Flugzeug-Design:Ideenstreit der Zukunftsflieger

Wie werden wir in 40 Jahren fliegen? Airbus-Ingenieure und Hamburger Wissenschaftler liefern sich einen kreativen Wettbewerb.

Andreas Spaeth

So schön könnte Fliegen 2050 sein: Auf Knopfdruck werden nicht nur Teile der Außenwand des Flugzeugs transparent, sondern auch bestimmte Bereiche des Bodens und die Oberseite der Kabine. Die Pyramiden, die Alpen oder der Eiffelturm am Boden ließen sich ebenso in all ihrer Pracht aus einer Flughöhe von 10000 Meter aus faszinierender Perspektive betrachten wie bei Nacht die Milchstraße hoch am Firmament.

Wirklich in die Ferne sehen, anstatt fernzusehen und dabei auf kleine Bildschirme zu starren, das wäre eine revolutionäre Form der Bordunterhaltung. "Wir wollen das Erlebnis Fliegen verbessern und möglichst viel Faszination unterbringen", sagt Axel Krein über seine Vision. Der Ingenieur leitet bei Airbus in Hamburg die Abteilung Forschung und Technologie. Zusammen mit Hunderten Mitarbeitern hat Krein jetzt die erste offizielle Zukunftsvision des europäischen Herstellers erarbeitet, um zu zeigen, wie Fliegen 2050 aussehen könnte. Ergebnis ist das Airbus Concept Plane, eine Flugzeugstudie, die im Juli auf der Luftfahrtmesse in Farnborough (SZ berichtete) erstmals vorgestellt wurde.

Schon äußerlich unterscheidet sich das Flugzeug, in dem bis zu 250 Passagiere Platz finden könnten, von dem, was man heute kennt. Der Rumpf hat den Querschnitt eines liegenden Eis, "wir nennen das 'Oval in der Horizontalen'", sagt Axel Krein. Bisher waren Rümpfe entweder kreisrund oder wie etwa die A380 oval in der Hochachse. Der Grund für die Änderung ist simpel: "Der Rumpf unseres Konzeptflugzeugs soll zusätzlichen Auftrieb durch seine Form erzeugen", erklärt der Airbus-Ingenieur.

Die Tragflächen sind besonders lang und dünn, um besser durch die Luft zu gleiten, den Treibstoffverbrauch zu optimieren und weniger Widerstand zu bieten. An der Tragflächenwurzel, hinter der Kabine, befinden sich die beiden Triebwerke. Damit ist es zum einen für die Insassen leiser, durch eine Abschirmung nach unten wird auch die Lärmausbreitung zum Boden hin minimiert.

Unter den Triebwerksauslässen befinden sich die Aufhängungen des u-förmigen Hecks. Es besteht nur noch aus einem auf beiden Seiten nach oben gebogenen Höhenruder, das bisher übliche Leitwerk fehlt. "Da heute die Motoren an den Flügeln hängen, braucht man eine vertikale Heckflosse für die Richtungsstabilität, falls ein Motor ausfällt", erklärt Krein. Die Motoren dagegen sollen nach den Airbus-Plänen künftig so zuverlässig sein, dass sie nie mehr ausfallen. Damit entfalle die Notwendigkeit für ein Leitwerk.

Neuerungen im Inneren

Noch wesentlich revolutionärer als die äußere Form des Entwurfs sind dagegen die Neuerungen im Inneren. So soll die Kabineneinrichtung aus ökologischen Materialien wie Pflanzenfasern bestehen, die man gleich in der benötigten Form und Stärke wachsen lässt und die selbstverständlich voll recyclingfähig sind. Teppiche und Sitzbezüge sind selbstreinigend, "die haben keine Poren mehr, in denen sich Schmutz festsetzen könnte", so Axel Krein.

Gleichzeitig soll das Flugzeug selbstreparierende Fähigkeiten haben durch den Einsatz von Nano-Material, wo etwa im Falle eines Haarrisses in der Außenhaut Nano-Kapseln eine Flüssigkeit freisetzen, die den Riss ausfüllt. Neben Brennstoffzellen, Wasserstoff oder Solarzellen könnte auch der Mensch selbst Energie an Bord liefern: "Wir wollen nach dem Prinzip des Wärmetauschers über eine Wärmepumpe die in der Kabine entstehende Wärme nutzen", so Krein.

Trotz solcher heute utopisch anmutender Visionen betont er: "Wir haben uns in dem Entwurf bewusst für Dinge entschieden, die noch einen starken Bezug zur Realität haben." Doch schon bei der Präsentation des Modells hatte der oberste Airbus-Ingenieur Charles Champion klargestellt: "Dies ist kein reales Flugzeug. Aber alle dafür verwendeten Technologien sind heute schon realisierbar, auch wenn sie wahrscheinlich künftig nicht in exakt derselben Weise kombiniert werden."

Intensiv mit der Zukunft der Passagierluftfahrt beschäftigt sich in Hamburg auch der Industriedesigner Werner Granzeier, Inhaber einer Designfirma und Professor für Flugzeugbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Er setzt seit Jahren auf die Entwicklung von Nurflüglern als Flugzeug der Zukunft, bereits seit 2003 erprobt er mit Studenten anhand von 1:30-Modellen die praktischen Flugeigenschaften.

Granzeier sieht in dem Airbus-Vorstoß "eher eine PR-Maßnahme, da die Konzepte zu weit von der Realität und den Anforderungen der Fluggesellschaften entfernt sind." Als Einziges kann er sich mit der wechselnden Transparenz der Kabinenwände anfreunden, sonst sieht er vor allem die Chancen skeptisch, die Airbus- Ideen jemals von den Zulassungsbehörden abgesegnet zu bekommen. "Natürlich sind Konzeptannahmen erlaubt und nicht schlecht für zukünftige Marktstrategien", räumt er ein, "aber zum Beispiel gelten Nano-Oberflächen noch nicht als langzeittauglich." Tatsache ist, dass unter Ingenieuren, Wissenschaftlern und Designern ein Wettstreit der Konzepte tobt, wo es durchaus zu Ideenklau kommt, glaubt man Branchenkennern.

Der Nurflügler gilt als aussichtsreister Entwurf

Nach wie vor gilt unter Experten der Nurflügler als einer der aussichtsreichsten Entwürfe für das Flugzeug der Zukunft, auch wenn selbst innerhalb der HAW Kritiker bemängeln, elementare Bereiche wie Fahrwerk oder Steuerung seien ungelöst. "Unser Modell, aber auch die ähnliche X-48 von Boeing, fliegt hervorragend, lässt sich gut von Hand steuern, und das Fahrwerk funktioniert", beteuert Granzeier. "Wie sich die Steuerung im großen Flieger verhält, kann natürlich derzeit nur Spekulation sein." Der Nurflügler soll nach heutigem Planungsstand in 30 oder 40 Jahren zwischen 800 und 1000 Passagiere befördern, rund viermal so viele wie das Airbus-Konzeptflugzeug.

Nicht nur in Hamburg, auch in Kalifornien wird am Nurflügler geforscht. Dabei arbeiten Boeing und die US-Raumfahrtbehörde Nasa zusammen. Bereits im Frühjahr wurde die erste Flugtest-Phase mit einem Modell des Nurflüglers X-48B abgeschlossen, das 8,5 Prozent so groß ist wie ein mögliches reales Flugzeug. Bei insgesamt 80 Flügen wurde geprüft, wie sich das Modell mit 6,40 Meter Flügelspannweite etwa bei Triebwerksausfällen verhält oder ob das Steuersystem das Flugzeug auch bei extremen Manövern stabil halten kann.

"Die Versuche haben bestätigt, dass man ein solches Flugzeug ohne Leitwerk auch im niedrigsten Geschwindigkeitsbereich sicher fliegen kann", bestätigt Nasa-Manager Fay Collier. Die Amerikaner schätzen sogar, dass ein Nurflügler bis zu 30 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen könnte als gegenwärtige Jets.

Jetzt sind neue Tests mit einem Modell namens X-48C geplant, das noch leiser sein soll. "Die Vorteile beider Entwürfe halten sich etwa die Waage, wir haben auch über Nurflügler nachgedacht, uns scheint aber unser Konzept näher am Optimum zu liegen", sagt Airbus-Forscher Krein. Die Idee, mit dem gesamten Flugzeug Auftrieb zu erzeugen, verfolgen beide, Krein räumt allerdings ein, dass sein Modell weniger als halb so viel Auftrieb produziert wie ein Nurflügler.

Bei der HAW plant man bereits die Erprobung des neuen Nurflügler-Modells AC20.40, "am liebsten mit Brennstoffzellenantrieb, aber das hängt von Studierenden und Sponsoren ab", weiß Granzeier. Einig sind sich Krein und Granzeier auch in der Zielvorgabe: Ein Flugzeug, das erst in zwei bis drei Generationen zum Einsatz kommt, muss aerodynamisch mindestens 25 Prozent effizienter sein als heutige Varianten.

Einbettung in das Gesamt-Luftverkehrssystem

Mindestens so wichtig wie neuartige Flugzeuge wird allerdings künftig ihre Einbettung in ein verbessertes Gesamt-Luftverkehrssystem sein. "Das heutige Geschäft der Fluggesellschaften könnte sich vollständig integrieren in andere Teile des Transportsystems, um so Verspätungen zu vermeiden und die Effizienz zu steigern", sagt der britische Zukunftsforscher Robin Mannings. Darüber hat der deutsche Flugzeugdesigner Frank

Heyl schon vor einigen Jahren nachgedacht. Bei seinem Konzept befinden sich die Kabinen der Flugzeuge wie Container auf einem Schiff in herausnehmbaren Modulen, die jeweils bis zu 200 Sitze fassen. Nach der Landung entnehmen Spezialfahrzeuge die Module mit den Passagieren aus dem Flugzeug und transportieren sie in ein spezielles Dock im Terminal. Vorteil: Im Gebäude können schon vor Ankunft des Flugzeugs die nächsten Kabinenmodule beladen werden, die Bodenzeiten des Flugzeugs lassen sich minimal halten. Airbus übernimmt die Idee jetzt.

Etwas Neues steuern die Flugzeugbauer aber auch noch bei: Weil künftig vier- oder fünfmal mehr Flugzeuge am Himmel unterwegs sein werden als bisher, werde es dank neuer Präzisionsnavigation möglich, Flugzeuge wie Vogelschwärme im Formationsflug fliegen zu lassen - leiser und schneller als bisher, doch mit weniger Treibstoffverbrauch.

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