Ford Fiesta:Das Stehaufmännchen vom Dienst

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Der Veteran der Kleinwagen-Szene kann nun sogar mit Seitenairbags aufwarten / Fünftürer kostet künftig mehr als der Dreitürer

(SZ vom 05.01.2000) Der Fiesta ist ein Phänomen: Seit 1976 vertritt er die Marke Ford in der Einsteigerklasse - in einer Branche, die immer schnelllebiger wird, eine halbe Ewigkeit. Natürlich wurde er, um im Geschäft zu bleiben, regelmäßig renoviert und modernisiert, doch grundlegend verändert hat er sich nie. Und das Stehaufmännchen vom Dienst macht weiter, noch mindestens zwei Jahre lang: Die jüngste Fiesta-Ausgabe steht - technisch weiter verbessert, optisch in Richtung New-Edge-Design und Focus getrimmt - seit einiger Zeit bei den Händlern.

Der Fiesta geht also durchaus mit der Mode und der Zeit. Allerdings lässt er den letzten Chic vermissen, was wohl daran liegt, dass ihn sein Format als Kind der späten 70er Jahre ausweist: Die jüngeren Konkurrenten wirken stattlicher und dynamischer. Davon abgesehen lässt sich gegen den Fiesta, mit einer Gesamtauflage von neun Millionen noch immer Europas meistverkaufter Kleinwagen, nicht viel einwenden. Er gehört mit Sicherheit zu den ausgereiftesten Automobilen auf dem Markt, zumal es Ford stets verstanden hat, den Fiesta am technischen Fortschritt teilhaben zu lassen.

Ein Plus an Sicherheit

Er war beispielsweise der erste Zweit- und Stadtwagen, der mit ABS geordert werden konnte. Kein anderer in dieser Größenklasse war früher als er mit Diesel- und später mit 16-Ventil-Ottomotor erhältlich. Er wurde schnell mit Fahrer- und später auch mit Beifahrerairbag bestückt, und nun sind auch noch serienmäßige Seitenairbags hinzugekommen. Diese Aufwertungen und zusätzliche konstruktive Verbesserungen, die für mehr Sicherheit im Crash-Fall sorgen, und das veränderte, nach Ford-Meinung nunmehr eher lächelnde Gesicht sollen den Fiesta-Verkauf wieder ankurbeln.

Allerdings habe es wohl nicht am Produkt allein und dessen von der Kundschaft als traurig empfundenen Gesichtsausdruck gelegen, dass die Nachfrage gesunken sei, sondern auch daran, dass das B-Segment, in dem es startet, "seit 1996 kontinuierlich kleiner wird", sagt Ford. Aus einer Größenkategorie sind zwei geworden: Mit seinen 3,83 Metern ist der Fiesta - anders als bei seinem Debüt vor 23 Jahren - kein typischer Kleinwagen mehr. Diese Position besetzen heutzutage kürzere Fahrzeuge - beispielsweise, aber beileibe nicht nur der freche Ka, für den der Fiesta übrigens die Plattform geliefert hat.

Damit der Oldie gegen die ständig wachsende Schar von Wettbewerbern überhaupt noch eine Chance hat, war Ford um attraktive Preise bemüht. Dazu musste das Unternehmen allerdings von der bisherigen Übung abweichen, Drei- und Fünftürer zum selben Preis anzubieten. Die Entscheidung, für die zusätzlichen Türen und Fond-Kopfstützen künftig 1100 Mark mehr zu verlangen, beruhe, heißt es, "auf einer umfassenden Marktbefragung und trägt den Kundenwünschen Rechnung". Doch wie man es auch dreht und wendet: De facto verbirgt sich dahinter eine saftige Preiserhöhung.

Der Frauenanteil beträgt 60 Prozent

Um auf einen Einstandpreis von 18 500 Mark zu kommen, mussten die Marketingsstrategen aber noch mehr tricksen und dem 1,3-Liter-Fiesta mit 37 kW (50 PS) sowohl ABS als auch Servolenkung vorenthalten. Es ist zu hoffen, dass die Kunden - Frauenanteil: 60 Prozent - weitsichtiger sind als die Herren in der Geschäftsführung und freiwillig 800 Mark mehr ausgeben, um den Wagen mit kompletter Sicherheitsausstattung zu bekommen.

Beim zweiten 1,3-Liter-Benziner mit 44 kW (60 PS) ist ein Verzicht auf das ABS nicht vorgesehen, doch die Servolenkung bleibt aufpreispflichtig; nur die Dieselversion - 1,8 Liter Hubraum, 44 kW (60 PS) - ist grundsätzlich mit Lenkhilfe ausgestattet. Auch der 1,25-Liter-16-Ventiler mit 55 kW (75 PS) hat sie stets an Bord, weil dieser Motor einzig und allein mit den höherwertigen Ausstattungsniveaus - Kool, Trend und Ghia - kombiniert werden kann. Diese 1,25-Liter-Variante soll vom kommenden Jahr an auch mit einem stufenlosen Automatikgetriebe lieferbar sein. Teuerstes Modell auf der aktuellen Preisliste ist der fünftürige Fiesta Ghia mit Dieselantrieb für 28 080 Mark, der unter anderem mit Klimaanlage, elektrischen Fensterhebern, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Nebelscheinwerfern und einem höhenverstellbaren Fahrersitz aufwarten kann, vom Holzdekor am Instrumententräger ganz zu schweigen.

Motorseitig ist die Erneuerung der Fiesta-Baureihe damit indessen noch nicht abgeschlossen. Anfang 2000 soll ein Turbodiesel-Direkteinspritzer mit 55 kW (75 PS) in die Produktion einfließen, und außerdem wird es in Kürze ein richtiges Topmodell geben, das die Tradition der kleinen Kraftpakete XR2 und XR2i wieder aufleben lässt.

Der 1,6-Liter-Motor des neuen Fiesta Sport mobilisiert 76 kW (103 PS) bei 6000/min, die der Dreitürer dank gelungener Fahrwerksabstimmung absolut souverän auf die Straße bringt, und stellt ein Drehmomentmaximum von 145 Newtonmeter bereit. Dieser Wert wird zwar erst bei 4000/min erreicht, doch anders als der 1,25-Liter-Fiesta verfällt der 1,6er bei niedrigeren Drehzahlen nicht in Lethargie: Zwischen 1900 und 5500/min gebietet der Fahrer über mindestens 130 Nm. Die Bremsen wurden den erhöhten Fahrleistungen angepasst, ohne dass sich Ford veranlasst sah, auf die Trommelbremsen an der Hinterachse zu verzichten.

Innen lauter als außen

Was Lenkpräzision, Fahrdynamik und Straßenlage angeht, ist der Fiesta Sport mehr als nur ein halber Puma. Die Unterschiede liegen vor allem im Komfort: Im Sport werden die Bandscheiben kaum in Mitleidenschaft gezogen. Akustisch geht er hingegen voll zu Sache, denn die Sound-Ingenieure haben mit Hilfe von Resonatoren und einem speziellen Ansaugschlauch eine Geräuschkulisse geschaffen, die - das ist heutzutage möglich - den Insassen stärker ins Bewusstsein dringt als den Passanten am Straßenrand.

Die Schaltung erinnert gleichfalls an den Puma, das Lenkrad ist griffig und die Sportsitze bieten auch bei etwas sportlicherer Fahrweise guten Halt - kurzum, dem Fiesta Sport ist vielleicht anzusehen, aber ganz bestimmt nicht anzumerken, dass er von einem Veteranen der Szene abstammt.

Das Kölner Unternehmen rechnet damit, dass sich im kommenden Jahr in Deutschland wenigstens 50 000 Käufer für den verjüngten Fiesta finden und er den Abstand zu den Klassen-Besten Opel Corsa und Volkswagen Polo verkleinern kann. "Mit der Neuauflage", zeigt sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Bernhard Mattes zuversichtlich, "haben wir nun wieder beste Karten in der Hand. "

Von Gerlinde Fröhlich-Merz

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