Gigaliner:Mehr Fracht, weniger Fahrten

Der Streit um die Gigaliner eskaliert. Baden-Württemberg will sich nicht mehr am bundesweiten Feldversuch beteiligen. Damit sind nur noch sieben von 16 Bundesländern beteiligt.

Michael Kuntz

Pünktlich zur Logistik-Messe in München ist der Streit um den Riesen-Lastwagen neu entbrannt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gibt sich in Sachen Gigaliner weiter optimistisch. Solche größeren Transporteinheiten könnten dazu beitragen, die Straße als den Verkehrsträger Nummer eins effizienter zu machen. "Vor diesem Hintergrund wollen wir den bundesweiten Feldversuch mit Lang-Lkw durchführen und dabei auch untersuchen, ob wir durch diese Fahrzeuge Fahrten und CO2-Emissionen einsparen können", sagt Ramsauer.

Fahrversuch mit Gigaliner

Großer Wendekreis: Ein Lkw-Fahrer übt das Rangieren mit einem Gigaliner. Die Riesenlaster sollen schon bald auch auf Autobahnen getestet werden.

(Foto: dapd)

Doch ob es tatsächlich zum flächendeckenden Großtest mit den bis 25,25 Meter langen Lastwagen kommt, wird zunehmend fraglicher. Denn ausgerechnet das Daimler-Heimatland Baden-Württemberg schert nun aus.

"Wir werden uns nicht an dem Modellversuch der Bundesregierung beteiligen", heißt es im Koalitionsvertrag der neuen grün-roten Regierung in Stuttgart. Nur noch sieben der 16 Bundesländer würden sich noch an dem Feldversuch beteiligen. Ramsauer gelang es auch nicht, einige andere von SPD und Grünen regierte Bundesländer vom Versuch zu überzeugen. Mit Baden-Württemberg würde nun allerdings auch ein zentral gelegenes großes Flächenland nicht teilnehmen und damit möglicherweise die Aussagekraft des Experiments gefährden.

Es ist so ähnlich wie seinerzeit mit den Hochtemperaturreaktoren, einem Begriff, mit dem die Atomindustrie Vertrauen in ihre Technologie schaffen wollte und bei vielen Menschen Angst erzeugt.

Denn die Probleme beginnen auch jetzt mit den diversen Bezeichnungen für die rollenden Teile. Begriffe wie Gigaliner, Riesen-Lastwagen, Lang-Lkw lassen die Fahrer der deutlich kleineren Personenautos generell auf Distanz gehen. Dieses Problem erkannt hat Georg Pachta-Reyhofen. Beim Chef des Nutzfahrzeug-Herstellers MAN heißen die Ungetüme nun nur noch unverfänglich "Euro-Combi".

Hersteller und Betreiber von Lastwagen argumentieren, mit zwei der langen Lkw lasse sich die Fracht von drei herkömmlichen Lastwagen transportieren, die in Deutschland mit Anhänger derzeit höchstens 18,75 Meter messen dürfen. In EU-Mitgliedstaaten wie Schweden und den Niederlanden gibt es die Lang-Lkw bereits.

In einigen Staaten sind die Gigaliner schon erfolgreich unterwegs

Sie stellen aus der Sicht ihrer Befürworter die ökonomische und ökologische Antwort darauf dar, dass immer mehr wertvollere, aufwendig verpackte und damit voluminöse Güter transportiert werden. Derart beladen stoßen Lastwagen häufig nicht an ihre Gewichts-, sondern an die Volumengrenze.

Deshalb sind die im Großversuch vorgesehenen 44 Tonnen schweren Fahrzeuge dem Lkw-Produzenten Pachta-Reyhofen noch zu klein. Er fordert, "das Verkehrssystem und die Umwelt durch das Zulassen einer volumenoptimierten 48-Tonnen-Variante zu entlasten". Studien zufolge könne damit die Umwelt um bis zu 20 Prozent der CO2-Emissionen entlastet werden.

Der deutschlandweite Feldversuch soll mehrere Jahre lang laufen, mehr als 200 Unternehmen haben sich zur Teilnahme angemeldet. Unter ihnen ist auch die Spedition Dachser, die täglich 8000 Fahrzeuge auf die Straßen Europas schickt.

"Wir erachten es als sinnvoll, diese Technologie zu testen, da durch mehr Zuladung weniger Fahrten möglich wären", sagt Bernhard Simon, der Chef des Unternehmens in Kempten mit 19.250 Beschäftigten weltweit. Dachser will sein Know-how einbringen. Denn, so Simon: "Wir setzen Lang-Lkw bereits in den Niederlanden, Dänemark und Schweden auf Langstrecken, also nicht im Innenstadtbereich ein und haben bisher gute Erfahrungen damit gemacht."

Der Feldversuch sollte ursprünglich nur auf Autobahnen, nach neuerer Planung nun aber auch auf ausgewählten Bundes- sowie einigen Landes- und Kreisstraßen stattfinden. Gegner sehen abseits der Autobahnen verstärkt Verkehrsgefahren. Auf einer kurvigen Landstraße dürfte es selbst mit einem kräftig motorisierten Personenwagen schwer möglich sein, ein 25,5 Meter langes Fahrzeug zu überholen. Daher soll hier ein generelles Überholverbot gelten. Zudem sollen die Gigaliner hier kein Gefahrgut transportieren dürfen.

Die Grünen - nicht nur in Baden-Württemberg - sind auch gegen Groß-Lkw, weil sie mehr Transporte auf die Schiene verlagern wollen. Das findet Minister Ramsauer angesichts des insgesamt steigenden Transportaufkommens keine gute Idee: "Um das prognostizierte Verkehrswachstum insbesondere im Güterverkehr bewältigen zu können, brauchen wir alle Verkehrsträger."

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