hier beisammen, schätzt ein Offizieller.

Und jeder kann ganz nah ran, kann anfassen und riechen, kann das Material fühlen und den Schweiß rinnen sehen, wenn die Mechaniker (natürlich auch in historischen Overalls) versuchen, mit diffiziler Schraubarbeit fürs Rennen das letzte aus den Motoren heraus zu kitzeln. Wer allerdings in Jeans kommt und nicht mindestens Schlips oder Fliege trägt, der wird von den höflichen aber gestrengen Torwächtern gar nicht erst ins Fahrerlager eingelassen - so viel Stil muss sein.

Goodwood, so seine Fans, "ist die spirituelle Heimat des britischen Motorsports". Der hat hier eine lange Tradition. Ende der 30er Jahre hatte der Großvater des jetzigen Lord March, ebenfalls ein begeisterter Rennfahrer, der britischen Luftwaffe Land für einen Ausweichflugplatz der Royal Air Force (RAF) zur Verfügung gestellt. Wegen des nassen Bodens wurde eine Ringstraße zunächst aus Beton und dann aus Asphalt angelegt. Schon damals nutzten ein paar RAF-Offiziere die Strecke immer wieder für private Autorennen.

Zeitreise

Als nach dem Weltkrieg die Flugzeuge wieder abgezogen wurden, hörte der Earl auf die Offiziere und ließ den Rundkurs zur Rennstrecke umbauen - zum Goodwood Circuit. Das erste Rennen, das Stirling Moss gewann, fand am 18. September 1948 statt. In den folgenden Jahren wurden hier bis 1966 zahlreiche offizielle Rennen ausgetragen, bis hin zur Formel 1. Die Rennstrecke ist auch heute noch originalgetreu - und somit alles andere als ungefährlich. Stirling Moss etwa beendete seine aktive Karriere hier mit einem Unfall, McLaren-Gründer Bruce McLaren kam hier 1970 bei einem Rennunfall ums Leben.

Viele Fahrer, die nun beim Goodwood Revival unterwegs sind, kennen den buckeligen Rundkurs denn auch noch aus ihrer aktiven Zeit. Jochen Mass gehört ebenso dazu wie (wieder) Stirling Moss oder - in diesem Jahr auf einem 1962 von Colin Chapman entwickelten Lotus 23 mit BMW-Motor unterwegs - der Schweizer Ex-Formel 1-Fahrer Marc Surer.

Wer in Goodwood an den Start will, der braucht aber nicht notwendigerweise eine Rennfahrerkarriere. Leidenschaft und Können reichen - und ein passendes Auto. Entsprechend gemischt ist das Starterfeld. In ein und dem selben Rennen kämpfen so nicht nur Altmeister wie Jochen Maas, Richard Attwood, Henri Pescarolo, Jackie Oliver, Marc Surer oder Rauon Aaltonen verbissen und ohne Rücksicht auf ihre fahrbaren Vermögensanlagen um die Plätze. In seinem 1952er Jaguar Mk VII jagt auch der eingefleischte Rennfan "Mr. Bean" Rowan Atkinson ums Feld - mit deutlich mehr fahrerischem Können als in seinem Film-Mini. Und mit Stirling Moss als Co-Pilot.

Der ist am Tag zuvor gerade 79 geworden.

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