Folgen des Fahrverbots-Urteils:Menschen in der Dieselkrise

Autohändler Gebrauchtwagen Rabatte Wertverlust

Ein Interessent beim Gebrauchtwagenhändler: Immer mehr Käufer greifen zum Benziner, die Preise für Dieselautos sacken ab.

(Foto: dpa)

Taxifahrer, Kunden, Händler: Die Entscheidung aus Leipzig zu Fahrverboten trifft viele - die meisten negativ. Doch es gibt auch Profiteure der Misere.

Von SZ-Autoren

Fahrverbote für Dieselwagen in Städten - das Gerichtsurteil in der vergangenen Woche war ein Schock für Deutschland. Für die Politik, die nun gezwungen ist, zu handeln. Für die Wirtschaft, die sich weigert, Umrüstungen zu zahlen. Und dann sind da noch die Menschen: Gebrauchtwagenhändler, Taxifahrer, Käufer. Ein Überblick.

Die Gebrauchtwagen-Verkäufer

Der ganze Hof ist zugeparkt. Der Schnee auf den Dächern zeigt, wie lange die Autos hier schon stehen. Es sind gebrauchte Modelle, ein BMW, ein Mercedes, die meisten fahren mit Diesel. Nabil Ashkar sitzt in seinem Büro und raucht. Die Gebrauchtwagen auf seinem Hof bekommt er nicht mehr los. Zu einem großen Teil verkauft er die Autos an Händler weiter, doch die wollen jetzt nicht mehr. "Seit einer Woche machen die dicht", sagt Ashkar. Die einzigen möglichen Käufer für seine Autos kämen aus Osteuropa. "Aber auch dort wissen sie, wie es bei uns aussieht, sie kennen die Preise." Die Angebote sind so niedrig, dass sich der Verkauf auch nicht lohnt. Die Folge: Die Wagen bleiben stehen. "Gestern erst hat eine Frau ihre Anzahlung zurückgefordert", sagt Ashikar. Ihren Diesel wollte sie nun doch nicht mehr haben.

Gebrauchtwagenhändler wie Ashkar haben ein Problem, aber nicht erst seit dem letzten Dienstag: Das Geschäft mit Privatkunden läuft seit Jahren schlecht: 2017 war nur noch jeder dritte neu zugelassene Wagen in Deutschland ein Diesel - 2013 dagegen noch fast jeder zweite. Im Februar dieses Jahres fiel die Zahl der Diesel-Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 19 Prozent. Der Markt verschiebt sich erkennbar in Richtung Benziner. Ashkar weiß von Händlern, die Schwierigkeiten haben, der gestiegenen Nachfrage hinterherzukommen.

Der Handel mit Diesel mag langsam und schmerzvoll zu Ende gehen, generell aber ist der Automarkt sehr lebendig. Die Alternativen Elektro, Hybrid oder eben Benzin sind auch eine Chance für Händler. Die Zahl aller neu zugelassenen Autos stieg im Februar gegenüber dem Vorjahresmonat um über sieben Prozent. Trotz Diesel, trotz des Urteils aus Leipzig.

Die Elektroauto-Händler

Der Tesla-Shop in Stuttgart ist eine riesengroße Frechheit. Ausgerechnet in der Stadt von Daimler und Porsche hat der US-amerikanische Hersteller von Elektro-Sportwagen seinen größten Flagship-Store in ganz Deutschland eröffnet. Mitten in der Fußgängerzone. Am Samstagnachmittag ist der Tesla-Shop voller Menschen. Die ausgestellten Fahrzeuge sind umringt von Interessenten. "Unser Probefahrt-Kalender ist sehr gefüllt", sagt einer der Verkäufer. Sein Name darf nicht veröffentlicht werden, dafür aber seine Begeisterung für das Leipziger Urteil, das Fahrverbote in Städten möglich macht. "Wir haben seitdem sehr viele Anrufe, das häuft sich massiv", erzählt der junge Mann im sportlichen Outfit. "Die Anrufer fragen uns, wie sie ihren Diesel losbekommen können, bevor er gar nichts mehr wert ist." Er erzählt ihnen dann, dass auch Tesla alte Diesel-Karren in Zahlung nimmt. "Viele wissen das nicht", sagt er. Und, natürlich: "Unser Laden hier läuft sehr gut."

Ein Ehepaar, Gerhard und Jutta Ludwig, entscheidet sich für eine Testfahrt mit dem Modell X. Für Jutta Ludwig ist das auch eine Frage von Verantwortung: "Wir müssen doch an unsere Enkel denken, die wollen auch leben." So weit ist es gekommen: Der Kauf eines Tesla-SUV mit Flügeltüren gilt als Inbegriff des Umweltschutzes. Die Ludwigs winken gut gelaunt und laufen durch die Fußgängerzone zu ihrer ersten Elektro-Autofahrt. Die Stadt Stuttgart hat unterdessen für Samstagabend das Ende ihres Feinstaubalarms ausgerufen. Um ihn für Dienstag schon wieder auszurufen.

So mancher Dieselkäufer könnte auch profitieren

Die Taxifahrer

"Ein flächendeckendes Dieselverbot in München wäre für die Taxiunternehmer ein Riesenproblem", sagt Frank Kuhle. "Viele könnten dann aufhören." Der 51-Jährige ist Vorsitzender der Genossenschaft Taxi München e.G. Seit 30 Jahren ist er im Geschäft, saß lange selbst hinterm Steuer. Er schätzt, dass von einem Verbot etwa 75 Prozent der Münchner Taxis betroffen wären. Das wären rund 2000 Fahrzeuge. Ein Dieselverbot stünde für ihn aber im Widerspruch zur Beförderungspflicht von Taxifahrern: "Wir sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs und müssen fahren."

Gleichzeitig sind die Taxis aber auch nur in München zugelassen, Unternehmen könnten also nicht einfach in umliegende Städte ausweichen, die noch offen sind für Diesel. "Im Extremfall kämen Taxifahrer, die außerhalb wohnen, nicht einmal an ihren Arbeitsplatz", sagt Kuhle.

Er wünscht sich von seiner Stadt eine Übergangslösung, in der es Taxiunternehmen möglich ist, weiterhin zu fahren. Der Austausch von Dieselautos würde ohnehin viele vor große Probleme stellen: "Die größten Betriebe in unserer Genossenschaft haben 50 Taxis in ihrer Flotte, teilweise mehr. Das kann sich keiner leisten." Höhere Kosten durch ein Dieselverbot müssten die Taxifahrer wohl auf ihre Fahrgäste umlegen. Kuhle fürchtet, dass die Kunden nicht mitmachen würden. Und selbst wenn: Die Tarife legt immer noch die Stadt München fest.

Die Käufer

Der Autoexperte und Professor an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, empfiehlt Dieselkunden vor allem eines: Füße still halten. Bei Panikverkäufen würde man nur Verluste machen. "Ich rate davon ab, jetzt auf Teufel komm raus sein Auto zu verkaufen", sagt er. Besser sei es, andere Optionen zu prüfen. Für ältere Diesel gibt es eine Verschrottungsprämie, neuere Modelle mit Diesel-5-Motor können eingetauscht werden. Je nach Fahrzeug und Hersteller gibt es hier zwischen 3000 und 4000 Euro.

Betroffenen Dieselkunden, für die sich keine der Möglichkeiten lohnt, rät Dudenhöffer: erst mal weiterfahren. Bisher gibt es lediglich ein Urteil und keine Verbote. Sollten die für bestimmte Zeiträume kommen, gebe es immer noch Mietwagen. Außerdem könnten manche jetzt ein gutes Geschäft machen: "Wer auf dem Land wohnt und nicht in die Stadt fahren muss, hat noch nie so billig einen Diesel gekauft", sagt Dudenhöffer.

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