Flugauto aus Niedersachsen:Das Auto geht in die Luft

Fliegendes Auto von Fresh Breeze

Proberunde im Fahr- und Flugzeug: Firmenchef Michael Werner ist der Testpilot.

(Foto: dpa)

Ein Auto, das auch fliegen kann: Dieser Traum beschäftigt einige Konstrukteure schon seit vielen Jahren - stets ohne Erfolg. Doch nun steht ein solches Vehikel kurz vor der Serienreife. Dank seiner eher simplen Technik.

Von Thomas Harloff

"Was soll ich mit einem Ferrari? Vollgas geben kann ich hier in Deutschland damit eh nicht", sagt Michael Werner. Damit spricht der Chef des Bissendorfer Unternehmens Fresh Breeze aus, was viele andere denken. Doch Werner schickt einen weiteren Satz hinterher, den die meisten anderen nicht mit einem Ferrari in Verbindung bringen würden. "Und fliegen kann der auch nicht", sagt der 49-Jährige.

Mit diesen Sätzen antwortet Werner auf die Frage, warum er sich für 700 000 Euro nicht einfach einen teuren Sportwagen gekauft hat. Stattdessen hat der Unternehmer aus Wedemark bei Hannover nach eigener Aussage genau diesen Betrag in die Entwicklung jenes Flugautos investiert, das er heute der Öffentlichkeit vorstellte.

Das Vehikel sieht einem Strandbuggy ähnlich und hat drei Räder, zwei Sitze sowie je einen Propeller und Gleitschirm. Es wird laut Werner dank TÜV-Segen seit einiger Zeit zu Lande und in der Luft erprobt. Auf der Autobahn will Werner als Testpilot damit fast 200 km/h schnell gewesen sein.

Nach Fahrrädern und Anhängern lernt nun das Auto fliegen

Werner, dessen Firma mit 20 Mitarbeitern auf die Herstellung von Gleitschirm-Fluggeräten spezialisiert ist, will das Fahr- und Flugzeug schon bald in Serie bauen: "Wenn der Prototyp wie geplant im Frühjahr 2015 alle Prüfungen absolviert hat, dann steht der Vorserienproduktion nichts mehr im Wege", sagt der Konstrukteur, dessen Unternehmen bereits fliegende Fahrräder und Anhänger entwickelte.

Das technische Prinzip des eigenwilligen Fortbewegungsmittels: Es besitzt ein neuartiges Getriebe, das in der Luft die Kraft des Motors auf den Heckpropeller und auf der Straße an die Räder weiterleitet. Als Antriebsquelle dient ein 150 PS starker Zweizylindermotor mit Turboaufladung, wie er beispielsweise bei Schneemobilen zum Einsatz kommt. Das Leergewicht beträgt etwa 300 Kilogramm, ABS und ein Katalysator sollen für Sicherheit und Umweltfreundlichkeit sorgen.

Der Umbau vom Fahr- zum Flugzeug gelingt laut Hersteller mit wenigen Handgriffen. Nachdem sich der Fahrer einen Startplatz ausgesucht hat, legt er den Gleitschirm aus, montiert den zusammenklappbaren Propeller und wird so zum Piloten eines Ultraleicht-Flugzeuges.

Für Südafrika oder die Emirate

Werner sieht in seiner Erfindung weniger ein Auto, das fliegt, als vielmehr ein Fluggerät, das auch fährt. Und er gibt sich nicht der Illusion hin, damit die Mobilität zu revolutionieren. "Unser Produkt ist nicht massentauglich", sagt er. Interesse an seinem Flugauto gebe es vor allem im Ausland. "Deutschland ist für unseren Markt weitgehend uninteressant, aber in Südafrika oder den Emiraten könnten wir locker 300 Exemplare verkaufen." Die Interessenten mögen vor allem die Geländeoptik des Gleitschirmautos. In den Handel soll jedoch eine verkleidete Version kommen - zu einem Preis von weniger als 70 000 Euro.

Den Traum vom Fliegen hatten schon andere Autokonstrukteure - den ersten Prototypen eines solchen Zwitters gab es bereits 1912. Doch selten war er so realistisch wie heute. Derzeit sind mehrere Tüftler dabei, Flugautos zu entwickeln. Paul Moller arbeitet mit seiner Firma Moller International bereits seit mehreren Jahrzehnten an solchen Mobilen, die er Skycar nennt. Ein anderes Projekt der niederländischen Firma PAL-V Europe kombiniert ein motorradähnliches Gefährt mit einem Rotor, wie man ihn von Hubschraubern kennt.

Der letzte Schritt fehlt

Die Terrafugia-Modelle Transition und TF-X sind dem Konzept nach Kleinflugzeuge, die über einklappbare Tragflächen verfügen und somit auch auf der Straße bewegt werden können. Nach Angaben des in Woburn im US-Bundesstaat Massachusetts ansässigen Unternehmens gibt es mehrere hundert Interessenten für die etwa 210 000 Euro teuren Fluggeräte. In die Serienproduktion haben es diese Projekte freilich noch nicht geschafft - genauso wenig wie das Aeromobil des slowakischen Konstrukteurs Stefan Klein oder die zuvor genannten Entwicklungen.

Flugauto Carplane von John Brown

Ein Modell des Flugautos Carplane, das seit 2008 von Australier John Brown entwickelt wird.

(Foto: dpa-tmn)

Auch das Carplane, ein seit 2008 in Braunschweig entwickeltes Doppelrumpf-Flugauto mit technisch aufwändigen Schwenkflügeln, ist bislang nicht mehr als eine Technik-Vision. Ihr Schöpfer, der Australier John Brown, steht eng mit Michael Werner in Kontakt und sieht in dessen Technologie die vielversprechendere. Denn der Spagat zwischen Fliegen und Fahren ist vor allem aus bürokratischen Gründen problematisch. Einerseits wegen strenger Abgasnormen, die nur auf der Straße, nicht aber in der Luftfahrt eine Rolle spielen. Zudem müssen die Tragflächen im Fahrbetrieb irgendwo untergebracht werden. "Feste Flügel, das weiß auch John, sind viel schwerer zu verstauen als ein Gleitschirm", sagt Michael Werner, der glaubt, inzwischen 90 Prozent aller technischen Herausforderungen gelöst zu haben.

Und wer soll sein Flugauto kaufen? Etwa Ferrari-Fahrer, die hin und wieder in die Luft gehen wollen? Oder sind solche Vehikel eher die Antwort auf verstopfte Straßen? Werner ist diesbezüglich eher skeptisch. Er setzt auf Piloten, die mit ihrem Aeromobil nach der Landung vom Flugplatz nach Hause fahren könnten.

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