Genfer Autosalon 2007:Liebe und Hiebe

Der Autosalon in Genf gilt als die wichtigste Leistungsschau der Branche und ist traditioneller Ort für Premieren und gewagter Studien. Doch das Auto steht in der Kritik wie lange nicht mehr.

Jörg Reichle

Klimawandel am Genfer See. Fast immer in den letzten Jahren war Frühling angesagt während des Autosalons, auch stimmungsmäßig. Die Branche traf sich, präsentierte stolz allerlei Serienreifes und Phantasievolles, glänzte lustvoll und startete danach meist mit Optimismus ins Autojahr.

Maserati Gran Tourismo Genf Autosalon

Dreizack: Maserati stellt in Genf den Gran Tourismo vor - mit 405 PS starkem V8.

Damit dürfte es jetzt vorbei sein, denn die Autoindustrie und die deutsche vornedran steht am Pranger wie nicht mehr seit dem Ölschock in den siebziger Jahren, als den Deutschen autofreie Sonntage verordnet wurden und ein allgemeines Tempolimit die Nation in Wallung brachte.

Zum Autofasten verordnet

Heute verordnen Kirchenmänner wieder Autofasten und eine häufig mehr erregte als informierte Öffentlichkeit zeigt mit dem Finger auf die Autobauer, die vermeintlich Hauptschuldigen an Treibhausgas und Feinstaub, an Pol-Schmelze und globalen Orkanen.

Zuletzt auch der Bundespräsident: Die Autoindustrie, klagte Horst Köhler an, habe mit Blick auf die ökologische Entwicklung dieser Erde kein Ruhmesblatt geschrieben; sie müsse sich fragen lassen, warum sie Selbstverpflichtungen eingehe und dann wiederholt nicht einhalte.

Retten, was zu retten ist

Die Folgen der Laxheit in den Vorstandsetagen dürften schon bald Konsequenzen haben, wenn man das Staatsoberhaupt richtig versteht: "Der Staat darf sich nicht scheuen", so Köhler weiter, "vorausschauend Ziele zu setzen und die Industrie muss darauf antworten. Der Markt allein wird es nicht richten."

Unter dem Druck des Faktischen muss die Industrie jetzt retten, was zu retten ist. Und siehe da: Aus allerlei Schubladen und Forschungslaboren werden plötzlich Lösungen und Ansätze präsentiert, vieles wird man in Genf bereits sehen können.

So steht bei Mercedes, wo man sich schon vor der Show beeilte festzustellen, dass "mehr als 38 Prozent der in Europa verkauften Neuwagen weniger als 6,5 Liter Kraftstoff verbrauchen", ein auf minimalen Verbrauch getrimmtes Exemplar der neuen C-Klasse. Die sogenannte Vision Bluetec zeige, so der Konzern, den Weg auf, wie die ab 2015 europaweit für alle Neufahrzeuge weiter verschärfte Abgasnorm EU6 erfüllt werden könne. Bei einer Leistung von 125 kW (170 PS) soll der C220 Bluetec nur 5,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen.

Liebe und Hiebe

Auch Volkswagen reagiert bereits. In Genf feiert der Passat BlueMotion Weltpremiere. Die Kerndaten des 77 kW (105 PS) starken TDI-Motors: 5,1 Liter Diesel pro 100 km, 136 g/km CO2, Reichweite bis zu 1350 km mit einer Tankfüllung. Erstmals präsentiert wird in Genf auch der neue Golf Variant als geräumiges Alltagsgefährt für die Familie. Bis zu 1550 Liter Gepäck passen rein, auch er ist mit dem Spar-TDI zu haben. Schon im April soll der Verkauf beginnen.

Genfer Autosalon 2007: Audis Messehighlight -  der Designer verkündet stolz: "Der A5 ist das schönste Auto, das ich je entworfen habe."

Audis Messehighlight - der Designer verkündet stolz: "Der A5 ist das schönste Auto, das ich je entworfen habe."

(Foto: Foto: Hersteller)

Dass modernes Denken und überkommenes Produktverständnis wohl noch längere Zeit nebeneinander Bestand haben werden, sieht man auch bei BMW. Einerseits stellt der Konzern in Genf eine neue Motorengeneration vor, die dank optimierter Benzineinspritzung, Start-Stop-Automatik und der Rückführung von Energie im Schiebebetrieb deutlich weniger Treibstoff verbrennt als bislang.

Andererseits setzt man mit dem neuen M3, der von einem 420 PS starken Vierliter-V8 angetrieben wird und (ungedrosselt) mehr als 300 km/h erreichen kann, noch voll auf ungebremste Emotion und Höchstleistung.

"Wirtschaftsunternehmen und keine Sozialhilfestationen"

Bei Konkurrent Audi präsentiert der neue Vorstandschef das Messehighlight, den eleganten A5. Rupert Stadler, der sich kürzlich mit der zwar richtigen, aber wenig sensiblen Äußerung in die Umweltdiskussion eingemischt hatte, Autokonzerne seien "Wirtschaftsunternehmen und keine Sozialhilfestationen", bringt das Mittelklassecoupé im Juni auf den Markt - "das schönste Auto, das ich je entworfen habe", wie VW-Chefdesigner Walter de'Silva stolz betont. Der A5 wird zunächst mit einem neuen 3,2-Liter-V6-FSI, einem 2,7-Liter-V6-TDI und den Dreiliter-TDI kommen. Im Juni folgt dann der S5 mit V8-FSI und 345 PS.

In der gedämpfteren Autowelt des Normalverbrauchers suchen derweil andere ihr Glück. Ford beispielsweise, wo der neue Mondeo mit kantigem Design im Mittelpunkt steht - und zwar in allen Varianten: als klassische Limousine, als Fließheck mit großer Heckklappe und als Kombi mit bis zu 1745 Liter Ladevolumen.

Angetrieben wird das Mittelklassemodell im VW-Passat-Format von Motoren vom 100-PS-Diesel bis zum 220-PS-Fünfzylinder-Benziner. Im Sommer soll der Mondeo bei den Händlern sein. Konzernschwester Volvo zeigt dagegen Großbürgerliches: Der neue V70 nimmt spürbar Abschied von alter Kantigkeit, ist in vielen Details verbessert und hat mehr Platz, aber hält sich an die Verpflichtung des zur Ikone gereiften Vorgängers.

Die SUV-Manie geht weiter

Trotz der aktuellen Kritik an der modischen SUV-Manie springen immer neue Mitbewerber auf den Zug auf. Jetzt auch Citroën und Peugeot, vereint im PSA-Konzern und hierzulande hochgelobt als Pioniere des Partikelfilters. In Genf stehen jetzt der rustikale Peugeot 4007 und sein Zwilling, der optisch etwas elegantere Citroën C-Crosser. Beide basieren auf dem Mitsubishi Outlander, haben einen elektronisch geregelten, zuschaltbaren Allradantrieb und sollen bis zu sieben Insassen Platz bieten.

Und wenn wir schon bei neuen SUVs sind: Auch bei Chevrolet, der GM-Marke, unter der die einstigen Daewoo-Modelle heute segeln und die als einziges US-Label einigermaßen gute Zahlen macht, präsentiert man in Genf ein originelles Nischenprodukt. Der HHR zitiert den Chevy Suburban von 1949, sieht ähnlich aus wie der Retro-selige Chrysler PT Cruiser und wird wahlweise von Vierzylinder-Benzinern mit 2,2 und 2,4 Liter Hubraum angetrieben.

Nostalgie auch bei Fiat

Nostalgie, wenn man so will, gibt es auch bei Fiat zu bestaunen. Weniger beim neuen Kompaktklasse-Modell Bravo, der in Genf im Mittelpunkt des Messeauftritts stehen wird. Aber wir begegnen zum ersten Mal nach langer Zeit wieder dem Namen Abarth. Welch ein Klang für Enthusiasten! Der Grande Punto trägt den Namen - zu Recht, bei 155 PS dank Turboaufladung, eine 180 PS-starke Version soll folgen.

Zum guten Schluss die Inkarnation der Vernunft, in diesem Fall von Mazda. Der neue Zweier, jetzt mit radikal neuem Design. Er teilt sich die Plattform mit dem nächsten Ford Fiesta und wird zunächst mit drei Benzinern zwischen 75 und 103 PS angeboten, später folgt ein 1,4-Liter-Diesel - wie es scheint ein neues Beispiel dafür, dass Kleinwagen unsere Zukunft sind.

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