Geschichte der Kompakt-SUVs:Ungeliebt, aber irre erfolgreich

Toyota RAV4 Dreitürer von 1994.

In 20 Jahren brachte es der Toyota RAV4 auf vier Modellgenerationen und mehr als fünf Millionen verkaufte Exemplare.

(Foto: Toyota)

Vor 20 Jahren bot Toyota mit dem RAV4 den ersten Kompakt-SUV an. Damit begann ein Boom, der bis heute anhält. Der Trendsetter von damals ist nur noch einer unter vielen.

Von Michael Specht

Geht es um den Mut, Nischen und Marktsegmente zu besetzen und damit womöglich Trends zu setzen, zeigt die deutsche Automobilindustrie wenig Talent. Das haben eher die Japaner. Zum Beispiel Mazda mit dem MX-5. Der kleine Roadster brachte in den 90er-Jahren frische Luft in die Welt der Cabriolets. Oder der erste Toyota Prius: zwar optisch wenig attraktiv, aber voll mit innovativer Hybridtechnik, wie sie erst mehr als 15 Jahre später so langsam in deutsche Autos einzieht.

Auch bei den kleinen Sport Utility Vehicles (SUV) waren es die Fahrzeughersteller aus Fernost, die ein Gespür dafür entwickelten, was vielleicht eines Tages hip werden könnte. 20 Jahre ist das her. Toyota überraschte 1994 die Branche mit dem RAV4: klein, hoch und handlich. Der unkonventionell gestylte und in der zweitürigen Version nur 3,72 Meter kurze RAV4 - die Abkürzung steht für Recreational Active Vehicle, die 4 für den Allradantrieb - sollte seinen Besitzern einen Hauch von Outdoor- und Abenteuergefühl vermitteln. Schnell mauserte sich der RAV4, den es von 1995 an auch als Viertürer gab, zum kleinbürgerlichen Liebling.

Der Unterschied: deutlich mehr Komfort

Im Segment der Mini-SUV tummelte sich Toyota jedoch nicht allein. Mitstreiter Suzuki, einer der Pioniere kleiner Geländeautos wie dem LJ80 von einst, hatte bereits den SJ auf der Straße. Wir vergessen natürlich nicht den Lada Niva und den Daihatsu Rocky. Doch im Unterschied zu allen diesen nach klassischem Muster (Leiterrahmen) gebauten Offroad-Vehikeln bot der RAV4 bereits Pkw-ähnliche Fahreigenschaften - und, sehr wichtig, deutlich mehr Komfort. Grund war unter anderem seine selbsttragende Karosserie. Toyotas erstes Lifestyle-Fahrzeug war geboren. Das war mutig, denn seinen individuellen Lebensstil pflegte man Ende der 90er-Jahre noch vorwiegend mit einem Cabriolet zu dokumentieren. Stichwort: BMW Z3, Mercedes SLK oder Porsche Boxster.

Nun ruft Erfolg natürlich Nachahmer aufs Parkett. Auf den RAV4 reagierten schon wenige Jahre später Mitsubishi mit dem Pinin, Daihatsu mit dem Terios, Suzuki mit Vitara, Jimny und Samurai - allesamt knuffige SUV für den City-Einsatz. Weil Platz- und Komfortansprüche aber rasch wuchsen, verschwanden einige dieser Modelle bald wieder.

Die Deutschen reagierten langsam

In Deutschland reagierten die Autobauer erst einmal gar nicht. Zumindest nicht im Kompaktsegment. Mercedes schickte in der Oberklasse 1997 die in den USA gebaute M-Klasse an den Start. BMW folgte zwei Jahre später mit dem X5. Ihn nannten die Münchner Marketingstrategen nicht mehr SUV sondern SAV (Sport Activity Vehicle) und - geblendet von dessen Erfolg - kümmerte sich weder in München, Stuttgart, Ingolstadt oder Wolfsburg irgendjemand um den Normalverdiener und dessen Wunsch nach einem kleineren SUV. Stattdessen setzte VW der M-Klasse und dem X5 ab 2002 die drei Dickschiffe VW Touareg, Audi Q7 und Porsche Cayenne vor die Nase - in einer Zeit, in der die Öffentlichkeit zunehmend über Klimaschutz und Ressourcenschonung diskutierte und große SUV nicht unbedingt zu den Lieblingen der Nation gehörten.

Erst langsam drang in die Entwicklungsabteilungen der deutschen Autohersteller vor, dass kleine und sparsamere SUV zum Trend werden könnten. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, reagierten VW und Ford 2007 mit Tiguan und Kuga. Zwar gebührt Opel in diesem Fall der Preis für weise Voraussicht, weil die Rüsselsheimer 2006 mit dem Antara kamen. Doch der war eigentlich ein Chevrolet Captiva aus Südkorea. Sein Erfolg blieb mäßig. Richtig Stückzahlen machte man in Wolfsburg und Köln.

Heute einer unter vielen

Heute scheint das Angebot an kompakten SUV schier unüberschaubar, kein anderes Fahrzeugsegment wächst derzeit stärker. Selbst die Franzosen und Italiener, bis dato in dieser Klasse nicht präsent, mischen munter mit: Renault mit dem Captur, der in Europa gleich auf die Pole-Position fuhr, Peugeot mit dem 2008 und Fiat demnächst mit dem 500X. Auch die Premiumhersteller lassen sich das von der Nische zum Mainstream gewachsene Segment nicht entgehen: BMW mit dem X1, Audi mit dem Q3 und 2016 mit dem Q1, Mercedes mit dem GLA. Der Mini Countryman ist inzwischen das meistverkaufte Modell der Marke.

Und der Toyota RAV4? Nach 20 Jahren ist er einer unter vielen geworden, verwechselbar im Design und gewachsen auf 4,57 Meter. Und die Konkurrenz schlägt mit kompakteren Modellen zurück. VW hat bereits den Taigun angekündigt.

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